Dringen Erreger in den menschlichen Körper ein, bilden Makrophagen eine frühe Verteidigungslinie. Diese Zellen der angeborenen körperlichen Abwehr verdauen die eingedrungenen Fremdkörper und informieren andere Immunzellen über die Erreger. Damit wird die Infektionsabwehr in der Regel erfolgreich sein. Krankheitserreger wie Viren, Parasiten und Bakterien haben jedoch Strategien entwickelt, um Mechanismen der angeborenen Immunabwehr zu entgehen. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert jetzt ein Strukturkonzept an der Universität Ulm, das der Infektionsbiologie humaner Makrophagen auf den Grund geht. Neben Abwehrmechanismen humaner Makrophagen gegen Krankheitserreger stehen Evasionsstrategien von Herpes- (HCM) und HI-Viren sowie der Parasiten Leishmania und Listeria-Bakterien im Mittelpunkt des Forschungsinteresses. Über vier Jahre wird die Arbeit von vier Forschergruppen mit einer Millionen Euro unterstützt. Die Gruppen leiten Privatdozent Dr. Ger van Zandbergen, Professor Frank Kirchhoff, Dr. Giada Frascaroli und Dr. Christian Riedel.
„Ähnlichkeiten und Besonderheiten in den Evasionsstrategien solch unterschiedlicher, medizinisch relevanter Erreger können nur erkannt werden, wenn Wissenschaftler mit verschiedenen Expertisen zusammenarbeiten“, betont Ger van Zandbergen. Obwohl Ulm bisher über keinen infektionsbiologischen Schwerpunkt verfügt, seien mit dem Leibniz-Preisträger Frank Kirchhoff und weiteren Forschern aus Medizin und Naturwissenschaft hochkarätige Experten an dem Strukturkonzept beteiligt. Für jeden der vier Erreger sollen Zellbewegung (Chemotaxis) der Makrophagen, die Reifung ihrer intrazellulären Abwehrprozesse (Phagolysosomen-Reifung) sowie Antigenpräsentation und schließlich der infektionsbedingte programmierte Zelltod (Apoptose) untersucht werden. Dabei greifen die Wissenschaftler auf neueste Zellkulturtechniken zurück und generieren Makrophagen aus menschlichem Blut. In Universität und Klinikum stehen der Gruppe modernste Mikroskopieranlagen zur Verfügung. Eine Kooperation mit Dr. Markus Meissner von der Universität Glasgow ermöglicht zudem den Einsatz der so genannten „siRNA knockdown Technik.“ „Mit diesem Verfahren können wir Eigenschaften menschlicher Makrophagen ausschalten und die Auswirkungen auf das Verhalten der vier Erregertypen untersuchen“, erklärt van Zandbergen. Dank der technisch anspruchsvollen Vorgehensweise können die Forscher auf Tierversuche verzichten.
Langfristig erhoffen sich die Wissenschaftler Ansätze für die Therapie und Prävention entsprechender Infektionskrankheiten. Angesichts von bisher 25 Millionen Todesfällen dürfte die Relevanz der Aidsforschung unstrittig sein. Aber auch der Herpes-Erreger HCMV ist nicht ohne Bedeutung: Nach wie vor ist HCMV ein häufiger Verursacher vorgeburtlicher Schäden. Außerdem kann der Erreger Komplikationen nach Knochenmarktransplantationen verursachen. Eine Infektion mit Leishmania stellt eine der lebensbedrohlichsten Krankheiten dar, die von Parasiten verursacht werden. Listeria-Bakterien sind in Europa für viele Krankheitsfälle nach Lebensmittelgenuss verantwortlich.
Von Annika Bingmann