News

ASTA-Wunsch: Lebensraum Uni muss attraktiver werden
Neuer Vorsitzender Marc Grathwohl Mann der leisen Töne

Ulm University

Nein, sagt Marc Grathwohl, die geringe Wahlbeteiligung bei den ASTA-Wahlen sei kein Grund, das eigene Engagement für die Studentenschaft in Frage zu stellen. Zum einen bewege sich die Teilnahme am Urnengang schon seit Jahren in diesem Rahmen, zum anderen sei immerhin bei den tatsächlich Wählenden die Tendenz eindeutig gewesen: „Die Stimmenzahlen sprechen klar für das Mandat dieses ASTA.“

Das hindert den künftigen ASTA-Vorsitzenden freilich nicht, über die inzwischen seit studentischen Generationen konstant hohe Zahl der Nichtwähler nachzudenken. „Ganz sicher mehrere und unterschiedliche Gründe“ sind es Grathwohl zufolge, die den Großteil seiner Kommilitoninnen und Kommilitonen vom Wählen abhalten. Unkenntnis vor allem („viele haben trotz vieler Plakate nichts gewusst“), aber auch Desinteresse und Resignation („das bringt eh nichts“).

Letzterem aber will der ASTA-Mann keinesfalls folgen. „Wir wollen die Leute vom Gegenteil überzeugen, zeigen, dass sich Engagement in der Uni und für die Uni lohnt“, betont er selbstbewusst, stützt sich hier nicht nur auf seine bisherigen Erfahrungen als „normales“ ASTA-Mitglied, sondern auch in der Fachschaft Medizin. Beide Gruppen seien von den Uni-Verantwortlichen respektierte Gesprächspartner, träfen hier auf Verständnis für ihre Anliegen.

Dabei ist Marc Grathwohl eher ein Mann der leisen Töne. Ob seinem Naturell geschuldet oder einer gewissen Lebenserfahrung: „Vom sachlichen Gespräch verspreche ich mir mehr als von Krawall“, erklärt er jedenfalls, macht indes auch deutlich: „Unabhängig davon werden wir unsere Anliegen schon mit Nachdruck vertreten.“ Weit oben auf der Agenda: „Darauf hinarbeiten, dass das Studium sozialverträglich bleibt.“ Keine weiteren finanziellen Belastungen für die Studenten also, hausgemachte zumal durch allgemeine Parkgebühren etwa. Und wenn schon Studiengebühren, dann wenigstens deren sinnvolle Verwendung.

„Unsere Mitbestimmung bei der Verteilung der Mittel war bisher in Ordnung, an anderen Unis sind Studenten längst nicht so stark einbezogen wie wir“, bilanziert der Fachschaftssprecher Medizin, „aber die Transparenz ist zum Teil noch verbesserungsfähig“. Besser noch freilich, die Gebühren wären bald wieder vom Tisch. Wie in Hessen zum Beispiel. „Der Trend wird in Richtung Abschaffung gehen“, ist Grathwohl überzeugt, „denn der Gegenwind wird nicht nachlassen“.

„Aus guten Gründen, wie er meint. Jobben zur Finanzierung des Studiums werde bei den neuen Studiengängen und ihrer Verdichtung zunehmend schwieriger. Länger studieren sei wenig sinnvoll, koste am Ende noch mehr Geld. „Und ich bin kein Freund von Schulden“, verwirft der Nachwuchs-Mediziner auch diese Alternative. Denn verschuldet in den Beruf zu starten, sei nicht gut, erzeuge nur eine belastende Druck-Spirale.

Gleichwohl: Engagement für, nicht gegen etwas, sind Marc Grathwohl zufolge die vorrangigen Zielsetzungen. „Der Lebensraum Universität muss attraktiver werden“, wünscht er sich, auch als Betroffener. Konkret: „Mehr Leben auf dem Campus, auch abends.“ Eine Kneipe vielleicht, womöglich ein Biergarten, könnte dazu beitragen, Ulm als Studienort attraktiver zu machen. „Schon der erste Eindruck ist hier wichtig, das gesamte Erscheinungsbild, die kurzen Wege einer Campus-Uni und die Nähe zur Stadt“, verweist er auf die Ergebnisse einer Umfrage, macht bei allem Verständnis für andere Prioritäten der Universitätsleitung deutlich: „Von den Studenten kommt kaum einer wegen der Forschung.“

Wie auch immer: Bezogen auf die Medizinische Fakultät erwartet der Fachschaftssprecher und ASTA-Vorsitzende in Personalunion gespannt einen „runden Tisch“ im Herbst, Basis des angestrebten Konzepts, an dem die Nachwuchs-Akademiker engagiert mitarbeiten wollen.

