Zum 25. Jubiläum der UUG-Vortragsreihe "Wissen erleben - Uni Ulm in der Stadtmitte" konnte der Geschäftsführer der Ulmer Universitätsgesellschaft, Dietrich Engmann, einen "ganz besonderen Gast" im voll besetzten Studio der Sparkasse Ulm begrüßen: den Universitätspräsidenten Professor Karl Joachim Ebeling.
"Universität Ulm -Quo Vadis?", so der Titel des vielversprechenden Vortrages. Zuvor hatte der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Ulm Manfred Oster bereits auf den gemeinsamen gesellschaftlichen Auftrag von Universität und Sparkasse hingewiesen, nämlich "das Gesamte im Auge zu behalten". Verglichen mit dem über 35 000 Jahre alten Löwenmenschen, der vor kurzem frisch restauriert nach Ulm zurückgekehrt ist und als frühestes kulturelles Zeugnis der Menschheit gilt, wirkt die Geschichte der 1967 als medizinisch-naturwissenschaftliche Hochschule gegründeten Universität in der Tat wenig beeindruckend. Doch auch dafür konnte der Präsident seine Zuhörerschaft interessieren und lieferte auf diesem Wege zahlreiche Kennzahlen.
Mit aktuell über 10 000 Studierenden könne man nun recht stattliche Zahlen vorweisen. Knapp zwölf Prozent aus dem Ausland, was den mittlerweile hohen Internationalisierungsgrad der Uni unterstreiche. "Seit der Jahrtausendwende hat sich die Studierendenzahl damit verdoppelt", informiert der studierte Physiker, der in diesem Fach in Göttingen auch promoviert und habilitiert hat. Ein großer Dank gebühre hier den Lehrenden, denn Personal und Ausstattung hätten hier bedauerlicherweise nicht mitgehalten.
"Ich wünsche mir mehr Studenten in den MINT-Fächern"
Ebeling, selbst Professor für Optoelektronik an der Uni, stellte danach die vier Fakultäten vor. Mittlerweile habe man sich damit arrangiert, dass die Geisteswissenschaften auch in Zukunft nicht dazu gehören werden. Doch die Fokussierung auf die Medizin, die sogenannten MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und die mathematisch ausgerichteten Wirtschaftswissenschaften hätten im Hinblick auf die Profilbildung der Universität auch Vorteile. Zuwächse gibt es zwar in allen Bereichen, doch der Physiker wünscht sich mehr Studenten in den MINT-Fächern: "Damit die Wirtschaftswissenschaftler auch was zu rechnen haben."
22 reguläre Studiengänge und sieben englischsprachige habe die Uni zurzeit zu bieten. "Eine Vorreiterrolle hat die Uni bereits 1977 eingenommen, und zwar mit der Einführung der Wirtschaftsmathematik als erste deutsche Uni überhaupt", informiert der Hochschulleiter. 1997 schließlich wurde der Studiengang Communications Technology (CT) deutschlandweit als erster englischsprachiger Studiengang in der Elektrotechnik realisiert. Aber auch in den anderen Fächern gewinne Englisch wohl an Bedeutung. "Wenngleich dort noch viel Schwäbisch gesprochen wird, was ja bekanntermaßen dem Deutschen etwas näher ist als dem Englischen", so der gebürtige Norddeutsche lächelnd, der selbst nach seiner Promotion als Postdoc an den Bell-Laboratories in den USA forschte.
Großes Profilierungspotential sieht Ebeling in der Ulmer Forschung. Als Forschungsschwerpunkte nannte er Themen wie Energiewandlung und -speicherung, Hämatologie und Onkologie, Alterung und Regeneration, sowie Risikomanagement und Versicherungen, nicht zu vergessen kognitive Systeme und Mensch-Maschine-Interaktion sowie die Quantenwissenschaft und -technologie. Erfreulich in den letzten Jahren auch die Entwicklung der Drittmittel. Die Einwerbungen belaufen sich mittlerweile auf um die 80 Millionen Euro und entsprechen damit in etwa den jeweiligen Landeszuweisungen für die Medizin und die anderen Fakultäten.
