Beim 6. Carolo-Cup in Braunschweig beweist das Ulmer Studententeam „Spatzenhirn“ Teamgeist und Nervenstärke.Trotz technischer Probleme schafft es der „Spatz 4“ noch aufs Sieger-Treppchen.
Auch beim 6. Hochschulkonstruktionswettbewerb Carolo-Cup der Universität Braunschweig stand eigentlich das Spielerische im Vordergrund. Doch für die Ulmer Studenten, die im Team „Spatzenhirn“ in monatelanger Vorarbeit ein selbststeuerndes Modellfahrzeug – den Spatz 4 – dafür entwickelt hatten, wurde es ganz schnell Ernst. Vier Tage vor dem Rennen fällt der Geschwindigkeitsmesser aus, ein sogenannter Magnet-Inkrementalgeber. Ein neuer konnte auf die Schnelle nicht besorgt werden. Und so musste der Spatz aus dem Vorjahr herhalten, um an das Ersatzteil heranzukommen. „Unser Auto fuhr jetzt zwar wieder, müsste allerdings mit einer höheren Messungenauigkeit ins Rennen gehen“, erklärt Teamleiter Marcel Debout das Problem.
Beim diesjährigen Carolo-Cup, der Anfang Februar wieder stattfand, müssen die eigens für den Wettbewerb konstruierten elektrisch angetriebenen und autonomen – also selbststeuernden – Modellfahrzeuge in vier Disziplinen gegeneinander antreten: Fahrzeugkonzept, Rundkurs, Einparken und Hindernisparcours.
Vier Stunden vor dem Rennen hängt sich dann ein Software-Modul auf, und nichts geht mehr. Die Ulmer hatten sich dieses Mal für ein komplett neues Software Framework entschieden: das Automotive Data and Time-Triggered Framework (ADTF), wie es bei der professionellen Fahrzeugentwicklung von den großen Autoherstellern zum Einsatz kommt. Nicht nur, dass im Vorfeld Tausende von Zeilen neu programmiert werden mussten, jetzt zeigten sich so kurz vor dem Wettkampf auch noch die technischen Tücken.
„Wir hätten einfach auf unser erfolgreiches Vorjahresmodell zurückgreifen können, das 2011 den Cup gewonnen hat. Aber bei diesem Wettbewerb geht es ja gerade darum, was Neues ausprobieren, also innovativ zu sein“, so der angehende Master für Elektrotechnik. So musste unter Hochdruck eine Version des Software-Moduls geladen werden, die erst im Entwicklungsstadium war.
„Unser Spatz konnte so zwar wieder zum Leben erweckt werden, aber wir mussten weiterhin mit schlimmen Aussetzern rechnen“, schildert Debout.
Durch einen Tritt bekommt der Spatz plötzlich `Sehstörungen´
„Eine Stunde vor dem Startschuss verpasste schließlich ein Teammitglied einer anderen Mannschaft unserem `Spatz´ versehentlich einen Tritt, sodass 3D-Tiefenbild- und Graubildkamera verstellt waren. Was für ein Schock, so kurz vor dem Rennen, beide Kameras neu kalibrieren und ohne Test ins Rennen schicken zu müssen“, so Teammitglied Martin Bach. Die Kameras sind das Herzstück des sogenannten Detektionsverfahrens, mit dem das autonome Kleinfahrzeug die Fahrbahnbegrenzungen und Hindernisabmessungen erkennen muss. Ohne kalibrierte Kameras keine präzisen Daten. Sogenannte Fehldetektionen sind die Folge.
