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46. Jahrestag der Universität Ulm:
Mit innovativen Forschungsschwerpunkten und internationalen Partnern in die Zukunft

Ulm University

1967 wurde die Universität Ulm gegründet. Mit Antrittsvorlesungen und einem Festakt hat die Hochschule nun ihren 46. Jahrestag gefeiert. Gerade in den letzten Monaten hat sich das Antlitz der Uni deutlich gewandelt: Die umgestalteten Terrassen geben dem Südeingang ein neues Gesicht. Auf weitere Baumaßnahmen wie das  Helmholtz Institut für Elektrochemische Energiespeicherung (HIU), aber vor allem auf die jüngsten Erfolge in der Wissenschaft ging Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling in seiner Begrüßung ein.
Erst kürzlich ist der Sonderforschungsbereich/ Transregio 21 „Kontrollierte Wechselwirkung in maßgeschneiderter Quantenmaterie“ verlängert worden, die Weiterfinanzierung einer DFG-Forschergruppe zur Elektrokatalyse („Elementary Reaction Steps in Electrocatalysis“) wurde von der Gutachtergruppe nachdrücklich empfohlen. Eine pünktlich zum Jahrestag eingegangene Förderzusage der Carl-Zeiss-Stiftung ermöglicht darüber hinaus die Einrichtung eines Forschungszentrums für kooperative, hochautomatisierte Fahrerassistenzsysteme und Fahrfunktionen. „Die Universität Ulm und ihr Umfeld bieten beste Voraussetzungen, um eine führende Position in der Batterieforschung einzunehmen. Grundlagen für ein Internationales Zentrum in der Quanten-Bionanowissenschaft sind der Synergy Grant BioQ, eingeworben von Forschern um Professor Martin Plenio, sowie der ERC Advanced Grant des AIDS-Forschers Professor Frank Kirchhoff“, sagte Karl Joachim Ebeling. Weiterhin ging er auf die Ulmer Expertise im Bereich Fahrerassistenzsysteme ein – auf diesem Gebiet wird unter anderem gemeinsam mit der Daimler AG im Innovationszentrum driveU geforscht.

In der Medizin sollte der weitere Ausbau auch durch außeruniversitäre Forschungsinstitute erfolgen. Schon jetzt haben die Virtuellen Helmholtz Institute zu neurodegenerativen Erkrankungen und Leukämie einen wichtigen Platz an der Universität Ulm. Weitere sehr erfolgreiche Schwerpunkte der Medizin umfassen zum Beispiel die Traumaforschung sowie die Alterungs- und Stammzellforschung.
„Eine bessere Wohlstandsquelle als innovative Unternehmen und die Universität kann Ulm nicht haben“, betonte dann auch die Ulmer Bundestagsabgeordnete Professorin Annette Schavan in ihrem Grußwort. Unter anderem lobte sie das gerade gestartete Programm Strategische Partnerschaften (Deutscher Akademischer Austauschdienst), das den Austausch mit Russland, China und Ägypten intensivieren soll: „Diese Kooperationen sind eine große Chance für Studierende und junge Wissenschaftler.“

Anschließend wurden neun junge Akademiker – darunter drei Frauen – mit Promotionspreisen der Ulmer Universitätsgesellschaft (UUG) ausgezeichnet. In ihren Doktorarbeiten beschäftigen sich die Preisträger unter anderem mit den Auswirkungen des Carsharing Systems Car2Go oder forschen zur Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose. Ein weiterer Wissenschaftler hat ein numerisches Modell zum besseren Verständnis von degenerativen Bandscheibenerkrankungen entwickelt. „Wir haben bereits mehr als 200 Promotionspreise für exzellente Leistungen verliehen. In diesem Jahr waren die eingereichten Arbeiten so gut, dass wir uns entscheiden haben, neun und nicht wie gewohnt acht Auszeichnungen zu vergeben“, so der UUG-Vorsitzende Hans Hengartner.

Dieses Mal übergab Hengartner mit je 1500 Euro dotierte Preise an: Dr. Johannes Hanika  und Dr. Christian Senger von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik. Johannes Hanika stellte seine Arbeit zur photorealistischen Bildsynthese in der Computergrafik dann auch allgemeinverständlich vor. Gleich drei Promotionspreise gingen an die Medizinische Fakultät und zwar an: Dr. Marie Meyer-Ohlendorf, Dr. Fabio Galbusera und Dr. Azadeh Nikouee Ghadikolaei. Als ehemalige Doktoranden der Fakultät für Mathematik und Wirtschaftswissenschaften sind Dr. Jörg Firnkorn und Dr. Timo Tonn beim Jahrestag ausgezeichnet worden. Dazu kommen Promotionspreise für Dr. Stephan Eckle und Dr. Katrin Forster-Tonigold (Fakultät für Naturwissenschaften).

