Bei strahlendem Sonnenschein wurde am Dienstag, 18. Oktober, an der Universität Ulm der Marie-Curie-Platz eingeweiht. Der Platz vor dem Haupteingang der Uni, der sich zu den Südterrassen hin öffnet, gehört zu den belebtesten und beliebtesten Freiflächen der Hochschule. Benannt wurde er nach der weltberühmten polnisch-französischen Wissenschaftlerin und zweifachen Nobelpreisträgerin Marie Curie, die als Mitentdeckerin der Radioaktivität gilt.
Oberbürgermeister Gunter Czisch, der die Gäste auf der Freitreppe begrüßte, würdigte Marie Curie als herausragende Wissenschaftlerin und mutige Frau, die einen Weg gegangen sei, der unvergleichlich ist. Sie habe Wissenschaft stets im Dienst der Menschen betrieben und hatte als Frau doch so viele Hindernisse zu überwinden. „Die Ehrung von Marie Curie ist auch eine Aufforderung an die Stadt und die Universität, für mehr Chancengleichheit einzutreten“, so Czisch. Universitätspräsident Professor Michael Weber, der im Anschluss ein Grußwort sprach, wies darauf hin, dass Forscherinnen im Straßenbild der Wissenschaftsstadt – bis auf die österreichische Kernphysikerin Lise Meitner – nicht in Erscheinung treten. Dass jetzt einer der schönsten und zentralsten Plätze der Universität den Namen einer weiteren herausragenden Wissenschaftlerin trage, sei der richtige Weg. „Wir setzen uns als Universität seit Jahren für mehr Chancengleichheit ein, und ein wichtiger Meilenstein ist hier unser `Mission Statement´ zur Gleichstellung“, erklärte Präsident Weber.
Einblicke in das Leben, Werk und Wirken von Marie Curie (1867-1934) gab Professor Boris Mizaikoff. Der Leiter des Instituts für Analytische und Bioanalytische Chemie stellte die einzigartigen wissenschaftlichen Leistungen dieser außergewöhnlichen Frau und Forscherin vor. Als einziger Mensch überhaupt erhielt sie zwei Nobelpreise aus unterschiedlichen Fachgebieten. 1903 bekam sie den Nobelpreis für Physik für die Entdeckung der Radioaktivität und 1911 wurde sie mit dem Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der Elemente Radium und Polonium ausgezeichnet. „Die Bedeutung von Marie Curie geht aber weit über diese beiden Fächer hinaus und reicht bis in die Medizin“, betonte Mizaikoff und nennt die mobilen Röntgenwagen als Beispiel. Die sogenannten „Les Petites Curies“ konnten im Krieg vor Ort zur radiologischen Untersuchung eingesetzt werden. „Nicht zuletzt gilt die in Polen geborene Forscherin, die in Paris studiert und geforscht hat, als eine der Wegbereiterinnen der modernen Strahlentherapie“, ergänzte der Ulmer Forscher, der ebenfalls im Grenzbereich zwischen Chemie, Physik und Medizin forscht. Die enge Verknüpfung zwischen den Naturwissenschaften und der Medizin gehört übrigens auch zum Kern der Ulmer Uni, und das von Anfang an. So wurde die Universität Ulm 1967 als medizinisch-naturwissenschaftliche Hochschule gegründet, und bis heute werde interdisziplinäre Forschung Tag für Tag gelebt.
Grenzen als Verbindungslinien begreifen
„Die spannendsten Dinge passieren an den Grenzflächen“, sagte Mizaikoff. Dies treffe nicht nur auf unterschiedliche Materialien zu mit ihren jeweiligen chemischen, physikalischen oder auch biologischen Eigenschaften, sondern auch auf wissenschaftliche Disziplinen und die Gesellschaft als Ganzes: „Wir könnten Grenzen anstatt als Trennlinie als eine Zone des Zusammentreffens auffassen, als eine Verbindungslinie zwischen unterschiedlichen Kulturen, Menschen und Geographien.“ Es müsse deshalb darum gehen, Grenzen im positiven Sinne als Stimulus aufzufassen – als Aufforderung zur Zusammenarbeit, zu mehr Verständnis, und als Auftrag, sich mit diesen Grenzen auseinanderzusetzen. Moderne Gesellschaften und die moderne Wissenschaft bauen auf einer gemeinsamen Voraussetzung: der Bereitschaft, offen aufeinander zuzugehen und voneinander zu lernen. „Marie Curie war schon zu Lebzeiten und ist noch heute ein Vorbild in vielerlei Hinsicht – als starke Frau, als Vorkämpferin, als Wissenschaftlerin – oder ganz einfach zusammengefasst – als Mensch!“, so Boris Mizaikoff. Am Ende der Feier wurde schließlich die Stele gemeinsam enthüllt, die mit einem Kurztext über diese besondere Frau und Forscherin informiert.
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann