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Viren-resistente Bakterien als Ziel:
Vor allem Milchindustrie könnte profitieren

Ulm University

Wie können Bakterien widerstandsfähig gegen Viren gemacht werden? Mit dieser Fragestellung beschäftigt sich eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) kürzlich neu eingerichtete Forschergruppe unter Leitung von Professorin Anita Marchfelder vom Institut für Molekulare Botanik der Universität Ulm.
Mit fast 1,5 Millionen Euro für zunächst drei Jahre fördert die DFG das Projekt, in dem renommierte Wissenschaftler verschiedener deutscher Forschungsinstitute und eine Forschungsgruppe aus Kopenhagen versammelt sind, vornehmlich aus den Bereichen Mikrobiologie, Bioinformatik, Strukturbiologie und Massenspektrometrie.

„Noch bewegen wir uns mit dem Thema in der Grundlagenforschung, aber die Ergebnisse könnten schon in absehbarer Zeit für die industrielle Produktion sehr interessant werden“, sagt Professorin Marchfelder. Im Blick hat die Ulmer Wissenschaftlerin, vor drei Jahren mit einer Heisenberg-Professur ausgezeichnet, dabei insbesondere die Milchwirtschaft. Bei der Herstellung von Milchprodukten, Käse oder Joghurt zum Beispiel, gehen Marchfelder zufolge nämlich sehr oft ganze Produktionsreihen verloren, weil die dazu verwendeten Bakterien von Viren getötet werden.

„Wir wollen nun ein System entwickeln, mit dem die Bakterien gewissermaßen geimpft und gegen die Viren immun gemacht werden können, um damit die Verluste bei der Herstellung von Milchprodukten zu verhindern“, erläutert die Expertin für einzellige Lebensformen. „Und diese Verluste sind bisher sehr hoch“, weiß die gebürtige Berlinerin, die sich nach ihrem Chemie-Studium und der Promotion in Biochemie für Biochemie und Molekularbiologie habilitiert hat. Ein vergleichbares Problem gebe es aber auch bei der Herstellung von Biosprit aus Blaualgen.

Keine Überraschung deshalb: „Natürlich stehen wir mit unserer Arbeit im Wettbewerb mit anderen Forschungsgruppen, ist unser Vorhaben auch ein Wettlauf gegen die Zeit“, so Anita Marchfelder. Sie fungiert nicht nur als Sprecherin der Gruppe, sondern betreibt im Rahmen des DFG-Vorhabens auch ein eigenes Teilprojekt. Weitere Einzelprojekte leiten ausgewiesene Experten ihrer Fachgebiete an den Max-Planck-Instituten für Biochemie in Martinsried (Professorin Elena Conti), für terrestrische Mikrobiologie in Marburg (Dr. Lennart Randau) und für biophysikalische Chemie in Göttingen (Professor Henning Urlaub) sowie an den Universitäten in Kiel (Professorin Ruth Schmitz-Streit), Freiburg (Professor Wolfgang Hess, Professor Rolf Backofen) und Würzburg (Professor Jörg Vorgel und Dr. Nadja Heidrich). Assoziiert sind zudem ein nationales Projekt in Düsseldorf (Dr. Ümit Pul) und ein internationales in Kopenhagen (Professor Roger Garrett).

Gemeinsam aufbauen können sie auf ersten experimentellen Beweisen, die vor vier Jahren die Forschungsgruppe eines französischen Unternehmens veröffentlicht hat. Demnach haben Mikroorganismen wie Bakterien oder Archaeen ausgeklügelte Abwehrsysteme entwickelt, um sich gegen Infektionen, das Umprogrammieren und letztlich den Tod durch Viren-Gene zu schützen. Verantwortlich für das so genannte prokaryotische Immunsystem sind Genabschnitte aus kurzen Sequenzwiederholungen und Abschnitten, die spezifisch fremde Gene erkennen und mittels so genannter Cas-Proteine deren Zerstörung veranlassen.

Freilich: „Wie diese Mechanismen genau funktionieren, wissen wir noch nicht und eben das wollen wir aufklären“, erläutert Professorin Anita Marchfelder. Eine Schwierigkeit dabei: „Es gibt nicht nur ein Abwehrsystem, sondern viele Varianten. Das macht die Sache deutlich komplizierter.“

Zunächst sollen deshalb einzelne Akteure des Systems auf molekularer Ebene charakterisiert werden, Proteine („sie sind immer im Spiel“) zum Beispiel oder Ribonukleinsäuren (RNS, im wissenschaftlichen Sprachgebrauch in Englisch als RNA bezeichnet). „Dazu werden wir schon die ersten drei Jahre benötigen“, vermutet die Sprecherin, hofft zugleich auf eine Verlängerung der Förderung um den gleichen Zeitraum, bei einer erfolgreichen Evaluierung versteht sich. „In der zweiten Phase wollen wir dann mit molekularbiologischen Experimenten das Zusammenspiel der Einzelfaktoren aufklären“, skizziert die Wissenschaftlerin ihre Planungen.

Als „sehr gut“ beurteilt sie die Erfolgsaussichten des anspruchsvollen Vorhabens, „aber wir werden schon sechs Jahre dazu brauchen“. Zuversichtlich stimme sie nicht zuletzt die gesammelte Expertise der Forschungsgruppe. Die sei angesichts des großen Wettbewerbs aber auch notwendig. Professorin Marchfelder: „Nur so können wir international mithalten.“

Von Willi Baur