Algen als neue Ressource für hochwertige Bioaktivstoffe: Das ist das Ziel des EU-Projekts iCULTURE. Es zielt darauf ab, ein Fermentationsverfahren zu entwickeln, das Meeresalgen in bioaktive Wirkstoffe wie beispielsweise antimikrobielle Peptide umwandelt. Gefördert werden die 17 Partner aus zehn Ländern, darunter die Universität Ulm, im Rahmen von Horizon Europe mit sechs Millionen Euro über einen Zeitraum von vier Jahren. Die Ulmer Forschenden rund um Professor Christian Riedel entwickeln dafür mikrobiologische Zellfabriken.
Marine Makroalgen stellen eine der größten erneuerbaren und stark nachwachsenden Ressourcen Europas dar. Das Projekt iCULTURE will durch Bioraffinerie und anschließende biotechnologische Fermentation aus den bis zu 50 Meter langen Großexemplaren hochwertige Substanzen produzieren. „Derzeit stellen über 100 Megatonnen Algen die größte Biomasse Europas dar, aber weniger als 0,25 Prozent werden verwertet. Nach der Extraktion wichtiger chemischer Verbindungen aus den Algen bleiben 50 bis 70 Prozent der Biomasse übrig, die weggeworfen oder bestenfalls als kostengünstige Düngemittel mit niedrigem Stickstoffgehalt verkauft werden“, erklärt Professor Nadav Bar von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie und Koordinator des iCULTURE-Projekts. „iCULTURE soll dazu beitragen, die Bedürfnisse der Meeres-, Futtermittel-, Lebensmittel- und Pharmaindustrie zu erfüllen, indem wir eine neuartige abfallfreie Wertschöpfungskette schaffen. Der Schutz der biologischen Vielfalt der Meere und die Nutzung von Bioressourcen wird im Projekt auf innovative Weise kombiniert“.
Das Konzept von iCULTURE besteht darin, mithilfe von drei sogenannten Toolboxen diese neue Wertschöpfungskette zu etablieren. Neben einer „Artificial Intelligence-Toolbox“, die mit Algorithmen des maschinellen Lernens robuste Arten identifiziert, die für die Nutzung geeignet sind, gibt es eine „Modell-Toolbox“, die die widerstandsfähigsten Algen vorhersagen und eine Managementstrategie zur nachhaltigen Nutzung ermöglichen soll. Die „Technologie-Toolbox“ enthält alle Komponenten für einen digital gesteuerten, bakteriellen Bioprozess, mit dem aus der Biomasse dieser Algen wertvolle Produkte erzeugt werden sollen.
Genau hier setzt die Arbeit von Professor Christian Riedel vom Institut für Molekularbiologie und Biotechnologie der Prokaryoten der Universität Ulm an. Seine Forschungsgruppe arbeitet an einem biotechnologischen Verfahren, das mittels Fermentationen die Zucker aus den Meeresalgen in antimikrobielle Peptide umwandelt. Antimikrobielle Peptide sind kleine Proteine, die von einer Vielzahl von Organismen produziert werden und das Wachstum von Mikroorganismen hemmen oder diese sogar abtöten. Bakterien nutzen antimikrobielle Peptide, um sich in der Konkurrenz um Nahrung und Lebensraum durchzusetzen. Da diese antimikrobiellen Peptide teilweise auch gegen Krankheitserreger aktiv werden, besitzen sie eine Reihe von Anwendungen, zum Beispiel in Viehfutter, in Wundauflagen oder als Antibiotika-Ersatz. „Eine unserer Aufgaben innerhalb von iCULTURE wird es sein, eine Methode zu entwickeln, mit der einzelnen Bakterien-Stämme in einer Co-Kultur aufgespürt werden können. Dabei sollen sogenannte Fluoreszenzmarkierungen zum Einsatz“, so der Biologe Professor Christian Riedel. In einem zweiten Schritt lautet die Aufgabe, alle Bakterien-Stämme so zu modifizieren, dass diese das gleiche Peptid bilden. „Dahinter steht die Idee, dass ein Konsortium von Stämmen besser in der Lage ist, das komplexe Gemisch an Zuckern aus der Algenbiomasse zu verwerten. Wenn alle Stämme das gleiche Peptid bilden, wird die Produktion effizienter“, erklärt Riedel.
Professor Riedel ist Teil eines interdisziplinären Teams, das aus 17 Partnern in zehn Ländern besteht. iCULTURE bündelt so Fachwissen aus den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnologie, Bioinformatik, biologische Vielfalt, Biotechnologie, synthetische Biologie und Bioverfahrenstechnik. Das Projekt wird von der EU-Kommission als Forschungs- und Innovationsmaßnahme im Rahmen von Horizon Europe finanziert und von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie koordiniert. Die Fördersumme beträgt insgesamt sechs Millionen Euro für vier Jahre, davon fließen knapp 650 000 Euro nach Ulm.
Text und Medienkontakt: Daniela Stang