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Gerhard-Kittel-Medaille für PD Dr. Rudolf Reiter:
Pionierforschung zur submukösen Gaumenspalte

Universität Ulm

PD Dr. Rudolf Reiter, Oberarzt der Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie an der  Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (HNO), hat die Gerhard-Kittel-Medaille zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erhalten. Der Mediziner hat Pionierforschung zur submukösen Gaumenspalte (SMGS) geleistet.  Bei dieser angeborenen Fehlbildung ist die Spalte unter der Schleimhaut verborgen und bleibt deshalb oft unbemerkt. Wird der Defekt nicht rechtzeitig operativ geschlossen, entwickeln betroffene Kinder eine hartnäckige Sprechklangveränderung in Form von offenem Näseln, eine chronische Tubenventilationsstörungen mit Paukenergüssen („Wasser im Ohr“) und möglicherweise eine chronische Mittelohrentzündung. Aufgrund des folgenden Hörverlustes kann es zu einer Sprachentwicklungsverzögerung kommen. „Nirgendwo sonst außer in Ulm hat es wohl jemals nennenswerte Forschung an der submukösen Gaumenspalte für unser Fachgebiet gegeben. Dr. Reiter ist erstmals eine sehr umfassende Betrachtung dieses selbst von Fachkollegen oft übersehenen Störungsbildes gelungen“, sagt Professorin Sibylle Brosch, Leiterin der Ulmer Sektion Phoniatrie und Pädaudiologie. Spaltbildungen im Lippen-Kiefer-Gaumenbereich gehören zu den häufigsten angeborenen Fehlbildungen. Bisherige Forschungsbemühungen haben sich nahezu ausschließlich auf durchgängige Gaumenspalten konzentriert.

Im Zuge seiner Habilitationsschrift hat Rudolf Reiter anhand von über 400 Patienten richtungsweisende Symptome und Gaumenbefunde der SMGS definiert. Da eine Operation zwischen dem zwölften und achtzehnten Lebensmonat durchgeführt werden sollte, ist eine rasche Diagnose besonders wichtig.
Bestimmte Umwelteinflüsse und genetische Dispositionen scheinen die Fehlbildung zu begünstigen. Konkret konnte der Mediziner Nikotingenuss der Mutter während der Schwangerschaft als wichtigen Risikofaktor ausmachen. In rund einem Drittel der untersuchten Fälle lag eine familiäre Häufung dieser oder verwandter Fehlbildungen vor.
Auf molekulargenetischer Ebene brachte Rudolf Reiter Mutationen der Gene TGF-ß 3 und MN1 mit der submukösen Gaumenspalte in Verbindung. Diese Untersuchungen erfolgten gemeinsam mit dem Ulmer Institut für Humangenetik.

In einem zweiten Schritt hat der Forscher den Effekt der „Schmetterlingsnaht des Weichgaumens“ ausgewertet. Diese Gaumenspaltoperationstechnik ist von Professor Stephan Haase an der Ulmer Universitätsklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie entwickelt worden. Sie wird oft in Kombination mit einer Paukendrainage – das ist eine Maßnahme zur Belüftung des Mittelohrs -  durchgeführt. Mit überzeugenden Ergebnissen:
In den meisten Fällen konnte zum Beispiel ein offenes Näseln durch die Operation beseitigt werden, oft verbesserte sich die Schalleitungsschwerhörigkeit der jungen Patienten. „Nach durchschnittlich zwölf  Monaten entwickelten 91 Prozent aller Patienten einen normalen Sprechklang“, sagt Rudolf Reiter.

Dr. Rudolf Reiter ist seit 2003 an der Ulmer HNO-Klinik tätig. Nach Abschluss seiner Weiterbildung zum HNO-Facharzt wechselte er in die Sektion für Phoniatrie und Pädaudiologie und schloss dort eine weitere Ausbildung zum Facharzt für Sprach-, Sprech- und kindliche Hörstörungen ab. Im vergangenen Jahr hat sich der Mediziner zur submukösen Gaumenspalte habilitiert.

Die Gerhard-Kittel-Medaille zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist mit 1000 Euro dotiert und wird alle zwei Jahre von der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie (DGPP) vergeben. Rudolf Reiter hat die Auszeichnung bei der DGPP-Jahrestagung Ende September in Bonn erhalten.

Gerhard Kittel (1925-2011) ist Begründer der DGPP und hat die Phoniatrie maßgeblich geprägt. Das Fachgebiet Phoniatrie befasst sich mit Sprach-,  Sprech- und Stimmstörungen. Gegenstand der Pädaudiologie sind Hörstörungen im Kindesalter, die sich negativ auf den Spracherwerb auswirken können.

Von Annika Bingmann