Die Nationale W.-N.-Karasin-Universität Charkiw ist neue offizielle Partnerhochschule der Universität Ulm. Dies ist der erste Schritt hin auf dem Weg zu einem Doppelabschluss in Informatik/Mathematik, den beide Universitäten anstreben. Das Angebot richtet sich in erster Linie an aus der Ukraine geflüchtete Studierende oder Studienanfängerinnen und -anfänger, die derzeit in Deutschland leben und regulär an der Uni Charkiw eingeschrieben sind. Kürzlich besuchte eine Delegation junger Ukrainerinnen und Ukrainer aus München die Uni Ulm, um sich vor Ort ein Bild vom Studienangebot zu machen.
Knapp vierzig Jugendliche und junge Erwachsene, die vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, kamen gemeinsam mit Professorin Marina Vladimirova aus München nach Ulm. An der Uni konnten sie sich einen ersten Eindruck vom Campus verschaffen und sich über die für sie infrage kommenden Studienfächer Informatik und Mathematik informieren. Die beiden Universitäten Ulm und Charkiw wollen ihnen einen Doppelabschluss ermöglichen. „Ein entsprechendes Memorandum of Understanding ist unterzeichnet“, sagt Professor Stefan Funken, Dekan der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften. Professor Evgeny Spodarev, Leiter des Instituts für Stochastik, ergänzt: „Die Vorbereitung eines Double-Degree-Abkommens für den Bachelor Mathematik ist bereits im Gange.“ Derzeit studieren die jungen Leute online an der Uni Charkiw, die meisten haben gerade ihr zweites Semester beendet. Wenn alles klappt, können sie für einen festen Zeitraum – zum Beispiel ein Semester – in Ulm studieren.
Funken stellte den Ukrainerinnen und Ukrainern die Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften vor und warb für das gute Betreuungsverhältnis in den 13 Studiengängen. Viele von ihnen studieren Informatik – ein Fach, das an der Universität Charkiw allerdings deutlich mehr Mathematik vermittelt, als das in Ulm der Fall ist, erklärte Spodarev. Dafür könne die Ulmer Informatik beispielsweise mit vertieften Kenntnissen in künstlicher Intelligenz punkten.
Studium als Vollzeitjob
Um den jungen Leuten einen Eindruck vom Studium an der Uni Ulm zu vermitteln, stellte Professor Henning Bruhn-Fujimoto, Studiendekan für Mathematik, den Gästen den Studienplan für das Fach Informatik vor. Eine mögliche Hürde dabei: Im Bachelor-Studiengang finden die meisten Vorlesungen auf Deutsch statt. Wie sich in der anschließenden Fragerunde zeigte, scheint das für die Ukrainerinnen und Ukrainer aber kein Problem zu sein – sie sprechen bereits sehr gut Deutsch. Wissen wollten sie vor allem, wie viele Vorlesungen es gibt, wann diese stattfinden und wie geprüft wird. „Sie müssen sich darauf einstellen, dass es hart wird“, sagte Professor Spodarev über das Studium in Ulm. Er warnte davor, neben dem Studium zu arbeiten, wie es in der Ukraine üblich sei: „Unser Studium ist ein Vollzeitjob. Sie sind hier voll ausgelastet.“
Die Idee einer Kooperation entstand, nachdem sich Vladimirova und Spodarev auf einer Tagung in Regensburg kennengelernt hatten und der Ulmer von dem dringenden Wunsch der jungen Ukrainerinnen und Ukrainer erfuhr, ihr Studium fortzusetzen. Der 18-jährige Maksym lebt seit einem Jahr in München und ist an der Uni Charkiw in Informatik eingeschrieben. Gerade hat er sein zweites Semester abgeschlossen. Das Studium findet zwar online statt, aber dennoch in Präsenz in einem Münchner Kulturzentrum. „Es sind mehrere Lehrer vor Ort“, berichtet der 18-Jährige, dem das Angebot an der Uni Ulm gut gefällt.
Die Universität Ulm ist bereits seit vielen Jahren mit der Ukraine verbunden: Mit der Universität Kiew besteht seit langem eine Partnerschaft, und an der Uni Ulm gab es schon immer ukrainische Studierende, vor allem in der Medizin. Vor Beginn des russischen Angriffskrieges waren es knapp 40, heute sind es fast doppelt so viele.
Über ConnectUlm
Die Plattform ConnectUlm bündelt seit dem Herbst 2022 Vernetzungs- und Hilfsmöglichkeiten für Studierende aus der Ukraine. Studieninteressierte und Forschende, die derzeit an einer ukrainischen Hochschule studieren oder tätig sind, können von vielen Studien- und Unterstützungsangeboten der Uni Ulm profitieren. ConnectUlm bringt zudem Studierende und Forschende der Uni Ulm zusammen, die sich aktiv für geflüchtete Studierende aus der Ukraine engagieren möchten. Universitätsangehörige, die vom Krieg in der Ukraine betroffen sind, finden dort ebenfalls Unterstützung. Mit ConnectUlm können Studierende von ukrainischen Hochschulen, die ihr Studium in der Ukraine virtuell von Deutschland aus weiterverfolgen möchten, zahlreiche Unterstützungsangebote der Uni Ulm nutzen.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Evgeny Spodarev, Institut für Stochastik, Mail: evgeny.spodare(at)uni-ulm.de
Text und Medienkontakt: Christine Liebhardt