Beteiligt daran waren die Professoren Wolf-Georg Forssmann und Reinhold Schmidt (MHH) sowie Frank Kirchhoff und Jan Münch vom Institut für Molekulare Virologie der Uni Ulm. Die Studie ist jetzt vom renommierten Fachjournal Science Translational Medicine veröffentlicht worden.
Demnach basiert der als VIR-576 bezeichnete Hemmstoff auf einer körpereigenen Substanz und verhindert einen frühen Schritt der Infektion, nämlich den Eintritt des Virus in die Wirtszelle. VIR-567 wirke dabei anders als alle bisher bekannten AIDS-Medikamente, erklärt Professor Kirchhoff, Leibniz-Preisträger 2009 und weltweit anerkannter Forscher auf diesem Gebiet. „Der Hemmstoff bindet an eine wenig veränderliche Region des viralen Hüllproteins, die als Fusionspeptid bezeichnet wird. Das Fusionspeptid dringt in die Zellmembran ein und stellt so den ersten direkten Kontakt zwischen Viruspartikel und Wirtszelle her.“ Somit blockiere VIR-576 die Verankerung des Virus an der Zielzelle und verhindere dadurch die HIV-Infektion.
18 HIV-infizierte Personen waren im Rahmen der klinischen Studie in Hannover über einen Zeitraum von zehn Tagen mit dem neuen Hemmstoff behandelt worden. Den MHH-Forschern zufolge haben sie den Wirkstoff recht gut vertragen, der in der höchsten Dosierung die Virusvermehrung um etwa 95 Prozent reduzierte. „Dieses Ergebnis zeigt erstmals, dass die Blockierung des Fusionspeptids die Virusvermehrung im Menschen verhindert“, sagt Kirchhoff, korrespondierender Autor der Studie.
„Dies ist von großem Interesse, weil sehr viele humanpathogene Viren Fusionspeptide benutzen, um menschliche Zellen zu infizieren“, berichtet der Koautor der Studie, Professor Jan Münch. Beide Wissenschaftler hoffen nun, dass auf Basis dieser Arbeit ähnliche Hemmstoffe gegen andere gefährliche Krankheitserreger entwickelt werden können, Influenza-, Masern-, Hepatitis- oder sogar Ebola-Viren zum Beispiel. Bemerkenswert sei überdies, dass der Hemmstoff auch gegen HIV-Varianten aktiv ist, die gegen andere AIDS-Medikamente resistent sind. „Da das Fusionspeptid im Vergleich zu anderen Bereichen des HI-Virus Veränderungen kaum toleriert, sollte die Entwicklung von Resistenzen gegen VIR-576 erschwert sein“, so Professor Forssmann, der Initiator der klinischen Studie. Allerdings habe der neue Hemmstoff auch einige Nachteile, wie die Forscher einräumen. So handle es sich dabei um ein kleines Eiweiß, ein sogenanntes Peptid. Dieses sei im menschlichen Körper relativ instabil und müsse daher noch in relativ großen Mengen injiziert werden. „Wir wollen deshalb die bekannte Struktur von VIR-576 dazu benutzen, kleine nichtpeptidische Substanzen zu entwickeln, die ebenfalls das virale Fusionspeptid blockieren, aber oral eingenommen werden können“, kündigt Professor Kirchhoff an. Die Forscher jedenfalls sind zuversichtlich: „Langfristig könnte die Entwicklung von Hemmstoffen viraler Fusionspeptide die Therapieoptionen gegen HIV und andere gefährliche Viren deutlich verbessern.“