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Wissenschaft für die Wirtschaft
10 Jahre „Ulmer Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen“ (UZWR)

Ulm University

Mit einem Festakt im voll besetzten Senatssaal der Universität Ulm feierte Ende letzter Woche das Opens external link in new window"Ulmer Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen" (UZWR) sein zehnjähriges Bestehen. Als wissenschaftlicher Dienstleister unterstützt das UZWR kleine und mittelständische Unternehmen mit computergestützten Methoden der angewandten Mathematik bei der Neuentwicklung und Verbesserung von Produkten.

Universitätspräsident Professor Michael Weber würdigte diese enge Verbindung zwischen Wirtschaft und Wissenschaft als gelebte Win-Win-Situation."Die Unternehmen in der Region erhalten Zugang zum Know-how der Universität, und von den anwendungsbezogenen Problemstellungen profitieren sowohl Forschung als auch die Lehre", so Weber. Der Präsident erinnerte in diesem Zusammenhang an den neuen Studiengang Opens external link in new windowComputational Science and Engineering (CSE), den es ohne das UZWR nicht geben würde. Das Herzstück dieser Erfolgsgeschichte bleibe gleichwohl die "Platinkooperation" mit der Industrie- und Handelskammer (IHK).

Auch der Ulmer IHK-Hauptgeschäftsführer, Otto Sälzle, lobte die enge Zusammenarbeit zwischen der Universität Ulm und der regionalen Wirtschaft als äußerst erfolgreich. Über 100 Projekte seien in den letzten zehn Jahren erfolgreich abgewickelt worden. Die IHK Ulm habe dafür eigens einen Technologietransfermanager etabliert, der die Nachfrage sondiert und gezielt nach Problemlösern sucht. "Diese neue Stufe der moderierten Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft gilt mittlerweile als Erfolgsmodell, das bundesweit Nachahmer findet", sagte Sälzle. Der IHK-Mann begrüßte zudem ausdrücklich die enge Zusammenarbeit zwischen der Universität und Hochschule beim Aufbau des gemeinsamen Studiengangs CSE. "Der alte Abstoßungsreflex konnte hier glücklicherweise überwunden werden", meinte Sälzle. Als Geschenk überreichte er an UZWR-Sprecher Professor Karsten Urban eine Replik des im Donaubett bei Munderkingen ausgegrabenen Götterboten Hermes, der in der Antike auch als Gott des Handels und der Kommunikation verehrt wurde.

Vom spontanen Workshop zum interdisziplinären Forschungsschwerpunkt

 Professor Karsten Urban, Leiter des Instituts für Numerische Mathematik und Vorstandsvorsitzender des Zentrums, erinnerte in seiner Rückschau an die Gründungsgeschichte des UZWR. Der Mathematiker erzählte, wie er Anfang 2003, kurz nach seiner Berufung, durch ein Plakat auf einen Workshop der Biomechaniker aufmerksam wurde, zu einem Thema, für das eigentlich er der Spezialist war: Finite Elemente Methoden. Aus einer ersten Kontaktaufnahme ergab sich dann ein spontaner Gastvortrag des Professors für Numerische Mathematik bei diesem Workshop und später - über den damaligen Leiter der Ulmer Biomechanik, Professor Lutz Claes, eine intensive fachübergreifende Zusammenarbeit. Nach gemeinsamen Workshops zum Wissenschaftlichen Rechnen an der Universität und einer weiteren Öffnung zu den anderen Fachbereichen hin, stieß der Medieninformatiker Professor Alexander Keller hinzu. Ein erstes Konzeptpapier zu diesem interdisziplinären Forschungsschwerpunkt entstand 2005. Diese sollte die angewandte Mathematik und Informatik miteinander verbinden und für Fragestellungen aus der Medizin, den Natur- und Ingenieurwissenschaften öffnen. Hilfreich waren laut Urban auch die Bleibeverhandlungen, die er mit der damaligen Universitätsleitung führte, und über die schließlich eine Anschubfinanzierung - nicht zuletzt für die Einrichtung einer Geschäftsführerstelle - gewährt wurde. Mit Unterstützung des Kommunikations- und Informationszentrum (kiz) der Universität wurde schließlich ein erster Rechencluster beschafft und betrieben. Und nachdem im November 2005 die Gründung von der Mitgliederversammlung beschlossen und im Dezember des gleichen Jahres vom Senat bestätigt wurde, war das UZWR schließlich offiziell gegründet.

 Als eines der Erfolgsrezepte nannte Urban das von Otto Sälzle geprägte Credo "One face to the customer", das von der IHK mit der Etablierung eines Innovationsberaters realisiert wurde und dem am UZWR ein starker Geschäftsführer mit weitreichenden Kompetenzen gegenüber steht. "Dass Dr. Ulrich Simon die Idealbesetzung für diese Stelle ist, war schnell klar und hat sich bis heute bewahrheitet", so Professor Karsten Urban. Simon selbst stellte in seiner humorigen Art zahlreiche Projektbeispiele aus zehn Jahren UZWR vor. Dabei ging es um diverse Kooperationen zur Lösung von Festigkeits- und Schwingungsproblemen, um Projekte aus der Biomechanik und der Strömungsdynamik. Zu den Kooperationspartnern des UZWR zählen viele namhafte Firmen insbesondere aus der Region, aber auch aus dem übrigen Bundesgebiet und der ganzen Welt. 

