„Entweder man liebt sie oder man hasst sie.“ Das gelte für die Mathematik nach wie vor, sagt Professor Werner Lütkebohmert vom Institut für Reine Mathematik der Universität Ulm und Beauftragter seiner Fakultät für das „Jahr der Mathematik“, das dieser Tage in Berlin ausgerufen werden soll. Wie die Wissenschaftsjahre zuvor vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und von der Aktion „Wissenschaft im Dialog“. Ihren Part dazu beitragen will auch die Universität Ulm. Mit mehreren Vorträgen insbesondere und einem Festakt zum 30jährigen Bestehen der Wirtschaftsmathematik am 5.Mai im Stadthaus (18 Uhr). Weitere Veranstaltungen stünden derzeit noch nicht fest, so Lütkebohmert, die Ziele und Zielgruppen dagegen schon: Interesse an der Mathematik als faszinierender Wissenschaft zu wecken und ihre Bedeutung für Studium und Beruf zu vermitteln. Angesprochen fühlen sollen sich demnach vor allem Lehrer, Oberstufenschüler und interessierte Laien.
Der frühere Oberbürgermeister, Ministerpräsident und Bundesminister Hans Eichel hatte es noch einfach: „Als Finanzminister braucht man genau drei Grundrechenarten: Zuzählen, abziehen und Dreisatz. Das war's“, erklärte der Ex-Politiker. Für viele andere Berufe vom Ingenieur bis zum Psychologen reicht das inzwischen nicht mehr. „Mathematik ist eine Schlüsselwissenschaft für Hochtechnologie“, betont Professor Günter Ziegler von der TU Berlin, Leibniz-Preisträger der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Sprecher der „Berlin Mathematical School“ und Mitorganisator beim „Jahr der Mathematik“.
In der Tat sei eine Vielzahl von Berufsfeldern und Arbeitsgebieten ohne Mathematik nicht mehr denkbar, unterstreicht auch Professor Lütkebohmert. Das reiche von der Medizintechnik, insbesondere der Computertomografie, über die optimale Positionierung von Implantaten in der Zahnmedizin und die Simulation technischer Vorgänge bis zum Einsatz von Laserstrahlen. Ohne mathematische Basis nicht zu realisieren wäre zum Beispiel auch die Robotertechnik, die Optimierung des Fahrzeugumlaufs im Öffentlichen Personennahverkehr und die Personaleinsatz- einschließlich Schichtplanung. Und viele andere Dinge mehr.
Die gesamten Finanzdienstleistungen etwa. „Das moderne Bankgeschäft ist eine Hochtechnologie-Branche“, macht Ernst Eberlein deutlich, Professor für Stochastik und Finanzmathematik, zudem Generalsekretär der internationalen Vereinigung der Finanzmathematiker. Auf mathematische Modelle stützen sich indes nicht nur Banken und Versicherungen. „Ohne eine solide Mathematik sind interdisziplinäre Projekte wie die Klimaforschung gar nicht möglich“, sagt der Berliner FU-Professor Rupert Klein. Gleiches gilt fraglos für eine Vielzahl von wissenschaftlichen Disziplinen selbst, weit über Natur- und Ingenieurwissenschaften sowie die Informatik hinaus. „Praktisch alle Studiengänge unserer Universität sind mehr oder weniger von Mathematik tangiert“, verdeutlicht denn auch Professor Karsten Urban, der Ulmer Studiendekan für die Mathematik. Aus gutem Grund organisiere die Uni Ulm jährlich im September ein vierwöchiges Trainingscamp für die angehenden Erstsemester.
„Die Bedeutung der Mathematik erschließt sich vielen erst spät, oft auch lange nach der Schulzeit“, weiß auch Professor Lütkebohmert. Wer sich mit ihr aber einmal intensiver auseinandersetze, erlebe den Einstieg in eine faszinierende Welt. Nicht zuletzt dazu solle das „Jahr der Mathematik“ anregen, wünscht sich der Ulmer Wissenschaftler. „Vermitteln, dass Mathematik spannend ist, dass es viel zu entdecken gibt“, formulierte es sein Berliner Kollege Ziegler. Verbunden freilich auch mit der wohl berechtigten Aufforderung: „Kein Gejammer über das schlechte Bild der Mathematik in der Öffentlichkeit.“
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Weitere Informationen: Prof. Dr. Werner Lütkebohmert, Tel. 0731/50-23562
Anlage: Fotos (Fotos Uni Ulm, zur honorarfreien Veröffentlichung in diesem Zusammenhang ohne Einschränkungen freigegeben)
Vorschlag BU: Bild 1:"Mathematik ist Gold wert: Ein nach Norbert Wiener (1894-1964) benanntet stochastischer Prozess lieferte die Grundlage für die berühnte Black-Scholes-Gleichung, mit der bis heute Finanzoptionen bewertet werden.
"Bild 2: "Wavelets (kleine Wellen) werden u.a. in der Signal- und Bildverarbeitung verwendet. Sie erlauben (unwichtige) Details zu erkennen und zu unterdrücken. Dadurch können z.B. Bilder erheblich komprimiert werden. Der moderne Bild-Standard JPEG2000 verwendet solche Methoden."