Doppel-Premiere beim englischsprachigen Masterstudiengang Advanced Materials der Universität Ulm: Mit der 27jährigen indischen Nachwuchswissenschaftlerin Anitha Ethirajan promovierte dieser Tage erstmals eine Absolventin des interdisziplinär angelegten Studiengangs, ein Landsmann wird in den nächsten Wochen folgen. Und unter den in diesem Jahr eingeschriebenen Neulingen sind zum ersten Mal zwei deutsche Studenten. Die enorme Nachfrage bei dem Ulmer Ausbildungsangebot, dokumentiert durch rund 450 Bewerbungen auf die stets rund 30 Studienplätze, ist für den Koordinator des Studiengangs keine Überraschung: „Die zukunftsträchtige Interdisziplinarität mit Elementen aus Physik, Chemie, Ingenieurwissenschaften und Medizin garantiert in Verbindung mit einer hohen Ausbildungsqualität unseren Absolventen beste Berufsaussichten“, sagt Professor Paul Ziemann, Direktor des Instituts für Festkörperphysik der Uni Ulm.
Für ihn steht heute, gerade mal sechs Jahre nach dem Start des Studiengangs, fest: „Unser Konzept ist voll aufgegangen.“ Dabei sei Advanced Materials seinerzeit eher aus der Not geboren worden. Aus Mangel an qualifizierten deutschen Doktoranden nämlich. Andererseits habe es stets zahlreiche Bewerbungen aus dem Ausland gegeben, aus Osteuropa vor allem und aus Asien. „Aber nur aufgrund von Unterlagen die besten auszuwählen?“ Da sei doch die Alternative die bessere Lösung gewesen: Mit einem eigenen Studiengang die Interessenten selbst auszubilden und dann die besten Absolventen als Doktoranden zu übernehmen.
Wie Anitha Ethirajan zum Beispiel aus Chennai, dem früheren Madras, inzwischen am Max-Planck-Institut in Mainz tätig, einer der besten Adressen in der deutschen Forschungslandschaft. Fraglos eine außergewöhnliche Karriere also und nicht der Normalfall. „Aber unsere Absolventen können generell mit interessanten Stellen rechnen, entweder als Doktoranden oder mit dem Masterabschluss in der Industrie und das weltweit“, weiß Ziemann, der Ethirajans Masterarbeit betreut hat. Viele kehrten danach auch in ihre Heimat zurück, mit festen Zusagen zumeist wie ein Kollege aus der Türkei oder zumindest hervorragenden Perspektiven.
Aus gutem Grund, wie der Ulmer Physiker erklärt. Zum einen durchdringe die Nanotechnologie, ursprünglich vom starken Miniaturisierungsdruck der Informationstechnik getrieben, mittlerweile praktisch alle naturwissenschaftlichen Forschungsgebiete bis hinein in die Neurowissenschaften oder Medizin. Zum anderen seien die Studieninhalte am Bedarf orientiert und mit ihren zwei Säulen zielgenau zugeschnitten: Werden die Grundlagen im ersten Semester noch gemeinsam vermittelt, teilt sich die Kohorte danach in die individuell wählbaren Schwerpunkte Nano- und Biomaterialien. Letzterer übrigens ergänzt um Lehrveranstaltungen aus der Biologie und Medizin, während sich die Nano-Variante auf Physik der kondensierten Materie, organische und anorganische Chemie, Physikalische Chemie und Elektrotechnik konzentriert. Die Vermittlung von Halbleitertechnologie und Sensorik samt Reinraumtechniken inklusive.
„Die Stärke des Studiengangs schlechthin ist aber die enge Verzahnung mit dem Sonderforschungsbereich 569 und dem hier integrierten Graduiertenkolleg“, betont Professor Ziemann. Mit regelmäßigen Kompaktkursen, geleitet von renommierten Wissenschaftlern aus der Uni- und Industrieforschung gleichermaßen, ferner mit einer sehr fruchtbaren gegenseitigen Unterstützung von Forschung und Lehre. Gleichwohl: „Der Studiengang ist schon hart, er verlangt viel“, räumt der Koordinator ein. Die dessen ungeachtet minimale Abbrecherquote resultiere einerseits aus dem strengen Auswahlverfahren, andererseits aus frühzeitig angebotenen Crashkursen zur Angleichung des Niveaus.
Ziemann zufolge durchaus denkbar ist ein Ausbau der Kapazität, bislang limitiert wegen des hohen Anteils an praktischer Ausbildung. Wobei momentan die Entwicklung der Nachfrage mangels Erfahrungen mit den noch jungen deutschen Bachelor-Studiengängen kaum abzuschätzen sei. Eher überschaubar dagegen der Wettbewerb auf nationaler Ebene, derzeit reduziert auf nur ein knappes Dutzend mit vergleichbaren Angeboten. Veränderungen auf Dauer freilich nicht ausgeschlossen. Wie die Entwicklung des Frauenanteils bei Advanced Materials in Ulm beispielsweise. War die jetzt promovierte Inderin Ethirajan noch die einzige Studentin des ersten Jahrgangs, beläuft sich die Frauenquote inzwischen auf 50 Prozent.