„Ich bin sehr erfreut, zum ersten Mal in der Universitätsgeschichte einen Kardinal bei uns begrüßen zu dürfen“, sagte Uni-Präsident Professor Karl Joachim Ebeling. Außerdem lobte er die positive Entwicklung der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften, belegt auch durch das hervorragende Abschneiden beim aktuellen Ranking des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE). Zuvor hatte Professorin Brigitte Zürn, Vorstandsvorsitzende des Ulmer Forums für Wirtschaftswissenschaften, das Plenum begrüßt und die Aktivitäten des UFW vorgestellt.
„Europa - eine geistige, politische und kirchliche Herausforderung“ lautete der Titel des Vortrags von Walter Kardinal Kasper. An die Anfänge der Staatengemeinschaft erinnert sich der Theologe noch gut: „Als Jugendlicher habe ich die ,Stunde Null‘ erlebt. Auch aus dieser Erfahrung erklärt sich meine Begeisterung für Schumans und Adenauers Idee eines geeinten Europas. Trotz der Euro-Krise und anderen Problemen ist die Europäische Union ein Erfolgsmodell.“ Allerdings sei der europäische Gedanke noch nicht in den Herzen der Menschen angekommen. Walter Kardinal Kasper bezeichnete Europa als „Geschichtliche Schicksalsgemeinschaft“, die momentan vor Herausforderungen stehe. Dieses Europa müsse jetzt eine Identität entwickeln. Dabei solle ein respektvoller Dialog der Kulturen und Religionen gepflegt werden, traditionelle Werte dürften aber nicht vergessen werden.
Im folgenden Vortrag sprach BKA-Präsident Jörg Ziercke über Wirtschaftsdelikte – „neben Drogenhandel das dominierende Kriminalitätsfeld in Deutschland.“ Hierzulande hätten organisierte Straftaten wie Kreditbetrug und Insolvenzdelikte im vergangenen Jahr Schäden in Höhe von 740 Million Euro verursacht. Dabei spielt das Internet eine immer größere Rolle: Delikte im Netz umfassen zum Beispiel das Ausspähen von Kontendaten beim Onlinebanking, Hackerangriffe oder Computersabotage. Ziercke berichtete zudem von neuen Phänomenen wie der Schutzgelderpressung von Onlineshops. Egal ob es sich um manipulierte Geldautomaten oder Konkurrenzspionage handelt, in der Wirtschaftskriminalität ist die Dunkelziffer hoch: Auch aus Angst vor einem Imageschaden zeigen viele Unternehmen Delikte nicht an.
Professor Kai-Uwe Marten, Leiter des Instituts für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung, dankte dem BKA-Präsidenten besonders, dass er trotz der angespannten Lage nach Osama Bin Ladens Tod nach Ulm gekommen war.
Weiterhin stand eine Diskussionsrunde zum Compliance-Management in mittelständischen Unternehmen auf dem Programm. Hinter diesem englischen Begriff verbirgt sich die Einhaltung von allgemeinen Gesetzen, aber auch selbst auferlegten Richtlinien in Unternehmen. Neben Walter Kardinal Kasper diskutierten Juristen und verschiedene Wirtschaftsvertreter über das Thema.
Das Ulmer Forum für Wirtschaftswissenschaften hat die Förderung von Wissenschaft, Hochschulausbildung und Praxisbezug im Studium zum Ziel. An der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften sollen vor allem die Bereiche Rechnungslegung, Wirtschaftsprüfung und Steuerrecht unterstützt werden. Regelmäßige Spenden helfen der Universität Ulm, aktuelle wirtschaftswissenschaftliche Literatur zu beschaffen. Das UFW verleiht Förderpreise an exzellente Absolventen der Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsmathematik. Mittlerweile hat der im Jahr 2004 gegründete Verein rund 360 Mitglieder. Jedes Frühjahr organisiert das UFW eine prominent besetzte Fachtagung, dazu kommen weitere Seminare.
Von Annika Bingmann