Virtuelle Methoden helfen bei der Lösung realer Probleme

  Den Festvortrag hielt Professor Wolfgang Ehlers, Präsident der Gesellschaft für Angewandte Mathematik und Mechanik (GAMM). Der Inhaber des Lehrstuhls für Kontinuumsmechanik am Institut für Mechanik der Universität Stuttgart sprach über die wissenschaftlichen Herausforderungen des wissenschaftlichen Rechnens. Anhand von modellierten Geothermie-Bohrungen und Hochwasserschutzdämmen zeigte der Bauingenieur, wie virtuell erzeugte Welten dabei helfen können, reale Risiken und Gefahren aufzudecken. Die Herausforderung: die numerische Darstellung sogenannter kontinuumsmechanischer Probleme, wie sie beispielsweise bei porösen Körpern auftreten oder bei Stoffen aus festen, flüssigen und gasförmigen Bestandteilen. "Das wissenschaftliche Rechnen ist wichtig und muss weiterentwickelt werden", fordert der Ingenieur. Eine große Herausforderung für die Rechenzentren sieht er dabei in den neuen Generationen an Computern und Rechentechniken. "Um die Potentiale der neuen Hardware überhaupt ausschöpfen zu können, brauchen wir intelligente Systeme", meint Ehlers.

"Hochautomatisierte und vernetzte Systeme sind hochkomplex, und die Probleme sind es ebenfalls"

  Professor Heinrich Daembkes und Dr. Uwe Wacker von Airbus Defence and Space skizzierten am Beispiel des Airbus 380 die drei großen Trends im Fahrzeug- und Flugzeugbau: die Elektrifizierung, Vernetzung und Automatisierung. "Hochautomatisierte und vernetzte Systeme sind hochkomplex, und die Probleme, die sich daraus ergeben, sind es ebenfalls", so Daembkes. Während früher Sicherheitsbewertungen vor allem auf empirischer Basis, also auf der Grundlage von Testfahrten und -flügen, durchgeführt wurden, gewinnt heute das virtuelle Prozessmanagement mehr und mehr an Raum. Die Probleme verlagerten sich dabei immer mehr vom Hardware-Bereich zur Software. Fachgebiete wie Computational Science and Engineering und Systems Engineering seien daher umso wichtiger, um im Wettbewerb mit Google und Apple global wettbewerbsfähig zu bleiben. "Wir sind gut in Hardware und in Mechanik, aber wenn wir den Umstieg auf die neue Technik nicht schaffen, drohen wir abgehängt zu werden", warnt der Airbus-Mann.

 Dr. Winfried Keiper von der Robert Bosch GmbH sprach zum Bedarf an Algorithmen und Wissenschaftlichem Rechnen aus industrieller Sicht. Er forderte die Gründung einer Interessengemeinschaft zur Förderung mathematischer Algorithmik für Höchstleistungsrechner. Dafür hatte er auch gleich einen sprechenden Namen parat: "Grips statt Mips". Keiper zufolge besteht die Herausforderung aus industrieller Sicht darin, Simulationen und Optimierungen auf lokalen, internet-unabhängigen Plattformen durchführen zu können. Dabei könnten immer schnellere Rechner nur bedingt helfen, man brauche das Zusammenspiel von Mathematikern und Software-Ingenieuren, um neuartige Berechnungsmethoden entwickeln zu können. Mit einem Grußwort gratulierte zudem Professor Stefan Volkwein, Sprecher des Forschungsverbundes Wissenschaftliches Rechnen in Baden-Württemberg (WiR).

Wissenschaft zum Anfassen beim "Markt der Möglichkeiten"

Beschlossen wurde der Festakt mit einem "Markt der Möglichkeiten" im UZWR-Gebäude, wo sich die Gäste an den Infoständen über zahlreiche Projekte informierten und an einige Exponate sogar selbst Hand anlegen konnten. Beispielsweise am Tischkicker der Firma Lettner, dessen Spielfiguren mit Hilfe von Simulationen am UZWR optimiert wurden, und der sogar schon einen Auftritt bei der Hannover Messe HMI hatte. Dazu gab es nicht nur Kaffee und Kuchen, sondern auch Live-Musik von der UZWR-Band "LabJam". Kein Wunder also, dass auch viele Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter aus den benachbarten Instituten gerne und bis spät in die Nacht mitfeierten.

Fotos: Andrea Weber-Tuckermann

Text und Opens external link in new windowMedienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann