Auch Ulmer Chemiker forschen immer öfter abseits des Labors am Rechner. Mithilfe von Computersimulationen analysiert zum Beispiel Martin Korth, Juniorprofessor am Institut für Theoretische Chemie, Wirkungsweisen von Medikamenten. Was passiert, wenn ein Arzneistoff an ein bestimmtes Molekül andockt? Und welche Rolle spielen dabei quantenchemische Prozesse? Um diese Fragen zu beantworten, braucht der Chemiker große Rechenkapazitäten, die schon bald an der Universität Ulm zur Verfügung stehen werden. Das Land Baden-Württemberg und die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützen das Hochleistungsrechen und die Einrichtung großer Speicherkapazitäten mit insgesamt acht Millionen Euro. Davon fließen drei Millionen Euro nach Ulm. Konkret wird in der Donaustadt ein so genanntes bwForCluster im Bereich Theoretische Chemie eingerichtet. Am hiesigen Kommunikations- und Informationszentrum (kiz) sollen also landesweit verfügbare Rechencluster in einem kooperativen Versorgungsmodell gebündelt werden.
Diese hohen Rechenkapazitäten stehen aber nicht nur Ulmer Forschern, sondern Chemikern aus ganz Baden-Württemberg zur Verfügung. Entsprechende Geräte werden zu gleichen Teilen vom Land und von der DFG finanziert. Die Förderung erfolgt im Zuge von bwHPC (High Performance Computing, HPC) und bwDATA zur Speicherung und Verarbeitung großer Datenmengen. Beide Konzepte wurden vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) sowie vom Arbeitskreis der Leiter der Wissenschaftlichen Rechenzentren erstellt.
„Die Einwerbung des bwForClusters für Theoretische Chemie ist ein großartiger Erfolg für unser kiz. Die zusätzlichen Rechnerkapazitäten werden dringend für das High Performance Computing in der Chemie benötigt, um zum Beispiel Rechnungen zu chemischen Prozessen durchzuführen, die in Batterien oder an Katalysatoren ablaufen. Solche Simulationen können zu einem ein besseren Verständnis der (elektro-)chemischen Energiewandlung und –speicherung beitragen", sagt Professor Axel Groß, Vizepräsident für Forschung und Informationstechnologie. Durch die Einrichtung des bwForClusters würden Engpässe in der Versorgung mit Rechenzeit, wie sie momentan vorkommen, vermieden, so dass die führende Rolle von Baden-Württemberg und speziell der Uni Ulm auf diesem Gebiet weiter ausgebaut werden könne. Als Leiter des Instituts für Theoretische Chemie ist Axel Groß ein potentieller Nutzer des Ulmer Clusters.
„Tiger Teams“ unterstützen Wissenschaftler
Ein weiteres bwForCluster wird übrigens in Mannheim/Heidelberg für bestimmte Bereiche der Biologie und für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eingerichtet. So genannte "Tiger Teams" sollen die Nutzer aus der Wissenschaft mit IT-Sachverstand und fachspezifischen Kenntnissen, also im Fall Ulm aus der Theoretischen Chemie, unterstützen. Diese Teams werden projektbezogen aufgestellt, um die Wissenschaftler gezielt bei der effizienten Nutzung der Cluster für ihre laufenden Forschungsprojekte unterstützen zu können.
Aktuelle Entwicklungen im Wissenschaftsbetrieb erfordern vermehrt Simulationen, eine aufwändige Datenanalyse und viel Speicherplatz. „Die Verarbeitung großer Datenmengen ist heute eine entscheidende Grundlage in vielen Bereichen wissenschaftlicher Forschung. Damit unsere exzellente Forschungslandschaft weiterhin weltweit mit an der Spitze agieren kann, ist sie auf eine konkurrenzfähige Infrastruktur zwingend angewiesen. Zusammen mit der DFG investieren wir substantiell in diese Infrastruktur und damit in die Zukunft unserer Forschung“, wird auch die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer in einer Pressemitteilung des MWK zitiert.
Die Konzepte bwHPC und bwDATA sind also äußerst zeitgemäß. Tatsächlich wäre ihre Umsetzung ohne die Netzinfrastruktur des Landeshochschulnetzes BelWü nicht möglich: BelWü verbindet alle Landesuniversitäten über 10 Gigabit miteinander – das ist im bundesweiten Vergleich spitze. Die Verzehnfachung der jetzigen Bandbreite soll 2014 stattfinden. Um das Hochleistungsnetz hat sich landesweit vor allem der gerade verabschiedete ehemalige Leiter des kiz, Professor Hans Peter Großmann, verdient gemacht. Seine Aufgaben hat jetzt Professor Stefan Wesner übernommen.