Volles Programm beim Dies academicus: Mit der Verleihung einer Universitätsmedaille an den Gründer des Schülerforschungszentrums Südwürttemberg Rudolf Lehn, einer Antrittsvorlesung sowie sechs weiteren Preisvergaben hat die Universität Ulm das Wintersemester feierlich beschlossen.
In seiner Begrüßung verdeutlichte Präsident Professor Karl Joachim Ebeling die hervorragende Entwicklung der Universität Ulm seit ihrer Gründung im Februar 1967. Im vergangenen Jahr sei es gelungen, mit 99,7 Millionen Euro Drittmitteln, fast 10 400 Studierenden und über 1700 Absolventen eigene Rekorde zu brechen. Die Leistungsfähigkeit der Uni Ulm bestätigen die hervorragenden Platzierungen als beste junge Uni Deutschlands im Times Higher Education Ranking “100 under 50“ und im QS World University Ranking „Top 50 under 50“. Weitere wichtige Erfolge des letzten Halbjahres sind für Ebeling die Übergabe des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung/HIU („Wir brauchen mehr außeruniversitäre Forschungsinstitute“) sowie die Bewilligung des Sonderforschungsbereichs „Gefahrenantwort, Störfaktoren und regeneratives Potential nach akutem Trauma“ über 11 Millionen Euro. „Gemäß einer Publikationsanalyse des Medienkonzerns Thomson Reuters forschen an der Universität Ulm mit den Professoren Hartmut Döhner, Heiko Braak und Fedor Jelezko zudem drei der weltweit meistzitierten Wissenschaftler ihres Forschungsgebiets“, schloss Ebeling die Leistungsbilanz. Mit der Uni eng verbunden seien darüber hinaus die „meistzitierten Wissenschaftler“ Professor Jürgen Garche, ehemaliger Leiter des Ulmer Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW), sowie Professor Bruno Scrosati (HIU).
Dies im Zeichen der Medizin
In diesem Jahr dominierte die Medizinische Fakultät den Dies academicus. In seiner Antrittsvorlesung „HNO – von Einsichten und Aussichten“ stellte Professor Thomas Hoffmann, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, das breite Spektrum seines Fachs vor. Hoffmann schlug einen Bogen von der Allergologie über die interdisziplinäre Schädelbasischirurgie bis zur Krebsheilkunde. Allgemein verständlich berichtete er zum Beispiel über ein neuartiges, in seiner Klinik mitentwickeltes Medikament, das gegen das potentiell lebensbedrohliche Angioödem wirkt. Dabei handelt es sich um eine Schwellung des oberen Atemwegs entweder erblich bedingt oder als Reaktion auf bestimmte Medikamente wie ACE-Hemmer, an der Patienten ersticken können. Weiterhin stellte der renommierte Kopf-Hals-Chirurg operative Schwerpunkte vor – etwa die Schlüssellochchirurgie im Bereich von Nase und Schädelbasis sowie die Hochpräzisionschirurgie des Ohres (zum Beispiel „Cochlea Implantat“) mit modernster Technik wie Robotern, Navigationssystemen und intraoperativer Bildgebung. Im Bereich der Onkologie sprach Hoffmann über die zielgerichtete Therapie mit „Biologicals“ sowie eine mögliche „Impfung“ gegen Mandelkrebs. Zuvor hatte Professor Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät, den gebürtigen Ulmer („Thomas Hoffmann erblickte keine 100 Meter Luftlinie von seinem heutigen Arbeitsplatz das Licht der Welt“) anekdotenreich vorgestellt.
Die Leistungsfähigkeit der Ulmer Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde verdeutlichte zudem die Verleihung des Kooperationspreises Wissenschaft-Wirtschaft 2014, dotiert mit 8000 Euro, an den HNO-Oberarzt PD Dr. Patrick Schuler. In enger Abstimmung mit Ärzten wie Schuler hat das nordamerikanische Medizintechnik-Unternehmen „Medrobotics“ eine computergesteuerte OP-Endoskopieeinheit (Flex®- System) entwickelt, die sich der Anatomie des Patienten anpasst. So kann zum Beispiel Tumorgewebe im Kopf-Hals-Bereich minimalinvasiv entfernt werden. Die ersten klinischen Einsätze des robotischen Systems fanden unter anderem auf dem Ulmer Michelsberg statt. Um Patrick Schuler zu gratulieren, war Dr. Samuel Straface, Präsident und Geschäftsführer von Medrobotics, eigens aus Boston (USA) zum Dies academicus nach Ulm gereist.
Die Wirkmechanismen eines Medikaments mit zwei Seiten hat Dr. Jan Krönke, Arzt und Wissenschaftler an der Universitätsklinik für Innere Medizin III, erforscht. Vor mehr als 50 Jahren hat das Medikament Thalidomid unter dem Namen „Contergan“ einen Medizinskandal ausgelöst. Heute werden Thalidomid und sein Nachfolger Lenalidomid erfolgreich gegen schwer zu behandelnde Krebserkrankungen wie das Multiple Myelom eingesetzt. Doch erst Jan Krönke konnte bei einem dreijährigen Aufenthalt am Brigham and Women’s Hospital/Harvard Medical School zeigen, wie genau die Arzneistoffe wirken. Dafür erhielt er beim Dies academicus den Franziska-Kolb-Preis zur Förderung der Leukämieforschung (8000 Euro). Sein Laudator Professor Hartmut Döhner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin III, war voll des Lobes: Kürzlich hat der Stipendiat des Else Kröner-Forschungskollegs die Zusage für eine Emmy Noether Nachwuchsgruppe erhalten. In den kommenden Jahren wird der 35-Jährige nach genetischen Markern in Tumorzellen suchen, die das Ansprechen auf eine Lenalidomid/Thalidomid-Behandlung vorhersagen können.