„In diesem Jahr war die Konkurrenz besonders stark und das Renn-Niveau hoch“, konstatiert Debout. Konnten die Ulmer auf dem Rundkurs aufgrund der vorgelegten Spitzengeschwindigkeit noch gut mithalten, machten sich die technischen Probleme beim Einparken und beim Hindernisrennen dann doch schnell bemerkbar. Aufgrund der verschärften Regeln mussten dieses Jahr auch mehr S-Kurven bewältigt werden. Außerdem waren die Parklücken kleiner und es mussten bewegliche Hindernisse umfahren werden. So blieb dem „Spatz 4“ nur der dritte Platz. Spitzenreiter war dieses Jahr das Team Phoenix Robotics von der TU München, der Vorjahrsieger CDLC von der TU Braunschweig landete auf Platz zwei.
Das Preisgeld von 2 000 Euro wird das Team in die Entwicklung des Nachfolgemodells stecken. 15 Studenten aus den Fachbereichen Elektrotechnik, Informationssystemtechnik und Informatik waren in diesem Jahr an der Entwicklung beteiligt. Viele Nächte haben sich die „Spatzenhirn“ -Teammitglieder dabei um die Ohren gehauen. Fast ein dreiviertel Jahr dauerte die Vorbereitung, was vor allem für die Master-Studenten, die zugleich ihre Abschlussarbeit anzufertigen hatten, ungeheures Organisationsgeschick abverlangt, aber auch für die Bachelor nicht leicht war, die vielen Stunden fürs Planen, Löten, Schrauben und Programmieren im Stundenplan unterzubringen.
Wichtige Erfahrungen fürs Berufsleben sammeln
Organisatorisch betreut wird das Ulmer Team vom Institut für Mess-, Regel- und Mikrotechnik um Professor Klaus Dietmayer. Doktorand Hendrik Deusch kümmert sich vor allem darum, dass die Infrastruktur stimmt. „Bei diesem Konstruktionswettbewerb müssen die Studierenden lernen, theoretisches Fachwissen praktisch umsetzen. Sie müssen die technischen Probleme eigenständig und unter Realbedingungen lösen. „Vor allem das Arbeiten im Team unter großem Zeitdruck ist für viele eine sehr wertvolle Erfahrung, die an die berufliche Realität nah heran kommt“, meint Dietmayer, der vor 5 Jahren die regelmäßige Teilnahme an diesem studentischen Wettbewerb angeregt hatte.
Neben der eigentlichen Entwicklungsarbeit sammeln die Studierenden aber auch Erfahrungen im Sponsoring, Marketing und der Fachpräsentation. Ein wichtiger Teil des Carolo-Cups, der seit mehreren Jahren von der TU Braunschweig ausgerichtet wird, ist die Vorstellung des Fahrzeugkonzeptes vor einer hochkarätig besetzten Fachjury. Dabei geht es nicht nur um die Plausibilität der Algorithmik, sondern auch um Präsentationstechnik und Vortragsstil. In der Jury sitzen Experten aus Wissenschaft und Wirtschaft. „Für die deutsche Automobilbranche ist solch ein Konstruktionswettbewerb eine gute Plattform, um im stark umkämpften Fachkräftemarkt Nachwuchs auf sich aufmerksam zu machen“, erklärt Institutsleiter Dietmayer.
„Auf jeden Fall war die Teilnahme am Cup für uns eine ganz wichtige Erfahrung. Dass wir es trotz der massiven technischen Probleme doch noch an den Start geschafft haben und sogar noch einen Podestplatz erlangen konnten, hat uns sehr gefreut. Als Mitfavoriten um den Titel hatten wir uns natürlich mehr erhofft, aber wir haben alles gegeben und konnten uns auch aufeinander verlassen, als es extrem stressig wurde. Als Team haben wir super funktioniert und dies hat uns auch für manche harte Nachtschicht entschädigt“, zieht Debout als Fazit. „Unsere Studenten hatten dieses Mal unglaublich viel Pech. Aber sie haben gut gekämpft und waren ein tolles Team. Etwas Glück gehört eben auch dazu. Nächstes Jahr haben sie hoffentlich mehr davon“, wünscht ihnen Institutsleiter Professor Dietmayer.
Verantwortlich: Andrea Weber-Tuckermann
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Team „Spatzenhirn“
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