Sie geht auf Nahrungssuche, wenn andere Siesta halten: Die saharische Silberameise macht vor allem in der Mittagshitze der Sahara und in den Wüsten der arabischen Halbinsel Beute. In dieser lebensfeindlichen Umgebung kommen ihr ihre exzellente Navigationsfähigkeit und ihr großes Lauftalent zugute. Das Insekt gilt sogar als schnellste Ameise der Welt: Mit Geschwindigkeiten von bis zu einem knappen Meter pro Sekunde flitzen sie über den oft mehr als 60 Grad Celsius heißen Sand und lassen ihre deutlich langbeinigeren Verwandten „Cataglyphis fortis“ weit hinter sich. Im „Journal of Experimental Biology“ ergründen Ulmer Forschende um Professor Harald Wolf und Dr. Sarah Pfeffer das Geheimnis der Silberameisen.
Um als Ameise in der Mittagshitze der Sahara zu überleben, sind besondere Fähigkeiten nötig: Die Insekten müssen oft lange Strecken zurücklegen, wenn sie die raren Nahrungsquellen – dabei handelt es sich meist um in der Hitze verendete Insekten – aufspüren wollen. Zudem brauchen sie einen ausgeprägten Orientierungssinn, um nach dem Beutezug zurück ins Schatten spendende Nest zu finden. Als wahre Wüstenflitzer und schnellste Ameisenart der Welt hat sich die saharische Silberameise (Cataglyphis bombycina) herausgestellt: Obwohl es ihr gedrungener Körperbau nicht vermuten lässt, erreicht sie deutlich höhere Geschwindigkeiten als verwandte, größere Wüstenameisenarten. Mittels Videoaufzeichnungen haben Ulmer Forschende um den Leiter des Instituts für Neurobiologie, Professor Harald Wolf, den Laufstil der Silberameisen unter verschiedenen Bedingungen analysiert.
Pro Sekunde legen sie 108 Mal die eigene Körperlänge zurück!
In der tunesischen Wüste mussten die Biologinnen und Biologen zunächst einmal ihren eigenen Spürsinn unter Beweis stellen. „Wir haben nach grabenden Silberameisen Ausschau gehalten oder sind jagenden Tieren zurück zum Nest gefolgt“, erinnert sich die Erstautorin Dr. Sarah Pfeffer. War der Eingang zur Ameisen-Behausung erst einmal gefunden, brachten die Forschenden einen mit Sand ausgelegten Aluminiumsteg an und lockten die Ameisen mit Mehlwürmern. Nun brauchten sie lediglich eine Videokamera zu montieren, um die Bewegungen der Silberameisen unter verschiedenen Bedingungen aufzuzeichnen. Dabei maßen die Forschenden in der heißen Wüstensonne Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 0,855 Meter pro Sekunde (m s-1). Somit legen die Silberameisen pro Sekunde 108 Mal ihre eigene Körperlänge zurück! Im auf bis zu zehn Grad heruntergekühlten Labor an der Universität Ulm waren es nur noch 0,057 m s-1.
Mit dieser exzellenten Laufleistung sichern sich die Insekten einen Platz unter den schnellsten Tieren der Welt – neben einer australischen Sandlaufkäferart und einer in Kalifornien vorkommenden Milbe. Die Wüstenameisenart „Cataglyphis fortis, die nur etwa 50 Körperlängen pro Sekunde schafft, kann hier nicht mithalten. Dabei hatten die Forschenden um Wolf und Pfeffer eine erhebliche Beinlängendifferenz festgestellt – mit 4,3 bis 6,8 mm sind die Gliedmaße der Silberameise um fast 20 Prozent kürzer als bei der langbeinigen Verwandtschaft. „Diesen offensichtlichen Nachteil müssen die Silberameisen durch einen besonderen Laufstil wettmachen“, mutmaßen die Forschenden. Und tatsächlich stellten sie in der Videoanalyse fest, dass diese Ameisenart bis zu 47 Schritte in der Sekunde macht und ihre Beine mit einer Geschwindigkeit von bis zu 1400 mm s-1 in der Sekunde schwingt. Sie verfallen in eine Art Galopp, wobei sich zeitweise alle Beine gleichzeitig in der Luft befinden. Wenn die Silberameisen anziehen, können sie ihre Schrittlänge sogar vervielfachen. „Insgesamt zeigen die Silberameisen eine annähernd perfekte Koordination: Die drei zusammengehörigen Beine arbeiten beinahe synchron, wodurch die Körpermasse gleichmäßig verteilt wird. Jedes Bein berührt den Boden nur 7 Millisekunden lang“, resümiert Dr. Sarah Pfeffer.
Mit ihrem besonderen Laufstil sinken die Ameisen im Sand nicht ein
Dieser besondere Laufstil mag sich durch den Lebensraum der Silberameisen erklären: Sie bewegen sich auf Sanddünen und müssen das Risiko minimieren, einzusinken. Hierfür scheinen die schnellen, jedoch perfekt koordinierten Bewegungen von Vorteil zu sein. Die verwandte Ameisenart Cataglyphis fortis lebt hingegen in der Salztonebene auf einem „festgebackenen“, völlig ebenen Untergrund und musste ihren Laufstil wohl deutlich weniger anpassen. Die Ulmer Forschenden wollen die Wüstenflitzer in jedem Fall weiter ergründen – und dabei vor allem die Muskelkontraktion der schnellsten Ameise der Welt in den Blick nehmen.
Bei ihren Forschungsarbeiten in der nordafrikanischen Wüste und im Labor sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Ulm unterstützt worden.
Mit Material von „inside JEB“/Kathryn Knight
Literaturhinweis
Pfeffer, S. E., Wahl, V. L., Wittlinger, M. and Wolf, H. (2019) High-speed locomotion in the Saharan silver ant, Cataglyphis bombycina. J. Exp. Biol. 222, jeb198705. doi:10.1242/jeb.213660
Text und Medienkontakt: Annika Bingmann