Dabei sei die Einrichtung des Studiengangs in der Fakultät ursprünglich reichlich kontrovers gesehen worden, erinnerte Dekan Professor Werner Kratz als Zeitzeuge an verschiedene zunächst gescheiterte Anläufe. Kratz und Ebeling unterstrichen überdies die Bedeutung der insgesamt fünf Stiftungsprofessuren für die Entwicklung der Neugründung: Sie dokumentierten nicht nur Unterstützung und Engagement der regionalen Wirtschaft, sondern ermöglichten auch eine erhebliche Erweiterung des Lehr- und Forschungsspektrums. Oberbürgermeister Ivo Gönner zufolge ist vor allem mit der zuletzt eingerichteten Stiftungsprofessur für Nachhaltiges Wissen, nachhaltige Bildung und nachhaltiges Wirtschaften ein eindeutiges Zeichen gesetzt worden: „Es ist unendlich wichtig, dass man hier nicht nur in Quartalszeiträumen denkt.“
Banken und Unternehmen bräuchten dringend gut ausgebildete junge Menschen, die mit ihrem Wissen verantwortungsvoll umgehen, befand Ministerin Schavan unter Bezug „auf die Entwicklungen der vergangenen Monate“. Wobei die Aufmerksamkeit für die Wissenschaft gewachsen sei. „Sie wird ihrer neuen Rolle aber nur gerecht werden, wenn sie in der Öffentlichkeit sprechfähig ist und erklären kann, was mit guten Gründen von ihr zu erwarten ist – und was nicht.“ Denn: Wenn die Ergebnisse ihrer Forschung auch Auswirkungen auf politische Entscheidungen haben sollten, müssten sie für die Menschen verständlich sein. „Dazu müssen auch Ökonomen noch stärker das Gespräch mit der Öffentlichkeit suchen“, forderte die Bundesforschungsministerin in ihrem Festvortrag.
Allerdings kämen die Ökonomen nicht umhin, sich mit ihrem lädierten Ruf auseinanderzusetzen. Denn die Wirtschaftswissenschaften („2009 war für sie ein schwieriges Jahr“) hätten „fast über Nacht einen guten Teil ihres Ansehens in der Öffentlichkeit eingebüßt“. Resultierend aus dem Vorwurf, sie würden die wirtschaftliche Entwicklung nur dann zuverlässig voraussagen, „wenn nichts passiert“. Schavan zufolge indes „eine überzogene Reaktion“. Denn es habe durchaus warnende Stimmen unter den Ökonomen gegeben: „Manche der Probleme, die zur weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise geführt haben, sind in der Wissenschaft analysiert worden, wenngleich das Ausmaß der Krise wohl auch den größten Pessimisten überrascht hat.“
Ungleich deutlicher formulierte es der zweite Festredner, Dr. Manfred Bischoff, Aufsichtsratsvorsitzender der Daimler AG: „Die Wirtschaftswissenschaften sind zuletzt etwas in Verruf geraten, vor allem aufgrund ihrer Prognosefähigkeit“, meinte der promovierte Volkswirt und ergänzte: „Aber auch die Kunst der Problemlösung erscheint mir noch nicht so ausgeprägt.“ Ansonsten referierte der frühere EADS-Vorstandsvorsitzende ebenso praxisnah wie trocken-ironisch über „Fallstricke unternehmerischer Entscheidungen“. Sein Credo: „Auch die beste Analyse bietet keine Garantie gegen Fehleinschätzungen.“ Deshalb benötige ein Unternehmer eben auch Instinkt, „Fortune und Courage“ überdies. Schließlich seien bei Produktzyklen bis zu 60 Jahren, so bei seinem Beispiel Airbus, nicht wenige Faktoren nur sehr schwer einzuschätzen, Kosten für Rohstoffe etwa, die Lohnentwicklung, Finanzierungskosten und Wechselkurse.
Krise hin, Image her. Aus guten Gründen zählten die Wirtschaftswissenschaften noch immer zu den beliebtesten Studiengängen, befand Dr. Roland Folz, Absolvent einst der Ulmer Wirtschaftsmathematik und heute Vorsitzender des Beirats Wirtschaft der Fakultät. „Die Aussichten auf einen festen Arbeitsplatz sind nach wie vor sehr gut und die breite Ausrichtung ermöglicht Einblicke in verschiedene Sachgebiete“, sagte der Deutsche Bank-Manager. Auf eine möglichst umfassende Ausbildung in allen grundlegenden Gebieten werde in Ulm besonders viel Wert gelegt. „Dieser ganzheitliche Ansatz als breite und solide Basis ermöglicht später eine individuelle Spezialisierung“, erinnerte Folz an das bewährte Sechs-Säulen-Modell des Studiengangs: Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre, Mathematik, Informatik, Rechtskunde und Fremdsprachen.
Freilich nicht der alleinige Erfolgsfaktor, wie Sylvia Kling und Dr. Roland Wiese erklärten. „Das Studium in Ulm hat meine Erwartungen mehr als erfüllt“, so Kling, Studentin im fünften Semester. Sie habe sich vor allem der Studieninhalte wegen in Ulm eingeschrieben. „Die Stadt war dabei zweitrangig.“ Inzwischen könne sie weitere Vorzüge aus eigener Erfahrung beurteilen: Die gut abgestimmten Studienpläne, eine sehr gute Betreuungssituation, Tutorien und Übungen in kleinen Gruppen, ein wertvolles Pflichtpraktikum, hilfreiche Beratungen in Sachen Auslandsstudium und sehr gute Kontakte zu den Professoren.
„Offene Ohren und offene Türen“ bescheinigte dem Lehrkörper auch Dr. Wiese, Absolvent des ersten Studienjahrgangs, promoviert übrigens beim derzeitigen Studiendekan Professor Kai-Uwe Marten. Vom ersten Tag an habe er sich hier „gut aufgehoben gefühlt“, gerade „die menschliche Komponente“ sei für ihn am wichtigsten gewesen. Ein weitere wichtige Erfahrung: „Unsere Meinung zum Ablauf des Studiums wurde immer ernst genommen.“
Folgerichtig seien die Wirtschaftswissenschaften („ihre Einrichtung war eine der wichtigsten Entscheidungen unter dem Rektorat Wolff“) von Anfang an mit Schwerpunkten auf quantitative Verfahren und Methoden ausgerichtet worden, hatte Universitätspräsident Professor Ebeling eingangs festgestellt. Schließlich sei die 1977 in Ulm entwickelte Wirtschaftsmathematik, „inzwischen ein außerordentliches Erfolgsmodell in der deutschen Universitätsgeschichte“, Keimzelle für die Ulmer Wirtschaftswissenschaften gewesen. Deren erfolgreiche Entwicklung werde auch durch Zahlen eindrucksvoll untermauert. Ursprünglich konzipiert für 100 Studienanfänger sei die Kapazität unlängst auf 175 ausgebaut worden. Insgesamt sind Ebeling zufolge derzeit 690 Studentinnen und Studenten eingeschrieben, 386 haben den Studiengang mit einem Abschluss erfolgreich verlassen.