Frauen haben es nicht leicht in der Wissenschaft. Am oberen Ende der Karriereleiter wird für viele von ihnen die Luft immer dünner. Besonderen Biss braucht es in den Natur- und Ingenieurswissen- schaften, wo noch immer der Herr Professor den vorherrschenden Ton angibt. Dr. Dilana Hazer lässt sich davon nicht beirren. Die promovierte Ingenieurin, seit Februar Stipendiatin im Margarete von Wrangell-Programm, kennt sich mit Männerdomänen bestens aus.
Dilana Hazer arbeitet wissenschaftlich gerne interdisziplinär; am liebsten an den Schnittstellen von Medizin, Psychologie und den Ingenieurwissenschaften. Aber auch zur Informatik und Physik hin kennt sie keine Berührungsängste. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Medizinischen Psychologie forschte bisher auf einer Post-doc-Stelle bei Professor Harald Traue im Transregio-Sonderforschungsbereich (SFB/TRR) 62 "Eine Companion-Technologie für kognitive technische Systeme". Ihr Bereich: das sogenannte Affective Computing und die Mensch-Computer-Interaktion.
"Dank des Habilitationsstipendiums habe ich nun fünf Jahre Zeit, um mich auf eine Professur vorzubereiten. Das heißt, ich muss mir erst einmal keine Gedanken um Stellenfinanzierungen machen und kann mich voll und ganz auf meine Forschung vorbereiten", freut sich die Wrangell-Stipendiatin. Das nach der ersten deutschen Professorin, Margarete von Wrangell, benannte Förderprogramm des Landes Baden-Württemberg soll exzellenten jungen Wissenschaftlerinnen den Sprung auf einen eigenen Lehrstuhl erleichtern. Zwar hat sich der Anteil der Professorinnen an den Landeshochschulen von 2003 bis 2013 von 11 auf 19 Prozent erhöht, doch sind Frauen gerade auf den Spitzenpositionen noch immer stark unterpräsentiert. Fünf Jahre haben die geförderten Forscherinnen nun Zeit, um sich die akademische Lehrbefugnis zu erarbeiten, die noch immer ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur Professur ist. Für die ersten drei Jahre übernimmt das Land die Finanzierung einer entsprechenden Stelle und zwei weitere Jahre bezahlt die Universität.
Mit großer Neugier auf biomedizinische Fragen
Die Ulmer Stipendiatin ist gebürtige Libanesin. Dilana Hazer wurde 1982 in Beirut geboren und machte dort Abitur. Die technisch interessierte und mathematisch begabte junge Frau wollte Ingenieurin werden und studierte ein Jahr lang in der libanesischen Hauptstadt. Für den Studiengang "Engineering Physics" kam sie schließlich für drei Jahre an die Universität Oldenburg. Und dort sind es vor allem biomedizinische Fragen, die mit der Zeit ihre Neugier wecken. So bleibt sie nach einem Erasmus-Aufenthalt im französischen Lyon, um am dortigen CNRS ihre Bachelor-Arbeit im Bereich "Computational Neurosciences" anzufertigen. Ihr Masterstudium an der Universität Oldenburg - im Studiengang "Biomedical Physics" - beschließt Hazer mit einer Abschlussarbeit bei Siemens Medical Solutions in Heidelberg im Bereich Strahlentherapie.
Auch bei ihrer Promotion am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) stand eine biomedizinische Anwendung im Vordergrund. Die Ingenieurin entwickelte dafür ein Computer-basiertes System zur Verbesserung der kardiovaskulären Diagnostik, also für die Diagnose von Gefäßerkrankungen. Auf der Grundlage individueller Patientendaten konnte Hazer mit Hilfe von CT- und MRT-Aufnahmen patientenspezifische 3D-Gefäßmodelle entwerfen, um die Blutströmungsdynamik und Gefäßwandmechanik von Patienten individuell zu simulieren. "Diese Computermodelle helfen dem Gefäßchirurgen schließlich bei der Planung und Durchführung minimal-invasiver Eingriffe, indem sie dem behandelnden Arzt die kardiovaskulären Besonderheiten des Patienten konkret vor Augen führen", erläutert die Wissenschaftlerin. Bei einem Forschungsaufenthalt an der Carnegie Mellon University (CMU) in Pittsburgh (USA) konnte die damalige Doktorandin ihre Entwicklung schließlich in der klinischen Anwendung praxisnah evaluieren.
Ein kognitiv-technisches System zur Affekterkennung
Ihr Habilitationsprojekt ist thematisch verwandt mit ihrer - mit "summa cum laude" bewerteten -Doktorarbeit. Im Mittelpunkt steht auch hier ein computerbasiertes System zur kardiovaskulären Diagnostik. Allerdings geht es dabei um die Entwicklung eines kognitiv-technisches Systems, das stresshafte Emotionen und seelische Belastungen anhand kardiovaskulärer Informationen "automatisch" erkennen kann. Auf der Grundlage von Daten aus dem Elektrokardiogramm (EKG) oder anderer biomedizinischer Signale könnten Ärzte damit affektgeladene emotionale Zustände von Patienten erkennen, die möglicherweise das Herzinfarkt- oder Schlaganfall-Risiko erhöhen. "Denn seelische Belastungen sind ein Risikofaktor für die Gesundheit. Allerdings gibt es hier große individuelle Unterschiede, ab wann dieser emotionale Stress gesundheitsgefährdend ist. Ein intelligentes Stresserkennungssystem muss mit den individuellen Voraussetzungen automatisch fertig werden, damit es für die Krankheitsprävention gute Dienste leisten kann", ist die sportliche Forscherin überzeugt, die sich selbst mit Fußball, Tennis und Mountain Biking fit hält.
Die Wissenschaftlerin kennt auch die Schattenseiten des Lebens
Dilana Hazer kennt aber auch ein Leben außerhalb der Wissenschaft. Sie hat mehrjährige Berufserfahrung in der Wirtschaft, vor allem im Bereich Product/Account/Business Development Management in der Biomedizin-Branche, und mit ihrer Masterarbeit bei Siemens Medical Solutions bekam sie dort auch Einblicke in die Arbeit großer forschender Unternehmen. Die ehrgeizige Wissenschaftlerin ist weltgewandt und polyglott. Sie spricht Arabisch und Libanesisch als Muttersprache, außerdem fließend Französisch, Englisch und Deutsch sowie etwas Spanisch. Ihr Lebenslauf besticht nicht nur mit vielen Auszeichnungen und Stipendien, sondern beeindruckt zudem durch ihr gesellschaftliches Engagement. Sie schätzt nicht nur die Arbeit der Pfadfinder, sondern arbeitet auch ehrenamtlich für "Friedensdorf International" als stellvertretende Leiterin im Freundeskreis Ulm. Und seit über zwei Jahren ist sie aktives Mitglied im Förderverein des "Behandlungszentrum für Folteropfer Ulm" (BFU). Die erfolgreiche junge Frau kennt also auch die Schattenseiten des Lebens.
Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann