Er ist heimtückisch, aggressiv und nur selten zu besiegen: Der Bauchspeicheldrüsenkrebs gehört zu den tödlichsten Krebsarten in der westlichen Welt. Trotz der enormen Fortschritte der medizinischen Forschung weiß man noch immer nicht, wie Pankreaskarzinome genau entstehen und wie sie effektiv bekämpft werden können. Ulmer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben nun in einer präklinischen Studie am Mausmodell gezeigt, wie sich bestimmte Krebszellen in den Tod treiben lassen.
Die Ulmer Krebsforscher haben dafür einen mutationsspezifischen kombinatorischen Therapieansatz gewählt, der sich gegen eine Karzinomvariante richtet, bei der ein wichtiges DNA-Reparaturgen (ATM) mutiert ist. Den Forschenden gelang es durch die Kombination dreier Substanzen, die zellulären Reparaturmechanismen auf breiter Linie abzuschalten. Der Effekt: die Krebszellen starben ab und das Tumorwachstum wurde gehemmt. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse der Studie in der renommierten britischen Fachzeitschrift „GUT“, sowie eine Erweiterung des Therapieregimes in „Cells“.
Bauchspeicheldrüsenkrebs ist nicht gleich Bauchspeicheldrüsenkrebs. Heute weiß man, dass unterschiedliche genetische Mutationen mit dieser Krebsart assoziiert sind. „Wir halten es für sehr sinnvoll, die Pankreaskarzinom-Patienten entsprechend ihrer Mutationen zu gruppieren, um die Erkrankung zielgerichtet behandeln zu können“, so der Studienleiter Professor Alexander Kleger vom Universitätsklinikum Ulm. Als Heisenberg Professor für Molekulare Onkologie leitet er eine Arbeitsgruppe zur Pankreasforschung. Der Mediziner ist Oberarzt und Leiter der Pankreatologie an der Klinik für Innere Medizin 1.
Bei einem Fünftel aller Patienten mit Pankreaskarzinom gibt es Mutationen in DNA-Reparaturgenen. Am häufigsten ist dabei das ATM-Gen betroffen. Dieses Gen kodiert für das Enzym ATM-Serin/Threonin-Kinase, das eine Schlüsselrolle bei der Reparatur von DNA-Doppelstrangbrüchen spielt. Ist dieses Gen mutiert, kann dieses Enzym nicht synthetisiert werden, sodass die Doppelstrangreparatur nicht mehr funktioniert. Um die DNA-Schäden zu beseitigen, treten alternative Reparaturmechanismen in Kraft, die jedoch weitaus fehleranfälliger sind. Für die Zellen bedeutet dies ein gewisses Reproduktionsrisiko, da die zelluläre Qualitätskontrolle bei der Zellteilung fehlerhafte „Kopiervorlagen“ eliminiert und schadhafte Zellen in den Tod schickt.
Krebszellen mit Mutationen reagieren empfindlicher auf DNA-schädigende Medikamente
Um Tumorzellen, die ATM-Mutationen aufweisen, selektiv abzutöten und dabei möglichst wenig Nebenwirkungen hervorzurufen, machen sich die Forscherinnen und Forscher diese besondere Tatsache zunutze: „Krebszellen mit Mutationen in solchen DNA-Reparaturgenen reagieren empfindlicher auf DNA-schädigende Medikamente als gesunde Körperzellen. Dadurch lässt sich die Spezifität des Zelltods auf Krebszellen besser konzentrieren“, erklären Dr. Lukas Perkhofer und Dr. Johann Gout. Der Oberarzt und der Postdoc aus der Klinik für Innere Medizin 1 teilen sich die Erstautorenschaft der Studie.
Um nicht nur die Reparatur von DNA-Doppelsträngen, sondern auch alternative Reparaturwege zu blockieren, hat das Forschungsteam drei unterschiedliche Medikamentengruppen kombiniert. Zu diesen gehören sogenannte PARP-, ATR- und DNA-PK-Inhibitoren, die allesamt, aber auf unterschiedlichen Wegen hemmend in die genetische Schadensregulierung eingreifen. Unterbleibt die Reparatur massiver Genschäden, leitet die Zelle den gezielten Zelltod durch „Selbstmord“ ein: die Apoptose. So wird der Tumor in seinem Wachstum gestoppt. Durch die Kombination dieser drei Komponenten sollen weniger Nebenwirkungen auftreten und Resistenzen so gut es geht vermieden werden. „Die gleichzeitige Hemmung der Kinase ATM durch spezifische Medikamente erlaubt eine potentielle Erweiterung der Therapie auf nicht ATM-mutierte Tumoren, gleichzeitig muss aber die Toxizität einer solchen potentiellen Therapie berücksichtigt werden“ gibt der Studienleiter Kleger zu bedenken.
Der mutationsspezifische Kombinationsansatz eröffnet neue Perspektiven für die Krebstherapie
In dieser präklinischen Studie, an der weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Ulm sowie aus München und Mainz beteiligt waren, konnte dieser Effekt sowohl in der Zellkultur am Mausmodell gezeigt werden. Zum Einsatz kamen dabei sowohl murine als auch humane Pankreaskarzinomzellen. Mithilfe humaner Organoide, das heißt mit dreidimensionalen Zellkulturen, wurden die Ergebnisse validiert. „Die Studie hat gezeigt, dass unser mutationsspezifischer Kombinationsansatz sehr vielversprechend ist. Doch der Weg zur klinischen Krebstherapie ist noch weit“, sind sich die Forscher einig. Immerhin eröffnet die eingeschlagene Richtung neue Perspektiven für spezifischere und schonendere Behandlungsformen. „Die Klinik für Innere Medizin 1 ergänzt durch die wichtigen Arbeiten ihr Profil in der translationalen Krebsforschung“, freut sich Professor Thomas Seufferlein. Der Ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin 1 ist Präsident der deutschen Krebsgesellschaft. Gefördert wurde das Forschungsprojekt unter anderem von der Deutschen Krebshilfe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Baden-Württemberg Stiftung.
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann