Kreuzungen sind Unfallschwerpunkte: Rund ein Drittel aller Verkehrsunfälle mit Personenschäden passieren an diesen Knotenpunkten – so das Statistische Bundesamt. Die wohl sicherste Kreuzung Deutschlands befand sich in diesen Tagen in Aschaffenburg.
In der unterfränkischen Stadt haben Wissenschaftler der Forschungsinitiative „Kooperative Sensorik und kooperative Perzeption für die Sicherheit im Straßenverkehr“ (Ko-FAS) am 18. und 19. September ihre Ergebnisse in Theorie und in der unmittelbaren Anwendung der Öffentlichkeit vorgestellt. Projektziel ist eine erhöhte Verkehrssicherheit – vor allem für Fußgänger und Radfahrer – sowie die Reduktion der Unfallzahlen im innerstädtischen Bereich. Dazu wurden nicht nur Autos mit technischen Hilfsmitteln wie Sensoren ausgestattet, sondern auch Gefahrenpunkte wie die aufgerüstete Aschaffenburger Kreuzung. Die Ko-FAS-Abschlusspräsentation umfasste nämlich eine Fahrdemonstration. Vier Jahre haben Experten aus Industrie und Forschung, darunter vier Wissenschaftler des Ulmer Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik, in einem der größten Kooperationsprojekte zur automobilen Sicherheit zusammengearbeitet. Den Hauptteil des Gesamtfördervolumens über 23,6 Millionen Euro steuerte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie bei (14,9 Millionen), weitere Mittel kamen von den Industriepartnern.
Die Ulmer Ingenieure haben im Projektbereich Ko-PER der Ko-FAS Initiative zu kooperativen, miteinander kommunizierenden Sensornetzwerken geforscht. Der Fokus lag auf Kreuzungen. Die Problematik: Gefahren an solchen Unfallschwerpunkten können aufgrund von Verdeckungen oft nicht rechtzeitig erkannt werden. Ein Beispiel wären Fußgänger, die zwischen parkenden Autos auf die Fahrbahn treten. Hier setzt die kooperative Technologie an: Zusätzlich zu Fahrzeugen werden Kreuzungen mit Lasersensoren und Kameras ausgestattet – zum Beispiel an Ampeln und Laternenmasten. Die aus verschiedenen Perspektiven aufgenommenen Daten werden an Fahrzeuge übermittelt und zu einem Gesamtbild zusammengefügt. „Mit Hilfe dieser neuen Technologien im Bereich der kooperativen Sensorik, Umfelderkennung und Sensorfusion kann das Verkehrsgeschehen an Kreuzungen ganzheitlich erfasst und drahtlos an andere Verkehrsteilnehmer kommuniziert werden. Letztlich erhalten alle Beteiligten ein umfassendes Bild der Situation und können reagieren“, erklärt Professor Klaus Dietmayer, Teilprojektleiter für die Kreuzungsperzeption und Direktor des Instituts für Mess-, Regel- und Mikrotechnik an der Uni Ulm. Mithilfe der Situationsanalyse, die die Daimler AG beigesteuert hat, werden darüber hinaus die aktuelle Konstellation an der Kreuzung sowie Handlungsoptionen der Verkehrsteilnehmer untersucht und in ihrer Wahrscheinlichkeit bewertet.
Durchblick auch bei schlechter Sicht
Zahlreiche Studien haben gezeigt: Mangelnde Aufmerksamkeit und schlechte Sicht sind die häufigsten Unfallursachen. Im Zuge von Ko-FAS haben Experten hierfür technische Lösungen entwickelt. Dank der im Projekt erstmals realisierten fahrzeugübergreifenden Informationsfusion in Kombination mit der Situationsanalyse werden Gefahren auch in unübersichtlichen Lagen frühzeitig erkannt. „So kann der Fahrer vor schwierigen Konstellationen gewarnt werden, die er aufgrund von Unaufmerksamkeit oder Sichtbehinderungen noch gar nicht erkennt. Man gewinnt wertvolle Zeit für eine angemessene Reaktion. Gefährliche Situationen, zum Beispiel Notbremsungen, werden vermieden“, sagt Professor Dietmayer. Wie der Fahrer gewarnt werden muss, damit er sich unterstützt und nicht bevormundet fühlt, wurde im Zuge von Ko-FAS im Fahrsimulator erforscht.
Die Sensorausstattung der Kreuzung sowie Sensorverarbeitungsalgorithmen zur Erfassung und Verfolgung aller Verkehrsteilnehmer sind am Ulmer Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik entwickelt worden. Zur Erfassung anderer Verkehrsteilnehmer im Fahrzeug sowie zur fahrzeugübergreifenden Fusion haben die Wissenschaftler um Klaus Dietmayer im Innovationszentrum driveU geforscht, das sie gemeinsam mit der Daimler AG betreiben.
Dass die Kommunikation zwischen Kreuzung und Fahrzeugen funktioniert, konnten die Ingenieure bei der Fahrdemonstration in Aschaffenburg zeigen: Die „intelligente Kreuzung“ ist also keine ferne Zukunftsvision. Entsprechend ausgerüstete Autos könnten in einigen Jahren marktreif sein und Unfallschwerpunkte in den Städten sicherer machen.
Über die Forschungsinitiative Ko-FAS
Ko-FAS ist eine gemeinsame Forschungsinitiative deutscher Automobilhersteller, Fahrzeugzulieferer, Universitäten, Hochschulen sowie Instituten von Forschungsgesellschaften aus ganz Deutschland. Darunter sind die Technischen Universitäten Darmstadt und München, das Karlsruher Institut für Technologie, die Universitäten Ulm und Passau, die Hochschule Aschaffenburg sowie zwei Fraunhofer-Institute. Wichtige Industriepartner sind unter anderem BMW, Daimler sowie Continental, Delphi und SICK. Ko-FAS wird gefördert und unterstützt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, die Stadt Aschaffenburg und den TÜV Rheinland.
Am 18. Und 19.September hat die Universität Ulm mit den anderen Forschungspartnern an der Ko-FAS Anschlusspräsentation teilgenommen. In Aschaffenburg wurden die fachlichen Inhalte und die wichtigsten Forschungsergebnisse der 17 Partner in Vorträgen präsentiert. Weiterhin standen Fahrdemonstrationen auf dem Programm.