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Forschung zwischen Hardware und Wolke
Prof. Stefan Wesner neuer KIZ-Direktor

Universität Ulm

„Nein“, sagt Professor Stefan Wesner, dass er eines der Büros der Universität Ulm mit der schönsten Aussicht bezogen habe, sei ihm „bisher nicht bewusst geworden“. Mit einem Blick weit hinaus auf Oberschwaben und an speziellen Tagen bis zu den Schweizer Alpen. Der sei ihm bislang verwehrt gewesen, zumeist dem Hochnebel über Ulm geschuldet oder den Wolken. „Passend zu meinem Forschungsschwerpunkt“, lacht der Experte für das so genannte Cloud-Computing. Anfang Januar hat der 43-Jährige die Leitung des Kommunikations- und Informationszentrums (KIZ) übernommen, neben der Verwaltung die größte Zentraleinrichtung der Uni. Ab April wird der KIZ-Direktor in Personalunion auch das Institut für Organisation und Management von Informationssystemen leiten und hier ebenfalls seinen langjährigen Vorgänger sowie KIZ-Gründer Professor Hans Peter Großmann ablösen, der in den Ruhestand wechselt.

„Ich bin sehr gut aufgenommen worden und fühle mich sehr wohl hier“, bilanziert Wesner seine ersten Erfahrungen. Und natürlich freue er sich auf die jetzt anstehenden Aufgaben. „Insbesondere die thematische Breite des KIZ mit Informationssystemen, Bibliothek und Medienbereich kommt mir sehr entgegen.“ Andere Voraussetzungen nicht minder. „Ich habe ja Elektrotechnik studiert und komme aus der Nachrichtentechnik-Ecke“, so der gebürtige Sigmaringer mit Studium in Saarbrücken und Promotion zum Dr.-Ing. an der Universität Stuttgart „summa cum laude“ übrigens.

Ein weiterer Vorteil aus seiner Sicht: Die in Ulm schon sehr früh realisierte Idee, Bibliothek, IT und Medien in einem Zentrum zu konzentrieren, „als erste Uni nicht nur  im Land, sondern bundesweit.“. Bei Querschnittsthemen wie dem Forschungsdatenmanagement und virtuellen Forschungsumgebungen werde sich diese Konzentration unterschiedlicher Expertise in einem Zentrum sehr positiv auswirken. „Da ist die Uni Ulm in einer sehr guten Ausgangsposition“, ist Professor Wesner überzeugt

Das gelte auch für andere Themen, denn Lehrbücher werden Stefan Wesner zufolge in den nächsten Jahren weiter mit Multimedia-Angeboten verschmelzen, durch Verlinkungen zwischen gedruckten und online verfügbaren Informationen wird auch die Grenze zwischen Buch und Online-Inhalten verschwinden. Zugleich erfordere die Vielfalt an Daten aus Experimenten oder Simulationen die Methoden aus dem Bibliothekswesen auch in diesem Bereich anzuwenden. „Vor allem, um die Suche nach Daten ähnlich einfach zu gestalten wie die Suche nach Artikeln zu einem bestimmten Thema.“ Auch dies ein Aspekt, der Kompetenzen aus den verschiedenen Bereichen erfordere, macht der KIZ-Chef deutlich, zuvor seit 15 Jahren an der Uni Stuttgart tätig, zuletzt als Geschäftsführender Direktor des Höchstleistungsrechenzentrums Stuttgart.

Wie dort gelte für ihn nun in Ulm: „Unsere Nutzer stellen hohe Anforderungen an die Verlässlichkeit der Dienstleistungen, die Servicequalität muss konstant erhalten bleiben.“ Nicht zu vergessen dabei: Die Weiterentwicklung der Ausstattung, ihre Anpassung an die rapiden Veränderungen gerade im IT-Bereich. Wie die Ablösung des derzeitigen Hochschuinformationssystems durch ein integriertes Campus-Management-System etwa, die noch in diesem Jahr eingeleitet werden soll. Oder die Erneuerung der Geräte-Infrastruktur für das Wissenschaftliche Rechnen, für die schon im Februar erste Entscheidungen anstehen. Und ebenso, bereits geplant und noch für 2013 vorgesehen: Ausschreibung, Auftrag und Installation eines Großrechners für den „Forschungscluster Theoretische Chemie Baden-Württemberg", für den die Uni Ulm die Federführung übernommen hat.

„Beratungsbedarf durch uns“ sieht der KIZ-Direktor fraglos auch bei Möglichkeiten und Kosten zum Thema Open Access, den für den Nutzer kostenfreien und öffentlichen Zugang zu wissenschaftlichen Ergebnissen im Internet. „Eine sinnvolle Idee“, meint Wesner, „und nach den Plänen der EU sogar bei öffentlich geförderten Forschungsprojekten zwingend erforderlich“. Aber der Prozess sei „noch im Umbruch und es gibt noch große Unsicherheiten“. Gleichwohl: „Der Weg wird in diese Richtung gehen und wir müssen einen Weg finden, die Interessen von Forschern und Verlagen unter einen Hut zu bringen.“

Wobei ungeachtet seiner Inanspruchnahme durch den Dienstleistungsbereich die eigene Forschung nicht zu kurz kommen soll. Im Gegenteil. „Den Lehrstuhl möchte ich mit Drittmitteln aufbauen“, erklärt Wesner, Spezialist für die Themen Grid- und Cloud-Computing. Mit gesicherten Perspektiven für seine Ambitionen: Ein großes EU-Projekt („PaaSage“) bringt er aus Stuttgart mit und einen Doktoranden dazu, Anträge für fünf weitere Vorhaben hat er kürzlich in Brüssel eingereicht. Ziel des genannten Projekts: Kompatible Anwendungen für unterschiedliche Infrastrukturen  beim Cloud Computing, das bekanntlich eine flexible Nutzung von IT-Diensten spezieller Anbieter ohne den Aufbau einer eigenen Infrastruktur ermöglicht, Wesner zufolge interessant insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen. Und ein generelles Ziel seiner Forschungsaktivitäten: Der Aufbau Energie-effizienter, intelligent gesteuerter und optimal ausgelasteter Rechenzentren auch unter Berücksichtigung externer Faktoren wie zum Beispiel der jeweiligen Umgebungstemperaturen. Langfristig womöglich mit Vorteilen für das Uni-Rechenzentrum selbst. Professor Wesners Plan: „Die Technologie am Lehrstuhl erforschen und die Ergebnisse in den Betrieb am KIZ transferieren.“ Und nicht nur das: „Meine Forschungsthemen werden natürlich auch in meine Vorlesungen einfließen“, erklärt der Wissenschaftler. Damit starten will er im kommenden Sommersemester.

Von Willi Baur