In der Bevölkerung gibt einen wachsenden Prozentsatz von alten Menschen. Der medizinische Fortschritt und Verbesserungen in Hygiene, Nahrungsversorgung und Wohnbedingungen haben es ermöglicht, dass wir heute eine weitaus größere Chance besitzen, 70 bis80 Jahre alt zu werden als noch von hundert Jahren. Diese an sich erfreuliche Entwicklung hat eine Kehrseite. Mehr und mehr Menschen leiden an alternsassoziierten Erkrankungen. Darüber hinaus findet sich in Krankenhäusern eine steigende Anzahl von alten Patienten und die Mediziner stehen häufig vor der Frage, welche Therapie einem alten Menschen noch zugemutet werden kann. Dies gilt insbesondere für Therapien, die eine Regenerationsfähigkeit des Patienten voraussetzen, wie zum Beispiel Operationen, Strahlentherapie von Tumoren oder Chemoptherapie. Das chronologische Alter (in Jahren) ist dabei häufig ein schlechter Parameter, da manche alten Menschen sehr gutes Regenerationsvermögen besitzen, besser als bei manchen jüngeren Patienten. Die Entwicklung von Markern, die das biologische Alter eines Menschen bestimmen, könnte hier Abhilfe schaffen. Solche Marker könnten das individuelle Regenerationspotenzial anzeigen und so zu einer dem Individuum angepassten Therapie genutzt werden. Darüber hinaus könnten solche Marker das Risiko der Entwicklung von alternsassoziierten Erkrankungen anzeigen und zur klinischen Testung von Präventionsmaßnahmen genutzt werden.
Die Max-Planck-Forschungs Gruppe für Stammzellalterung an der Universität Ulm, geleitet von Professor Karl Lenhard Rudolph, hat unter Mitarbeit von Hong Jiang in dieser Frage einen wesentlichen Fortschritt erzielen können. Die Doktorantin aus Hangzhou (China) hat in ihrer Arbeit in Ulm in Kooperation mit Prof. Harald Mischak von der Firma Mosaiques Diagnostics (Hannover) eine Gruppe von Proteinen identifizieren können, die als Marker für die menschliche Alterung genutzt werden können. Es sind Marker , die bei DNA-Schädigung und Telomerdysfunktion von Zellen freigesetzt werden. Es gibt bereits lange die Hypothese, dass eine Anhäufung von DNA –Schädigung zur Alterung von Zellen und Geweben führt. Eine besondere Form der DNA-Schädigung ist die Verkürzung der Telomere. Telomere bilden die Endstücke menschlicher Chromosomen. Diese Telomerenden sind notwendig, um das Chromosom abzuschirmen und stabil zu halten. Das Problem der Telomere ist, dass sie sich bei jeder Zellteilung verkürzen. Wenn die Telomere zu kurz werden, verlieren sie ihre Schutzfunktion, Chromosomen werden instabil und die Zelle verliert irreversibel ihre Teilungsfähigkeit.
Die Arbeiten von Professor Rudolph und Hong Jiang zeigen, dass die Verkürzung der Telomere und die durch radioaktive Strahlen induzierte DNA-Schädigung zu einer überlappenden Reaktion in menschlichen Zellen führt und es zu einer Freisetzung von Markerproteinen aus den betroffenen Zellen kommt. „Eine interessante Beobachtung war, dass die gleichen Marker auch im menschlichen Blut gemessen werden können und ein deutlicher Anstieg im Rahmen der Alterung und bei alternsassoziierten Erkrankungen nachweisbar ist.“ sagt Rudolph. Diese Ergebnisse untermauern die DNA-Schädigungs-Hypothese der menschlichen Alterung und stellen aussagekräftige Marker für die biologische Alterung des Menschen bereit. Die Forscher erhoffen sich, dass diese Marker in der Klinik eingesetzt werden können, um Therapien bei alten Menschen dem individuellen, biologischen Alter anpassen zu können und damit bessere Therapieergebnisse bei alten Menschen erzielt werden können. Darüber hinaus können diese Biomarker genutzt werden, um Verhaltensmaßnahmen, Nahrungszusätze und pharmakologische Therapien zur Verzögerung von Alternsvorgängen testen zu können.
Weitere Informationen: Prof. Dr. Karl Lenhard Rudolph, Tel. 0731-50 36100