Gut aufgestellt in der Forschung
Als Indikator für die verstärkte Profilbildung wertet Ebeling, der von 2001 bis 2003 bei Infineon Forschungs-und-Entwicklungsleiter war, den beachtlichen Anteil an Stiftungsprofessuren (10), der sich aktuell auf rund fünf Prozent belaufe. Auch die zahlreichen Kooperationen mit externen Partnern, darunter sechs Hochschulen und Firmen wie Boehringer-Ingelheim, Daimler, Zeiss und Heliatek, seien ein gutes Zeichen. Guthaben in der Leistungsbilanz der Uni sind nicht zuletzt die Sonderforschungsbereiche (3), klinischen Forschergruppen (3), Forschergruppen (4), Emmy-Noether-Gruppen (6), ERC-Grants (4), Leibniz-Preise (5), Humboldt-Professuren (1) sowie anderen Auszeichnungen wie der Wolfgang Paul-Preis und das im Zuge der Exzellenzinitiative ausgezeichneten Graduiertenkolleg im Bereich molekularer Medizin.
Und wo soll´s nun hingehen? Für die Zukunftsfähigkeit entscheidend sei nicht zuletzt die Sichtbarkeit der Universität. "Mit Exzellenzregionen und den großen traditionellen Universitäten wird Ulm nicht mithalten können. Aber einen Platz unter den sogenannten Profil-Universitäten halte ich schon für realistisch", meint der Vorsitzende der Landeshochschulrektorenkonferenz und bezieht sich damit auf die Denkanstöße des Helmholtz-Präsidenten Professor Jürgen Mlynek zum deutschen Wissenschaftssystem. Nach dessen Einschätzung könnten sich neben den Exzellenzregionen über Schwerpunktbildung und Profilschärfung rund zwanzig Profilstandorte herausbilden, die eng mit einschlägigen außeruniversitären Partnern kooperierten.
Sich auf die Stärken besinnen und Profil gewinnen
Der Weg dorthin: Vorhandene Stärken weiter ausbauen und damit dem Profil der Universität noch mehr Schärfe verleihen. Wichtig in diesem Zusammenhang beispielsweise der Ausbau der Batterieforschung in der Zusammenarbeit zwischen der Uni und außeruniversitären Forschungseinrichtungen wie dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-forschung Baden-Württemberg (ZSW) und dem Helmholtz-Institut Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung (HIU). "Außerdem muss es gelingen, Ulm zum führenden Zentrum für Fahrerassistenzsysteme und Autonomes Fahren auszubauen", wünscht sich Ebeling. Ein wichtiges Zukunftsfeld sieht er auch in den bereits starken Quanten- und Bionanowissenschaften, deren internationale Sichtbarkeit allerdings noch erhöht werden müsse. In der Medizin baut der Präsident auf den Ausbau von außeruniversitären Forschungsinstituten, die unter anderem auf den bereits bestehenden "virtuellen" Helmholtz-Instituten in der Onkologie und Neurodegeneration aufbauen könnten. Vielversprechend zudem die Trauma-, Alters- und Stammzellforschung.
Die Ausgangslage sei nicht schlecht. Im internationalen QS-Ranking der jungen Universitäten beispielsweise belegt die Universität Ulm als beste deutsche Universität unter 50 Jahren Rang 22. Im CHE-Ranking "Vielfältige Exzellenz" gelang Ulm die Platzierung als forschungsstarke Universität in der Elektro- und Informationstechnik sogar vor den TU9-Universitäten Braunschweig, Hannover und Stuttgart. Im Prognos-Zukunftsatlas landet die Region Ulm - mit sehr hohen Zukunftschancen - auf dem sehr guten 18. Platz - weit vor Mannheim, Freiburg und Tübingen.
"Wir stehen also als Universität und Region nicht schlecht da. Jetzt gilt es, unsere Potentiale, die wir in der Tat haben, gezielt zu nutzen. Nicht zuletzt im Bemühen um mehr außeruniversitäre Forschung und Kooperationspartner aus der Wirtschaft, die uns dabei helfen werden, mit einem verschärften Profil noch sichtbarer zu werden", resümiert Ebeling.
Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann