Physiker als Popstars? Der Titel der diesjährigen Herbstakademie „Ideale und Idole“ mochte zunächst nicht recht zur naturwissenschaftlich orientierten Universität Ulm passen. Wäre da nicht der berühmteste Sohn der Stadt, Albert Einstein. Ihm war dann auch der erste Vortrag der Weiterbildungswoche Ende September gewidmet. Professor Wolfgang Schleich, Direktor des Instituts für Quantenphysik, sprach über den facettenreichen Wissenschaftler, der bereits zu Lebzeiten als Legende galt. Rund 520 Interessierte „im dritten Lebensalter und davor“ waren zur Eröffnung der Akademie an die Universität Ulm gekommen.
„Vor einigen Wochen haben wir in diesem Hörsaal Absolventen verabschiedet, dann waren junge Teilnehmer der Science Camps zu Gast und nach der Herbstakademie begrüßen wir schon fast die neuen Erstsemester. Die Universität ist also ein Raum für alle Generationen“, sagte Professor Joachim Ankerhold, Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, in seinem Grußwort. Dazu leistet das Zentrum für Allgemeine Wissenschaftliche Weiterbildung (ZAWiW) bekanntlich einen wichtigen Beitrag.
Die Organisatoren um den designierten ZAWiW-Geschäftsführer Markus Marquard und Erwin Hutterer hatten erneut ein umfangreiches Programm zusammengestellt: In den lehrreichen Tagen wurden nicht nur Vorträge zu so unterschiedlichen „Idolen“ wie Richard Wagner und dem „Arzt von Stalingrad“ angeboten. In 34 Arbeitsgruppen am Nachmittag konnten sich Teilnehmer über die Volksrepublik China oder Geothermie informieren und zum Beispiel den Umgang mit dem Internet erlernen. Dazu kamen die „Mittwochsangebote“, etwa eine Führung durch die Kunsthalle Weishaupt.
Genialer Forscher und Lebemann: Albert Einstein
Aber zurück zu Albert Einstein: In Bild und Ton gab Wolfgang Schleich einen Überblick über den Lebensweg des wohl berühmtesten Physikers – vom Ulmer Geburtshaus über das Patentamt in Bern und spätere Stationen in Zürich, Prag, Berlin und schließlich Princeton. Dabei stand nicht nur der Forscher im Mittelpunkt. Einstein war darüber hinaus Lebemann und Medienliebling, Pazifist und spielte eine Rolle beim Bau der Atombombe. „Als Wissenschaftler ist Albert Einstein durch die spezielle und allgemeine Relativitätstheorie, die Bose-Einstein-Kondensation und Beiträge zur Quantenmechanik ganz sicher ein Idol. Als Mensch hat er oft weniger vorbildlich gehandelt; er galt als egozentrisch und vernachlässigte seine Familie“, so Schleich.
In seinem Vortrag räumte der Professor mit Gerüchten auf, wonach Albert Einstein ein schlechter Schüler gewesen sei und den Nobelpreis für die Relativitätstheorie bekommen habe – tatsächlich war es die Entdeckung des photoelektrischen Effekts. Das Preisgeld musste er allerdings – wie bei der Scheidung vereinbart – an seine frühere Ehefrau Mileva Einstein-Marić abgeben. Wolfgang Schleich gab einen allgemeinverständlichen Überblick über Einsteins wichtige Ideen und präsentierte dem interessierten Publikum einen Filmausschnitt aus dem Jahr 1930, der eine Ansprache Albert Einsteins bei der Internationalen Funkausstellung in Berlin zeigte. Damals wurden seine Arbeiten schon längst von einigen Kollegen als „jüdische Physik“ geschmäht. Wenig später sollte der Starphysiker alle Kontakte nach Deutschland abbrechen und seine Arbeit in den Vereinigten Staaten fortsetzen. Als genialer Forscher, der wenig Wert auf sein Äußeres legt, ist Albert Einstein ins kollektive Gedächtnis eingegangen, ist zum Idol und vielleicht Ideal geworden.
Die Reaktionen auf den Eröffnungsvortrag lassen vermuten, dass der Ulmer Oberbürgermeister wieder viel Post erhalten wird: „Nach den Jahreszeitenakademien bekomme ich regelmäßig Briefe von Teilnehmern, die sich für den Aufenthalt an der Universität und in der Stadt Ulm bedanken“, sagte Ivo Gönner in seinem Grußwort.
Vertreter des ZAWiW freuten sich auch dieses Mal über bekannte Gesichter aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik im Hörsaal. In die Öffentlichkeit gerückt wurde dieses Mal indessenein weniger prominenter Gast, Dr. Adolf Frei, der gerade seinen 90. Geburtstag gefeiert hat und immer noch regelmäßig an den Akademiewochen und im Arbeitskreis „Wirtschaft“ des ZAWiW teilnimmt. „Dr. Frei ist darüber hinaus Mitglied des ZAWiW-Förderkreises, also der ideale Akademieteilnehmer“, befand Markus Marquard.
ZAWiW-Sprecher Professor Othmar Marti wünschte aus der Ferne eine gelungene Woche und lud zur Physikshow der Ulmer Studierenden ein: Unter dem Motto „Das geheimnisvolle Verbrechen!“ ließen sich auch Physikmuffel für naturwissenschaftliche Experimente begeistern.