2013 konnte die Universität Ulm Dr. Hubert Lienhard, Vorsitzender der Geschäftsführung Voith GmbH, für den Festvortrag gewinnen. Lienhard sprach über „ein neues Verständnis von Globalisierung – Gedanken zur Welt der zwei Geschwindigkeiten“. In seinem Vortrag verglich er aufstrebende „Hochgeschwindigkeitsländer“ – allen voran China mit einem aktuellen Wachstum von über sieben Prozent – mit den „langsameren“ klassischen Wirtschaftsnationen in Zeiten der Finanz- und Schuldenkrise. „Diese Wachstumsschere wird sich nicht so schnell schließen. Außerdem wird die ,Werkbank‘ China künftig in Forschung und Entwicklung investieren“, sagte der Ingenieur. Die Voith GmbH, Spezialist für Maschinen- und Anlagenbau, müsse in den chinesischen Markt. Denn wer in diesen neuen Märkten nicht mitwachse, stehe  auch in der Heimat vor großen Herausforderungen. Den Schlüssel zum Erfolg sieht Lienhard in der Internationalisierung und Verwurzelung: „Deutsche Unternehmen sollten versuchen, auf neuen Märkten als einheimisch akzeptiert zu werden – als chinesische, indische oder brasilianische Firmen in deutschem Besitz.“ Es gelte, maßgeschneiderte, lokale Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen herzustellen. In Deutschland müsse man sich angesichts hoher Kosten zum Beispiel auf den Hightech-Bereich und genau passende Servicekonzepte konzentrieren: „In einer Welt der zwei Geschwindigkeiten sind hierzulande ein gutes Bildungssystem  und eine attraktive Hochschullandschaft nötig. An unseren Hochschulen ausgebildete Ingenieure und Naturwissenschaftler sind das Rückgrat unseres Erfolgs“, so Lienhard. Für den musikalischen Rahmen hat beim Jahrestag der Cellist Philipp Eisele aus dem Universitätsorchester gesorgt.

Antrittsvorlesungen am Vormittag:
Von der Herzchirurgie bis zu ultrakalten Atomen

Vor dem eigentlichen Festakt hatten Professorin Tanja Weil sowie die Professoren Andreas Liebold und Johannes Denschlag Antrittsvorlesungen gehalten. Karl Joachim Ebeling bezeichnete die Vorträge als „spannendes Potpourri, das die Vielfalt unserer Universität zeigt.“ Zum Auftakt stellte Professor Joachim Ankerhold, Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, Professorin Tanja Weil vor: „Die Wege nach Ulm führen manchmal von weit her. Im Falle von Tanja Weil von der National University of Singapore. Und die Wege in der Wissenschaft verlaufen auch nicht immer geradlinig, wie im Falle von Prof. Weil, die nach dem Chemiestudium und der Promotion am Max Planck Institut für Polymerforschung in Mainz zunächst in der industriellen Forschung Karriere machte.“ Ende letzten Jahres hat die Direktorin des Instituts für Organische Chemie III mit einem besonderen Erfolg von sich reden gemacht: Mit Professorenkollegen ist sie mit einem Synergy Grant des Europäischen Foschungsrats über 10,3 Millionen Euro ausgezeichnet worden. Die Gruppe „Diamond Quantum Devices and Biology“ (BioQ) entwickelt eine neue, auf künstlichen Quantenanodiamanten basierende Sensorik, mit der zum Beispiel strukturelle Änderungen von einzelnen Molekülen in biologischen Systemen sichtbar werden. Bei ihrer Antrittsvorlesung sprach Tanja Weil  über „Polymere in der Medizin: Intelligente Makromoleküle als Wirk- und Werkstoffe“. Peptide und Proteine werden sowohl als makromolekulare Wirkstoffe als auch als Wirkstofftransporter in der Therapie und Diagnostik immer wichtiger. Ihre Vorteile: Sie sind bioabbaubar und werden von Organismen als nachwachsende Rohstoffe produziert, können wahlweise als Hochleistungswerkstoffe oder auch Hydrogele hergestellt werden. In ihrem Vortrag erläuterte Tanja Weil, wie sich Proteine durch gezielte chemische Veränderungen in maßgeschneiderte Trägersysteme überführen lassen, die sogar eine parallele Detektion und Medikation ermöglichen. „Die Kombination von Proteinen und künstlichen Polymeren erlaubt die Herstellung künstlicher Protein-Polymer-Hybride. Diese ,Mischwesen‘ bilden als intelligente Nanotherapeutika pH-spaltbare Kapseln, schaltbare Enzyme oder effiziente Transporter aus“, sagte die Wissenschaftlerin.