Die dritte Preisträgerin der Medizinischen Fakultät, PD Dr. Pamela Fischer-Posovszky, beweist: Wissenschaft und Familie sind vereinbar. Dafür wurde die erfolgreiche Forscherin und zweifache Mutter mit dem Mileva Einstein-Marić-Preis, dotiert mit 2500 Euro, ausgezeichnet. An der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin (Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie) hat Pamela Fischer-Posovszky zum Beispiel einen Krankheitsmechanismus mitaufgeklärt, der zu starkem Übergewicht im frühen Kindesalter führt. 2013 erhielt die vielfach ausgezeichnete Laborleiterin, die unter anderem mit einem Margarete von Wrangell-Habilitationsstipendium gefördert wurde und Gastprofessorin in Dallas (USA) war, die Lehrbefugnis in experimenteller Medizin.
Familie Lehn steht für gute Lehre
Die Verleihung der Medaille der Universität Ulm und des Lehrpreises 2014 geriet zur Familienangelegenheit. Mit der Universitätsmedaille wurde der Gymnasiallehrer Rudolf Lehn für seine Verdienste um das Fach Physik geehrt. Er hat vor rund 15 Jahren das Schülerforschungszentrum Südwürttemberg (SFZ) gegründet, in dem Jugendliche aus Ulm und Umgebung zu Fragestellungen aus der Physik experimentieren. Dabei stehen ihnen Dozenten und Studierende der Uni Ulm beratend zur Seite. Das Ziel des Pädagogen aus Bad Saulgau: Durch Experimente sollen Schülerinnen und Schüler nachhaltiges Wissen in der Physik erlangen. Zudem geht das Projektpraktikum im Ulmer Bachelorstudiengang Physik, das forschendes Lernen ermöglicht, auf eine Idee Rudolf Lehns zurück. Professor Othmar Marti, Leiter des Instituts für Experimentelle Physik, würdigte die Verdienste des Medaillenträgers und berichtete über dessen Anfangszeit in Ulm – als einer von nur sieben Physikstudenten.
Wie der Vater so der Sohn: Für die Verbesserung des Moduls „Scientific Computing“ erhielt Dr. Michael Lehn vom Institut für Numerische Mathematik den Lehrpreis 2014 der Universität Ulm (4000 Euro). Mit großem pädagogischem Geschick vermittelt Michael Lehn Grundlagen der Programmierung von Hochleistungsrechnern und führt seine Studierenden, von denen er keine Vorkenntnisse verlangt, bis zur Realisierung modernster Algorithmen, die durchaus mit kommerziellen Angeboten mithalten können. Anwendungsfelder kommen aus der Medizin, Physik oder den Ingenieurwissenschaften. Neben seinen weiteren hochgelobten Veranstaltungen beteiligt sich Lehn an Kursen für mathematisch und naturwissenschaftlich begabte Schülerinnen und Schüler – zum Beispiel im Forschungszentrum seines Vaters. „Michael Lehn hat das ganz tolle Engagement für junge Leute von seinem Vater geerbt“, sagte Professor Ulrich Stadtmüller, Vizepräsident für Lehre und Internationales.
Preise für Studierende
Um die Forscherinnen und Forscher von morgen bemühen sich auch die WissenSchaffer. Diese Studentinnen und Studenten der Uni Ulm besuchen Schulen und informieren über die Technikfächer. „Ausgangspunkt der Aktion war nicht unbedingt die Gleichstellung, dennoch wurde dieser Aspekt zunehmend integriert“, sagte die Gleichstellungsbeauftragte der Universität Ulm, Professorin Anke Huckauf, in ihrer Laudatio. Denn gerade die weiblichen WissenSchaffer beweisen: Ingenieurwissenschaften und Informatik sind keineswegs reine Männerdomänen. Für ihren Einsatz erhielten die Studierenden, repräsentiert durch Juliane Wessalowski, Anna Saumweber und Stefan Kaufmann, den Gleichstellungspreis (2500 Euro).
Weiterhin wurde ein besonders rühriger junger Mann in Abwesenheit mit dem Preis für herausragendes studentisches Engagement (500 Euro) ausgezeichnet. Julian Latzko bringt sich äußerst aktiv in die Studienkommission Wirtschaftswissenschaften ein. Seine Kommilitonen verdanken ihm vor allem ein verbessertes Angebot im Bereich „Business English“.
Musikalisch umrahmt wurde der Festakt von einem Streicherensemble des Universitätsorchesters.
Bildunterschrift (Foto: Eberhardt/Uni Ulm): Preisträger und weitere Protagonisten beim Dies academicus:
1. Reihe v.l.: Juliane Wessalowski (WissenSchaffer), PD Dr. Patrick Schuler, Prof. Thomas Hoffmann, Prof. Thomas Wirth und Prof. Othmar Marti
2. Reihe v.l.: Prof. Hartmut Döhner, PD Dr. Pamela Fischer-Posovszky, Dr. Michael Lehn, Rudolf Lehn, Vizepräsident Prof. Ulrich Stadtmüller
3. Reihe v.l.: Dr. Jan Krönke, Dr. Samuel Straface (Medrobotics), Stefan Kaufmann (WissenSchaffer), Prof. Anke Huckauf, Anna Saumweber (WissenSchaffer) und Uni-Präsident Prof. Karl Joachim Ebeling
Hintergrundinformationen:
zur Verleihung der Universitätsmedaille
zur Verleihung des Kooperationspreises Wissenschaft-Wirtschaft
zur Verleihung des Franziska-Kolb Preises
Verantwortlich: Annika Bingmann