Über diese Sachthemen hinaus wichtig sei ihm eine aktive Vertretung studentischer Interessen in den Gremien, eine gute und kontinuierliche Informationspolitik vor allem. Dies nicht zuletzt durch geeignete Leute. „Schon deswegen wollen wir wieder mehr Leute für eine Mitarbeit in der Studierendenvertretung gewinnen.“ Seine einfache Überlegung: Mehr Leute, mehr Gewicht.

Allerdings: Auch Grathwohl überzeugt, dass sich die Bereitschaft zu ehrenamtlichem Engagement gerade bei den Bachelor-Aspiranten „extrem verschlechtern“ werde. Eine Lösung vielleicht: Mehrere kleinere projektbezogene Arbeitsgruppen, möglichst von begrenzter Dauer und mit überschaubarem Zeitaufwand. Als wünschenswert betrachtet er schließlich verstärkte Kontakte zur Landes-Astenkonferenz, eine intensivere Vernetzung eben auch politischer Aktivitäten wegen. Wohl wissend: „Dem ASTA sind diese nicht erlaubt, der Stuve schon.“ Wissend indes ebenfalls: „Zeitlich bleibt dazu nicht viel Raum.“ Und ohnehin seien die Ulmer Studenten hier sehr zurückhaltend, „eher brav“, charakterisiert sie Marc Grathwohl und ist überzeugt: „Das liegt schon an den Studiengängen.“ An den fehlenden, gemeinhin als aufmüpfiger geltenden Geisteswissenschaftlern vor allem. „Dafür“, hat der Medizinstudent inzwischen festgestellt, „haben wir eine ausgeprägte Party-Kultur“.
 

Zur Person: 

29 Jahre alt und im fünften Semester Medizin – das lässt nicht unbedingt auf einen Werdegang ohne Wendungen schließen. In der Tat enthält der Lebenslauf Marc Grathwohls schon jetzt bemerkenswerte Abschnitte. Der Zivildienst führte den gelernten Energieelektroniker, der im schwäbisch-bayerischen Buch lebt, zum Rettungswesen. Hier hat er sich zunächst zum Rettungsassistenten qualifiziert. Anschließend unterrichtete er in Kempten als Berufsfachlehrer, studierte nebenher im Fernstudium an der Führungsakademie Karlsruhe Rettungsdienst-Management, erwarb sich damit in Verbindung mit dem nachgeholten Abitur sowie vielen Gesprächen und Eingangstests die Hochschulzugangsberechtigung. Und mit dem Wunsch-Studienplatz in Ulm war damit die erste Etappe auf dem Weg zum Berufsziel gesichert: Arzt und Notfallmediziner nämlich. Mehr als Jobs zur Finanzierung des Studiums sind mithin auch die nächtliche Rettungsdienstbereitschaft, als Tutor in der Notfallmedizin und seine Mitwirkung bei der Fortbildung von Notärzten, gelegentlich auch Vorträge bei einschlägigen Messen. „Da kommen schon einige Stunden zusammen“, lacht der künftige ASTA-Vorsitzende. Gleichwohl bleibt noch Raum für diverse Ehrenämter, über seine Aufgaben als ASTA-Mitglied und Fachschaftssprecher hinaus, nicht zu vergessen als studentisches Mitglied im Fakultätsrat in der Studienkommission Medizin und im Arbeitskreis Studiengebühren. So fungiert Marc Grathwohl als kooptiertes Vorstandsmitglied im Marburger Bund und als Vorstand für Finanzen und Messen im Verein ITLS Germany, der sich der Versorgung von Schwerverletzten widmet. Alles in allem fraglos ein Leben ohne Langeweile. „Man muss eben gut planen und sich durchorganisieren“, so sein Rezept. Dann bleibe sogar noch Zeit für Freundin und ein ebenso ausgefallenes wie einträgliches Hobby: Bei Hochzeiten und Weinfesten erfreut der Nachwuchsmediziner sein Publikum als musikalischer Alleinunterhalter. So ganz ohne zeitliche Engpässe freilich kommt auch er nicht über die Runden. „Für viel Sport reicht es nicht mehr“, räumt er ein. Dabei hat er der Mediziner-Ausbildung zuliebe sein Amt als Kirchen-Organist inzwischen aufgegeben.