Professor Thomas Wirth, Dekan der Medizinischen Fakultät, führte den Ärztlichen Direktor der Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Professor Andreas Liebold, ein. „Bei Liebolds Berufung haben wir uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der LMU München geliefert“, so Wirth. Der gebürtige Vogtländer mit wichtigen Stationen in Regensburg und Rostock habe seine Ulmer Klinik umstrukturiert und die Operations-Zahlen wesentlich gesteigert. Beim Jahrestag feierte der Mediziner seinen 50. Geburtstag. Andreas Liebold steht für schonende, minimal-invasive Operationsverfahren am Herzen. In seiner Antrittsvorlesung („The beat goes on – Herzchirurgie im Wandel“) ließ Liebold die noch junge Geschichte seines Fachgebietes Revue passieren – von der ersten Herznaht Ende des 19. Jahrhunderts über die erste Herztransplantation durch Professor Christiaan Barnard bis zu aktuellen Forschungsansätzen. „Erst 1953 wurde mit der erstmaligen Anwendung der Herz-Lungen-Maschine der Grundstein für die Entwicklung eines eigenen chirurgischen Fachgebiets gelegt, das sich mit der operativen Therapie aller angeborenen und erworbenen Herzkrankheiten befasst“, sagte der Ärztliche Direktor. Aktuelle Operationstechniken bis hin zu Katheter-basierten Verfahren zum Herzklappenersatz wurden in dem Vortrag anschaulich vorgestellt. Wie kaum ein anderes Gebiet der operativen Medizin ist die Herzchirurgie an die Entwicklungen der modernen Medizintechnik gekoppelt. Dank Schlüsselloch-Chirurgie können heute viele Patienten risikoarm operiert werden. Ein neues Forschungsziel ist die Züchtung von biokompatiblem Gewebe auf Basis körpereigener Zellen, das eines Tages Blutgefäße, Herzklappen oder das gesamte Organ Herz ersetzen könnte.

Eine „Reise zu den kältesten Temperaturen des Universums!“ versprach die Antrittsvorlesung von Professor Johannes Denschlag, Direktor des Instituts für Quantenmaterie. Der Physiker forscht zu ultrakalten Quantengasen, deren Atome auf weniger als ein Millionstel Kelvin gekühlt werden. Dann zeigt sich nämlich der durch die Quantenmechanik beschriebene Wellencharakter der Teilchen. Beim Jahrestag stellte Denschlag dar, wie sich kalte Atome als Werkzeuge zur Erforschung komplexer Quantensysteme einsetzen lassen. Am Anfang vieler Experimente steht die so genannte Bose-Einstein-Kondensation. Dabei befinden sich alle Atome im selben, energetisch tiefsten Quantenzustand – der Ausgangspunkt folgender Untersuchungen ist also genau definiert. Bei den tiefen Temperaturen ist eine vollkommene Kontrolle der Atome in all ihren Freiheitsgraden möglich. Man kann den Atomen zum Beispiel vorschreiben, wie sie sich bewegen und mit einander wechselwirken sollen. „So wird die Simulation  verschiedenster komplexer Systeme möglich, wie man sie etwa  in der Physik der kondensierten Materie oder in Vielkörpersystemen vorfindet." erklärte Denschlag. Dies führte er am Beispiel seiner aktuellen Projekte in Ulm weiter aus – live Schaltung ins Labor inklusive. Dekan Joachim Ankerhold hatte Johannes Denschlag, der vor seiner Ulmer Zeit in Wien, Washington und Innsbruck geforscht hat, als „wesentliche Säule der hiesigen Aktivitäten im Bereich Quantenwissenschaften“ bezeichnet.

Verantwortlich: Annika Bingmann

 

Opens external link in new windowInformationen zu den Promotionspreisträgern

Bildunterschriften zu den obigen Bildern:
Überzeugten mit ihren Antrittsvorlesungen: Prof. Andreas Liebold, Prof. Tanja Weil und Prof. Johannes Denschlag (1.,3.,4. v.l.). Sie werden flankiert vom Dekan der Medizinischen Fakultät, Prof. Thomas Wirth (2.v.l.), dem Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften, Prof. Joachim Ankerhold (rechts), und dem Ulmer Universitätspräsidenten Prof. Karl Joachim Ebeling (2.v.r.)

Beim Jahrestag der Universität Ulm erhielten Dr. Azadeh Nikouee Ghadikolaei, Dr. Fabio Galbusera, Dr. Timo Tonn und Dr. Johannes Hanika (3. Reihe, v.l.) sowie Dr. Stephan Eckle (2. Reihe, 2.v.l.), Dr. Katrin Forster-Tonigold und Dr. Marie Meyer-Ohlendorf (1. Reihe, 1., 2. v.l.) Promotionspreise der Ulmer Universitätsgesellschaft (UUG). Dazu gratulierten Dr. Hubert Lienhard (Voith GmbH, 2. Reihe links) sowie Prof. Annette Schavan, Mitglied des Bundestags, Universitätspräsident Prof. Karl Joachim Ebeling und der UUG-Vorsitzende Hans Hengartner (1. Reihe, 3.-5. v.l.). Auf dem Bild fehlen die Promotionspreisträger Dr. Christian Senger und Dr. Jörg Firnkorn