Für Professor Martin Eling, Direktor des Instituts für Versicherungswissenschaft der Universität Ulm, ist unbestritten: Ungleich höher als der materielle ist der symbolische Wert der beiden Preise, mit denen er jetzt in den USA ausgezeichnet worden ist. „Beide Preise haben Signalwirkung und unterstreichen, dass unsere Arbeit auch dort Gewicht hat“, sagt der junge Wissenschaftler (32), der im Vorjahr von der Universität St. Gallen nach Ulm berufen worden ist. Beiden Arbeiten, die sich mit Risikomanagement und Regulierung von Versicherungsunternehmen beschäftigen, bescheinigt Eling überdies „hohe praktische Relevanz“.
Das gelte für die mit dem „Best Paper Award“ der Zeitschrift Variance ausgezeichnete Publikation „Management-Strategien und Dynamische Finanzanalyse“ ebenso wie für einen weltweiten Vergleich verschiedener Versicherungsaufsichtssysteme, den die nationale US-Versicherungsaufsichtsbehörde mit dem Spencer L. Kimball Award gewürdigt hat. Bemerkenswert: Die seit 1993 jährlich verliehene und mit 2000 US-Dollar dotierte Auszeichnung ging sogar erstmals an europäische Wissenschaftler, in diesem Fall an Professor Eling und seine Koautorin Dr. Ines Holzmueller, früher ebenfalls in St. Gallen und jetzt für eine internationale Unternehmensberatung tätig. Auch die in Variance veröffentlichte Arbeit war in Kooperation mit St. Gallener Versicherungsexperten erstellt worden, nämlich Hato Schmeiser und Thomas Parnitzke. Die mit einem Preisgeld von 5000 US-Dollar verbundene Auszeichnung soll Eling und seinen Koautoren im Mai bei einer Konferenz in San Diego verliehen werden und zwar von der renommierten Casualty Actuarial Society, einer der beiden berufsständischen Vereinigungen für Aktuare in den USA.
„Das Risikomanagement von Versicherungen hat durch die Finanzkrise noch an Bedeutung gewonnen“, betont Professor Martin Eling. „Natürlich können auch wir die Zukunft nicht vorhersagen“, schränkt er ein, „aber wir versuchen die möglichen Entwicklungen durch Simulationsmodelle mit hoher Bandbreite zu prognostizieren und daraus Aussagen zur Finanzkraft der Unternehmen abzuleiten“. Auch für den Extremfall versteht sich, der eine Antwort auf die zentrale Fragestellung erfordere: Wie hoch ist der Kapitalbedarf zum „Überleben“, wenn es ganz schlecht läuft. Wobei die Modelle nicht nur mit konkreten extremen Szenarien der Vergangenheit unterfüttert würden, dem historischen Aktiencrash von 1987 etwa, sondern auch mit theoretischen Annahmen und Überlegungen. Hier basiert die ausgewiesene Expertise des Ulmer Instituts Martin Eling zufolge nicht zuletzt vom Forschungsschwerpunkt „Dynamische Finanzanalyse“, in dessen Rahmen an der Uni Ulm die Einsatzmöglichkeiten von stochastischen Modellen im Versicherungsbereich intensiv untersucht würden.
„Aktuelle Bedeutung gewinnen diese Arbeiten durch die anstehende Neuregelung der Eigenkapitalunterlegung bei Versicherungen im EU-Bereich“, erklärt Eling. Das unter dem Begriff Solvency II vorbereitete Verfahren also, das nach Lage der Dinge im Jahr 2012 verbindlich werden soll. „Keine Frage, dass sich alle Unternehmen damit intensiv beschäftigen.“ Insofern, so der Experte weiter, „auch ein gewaltiger Job-Motor für die Aktuarwissenschaften, nicht zuletzt für unsere Absolventen der Wirtschaftswissenschaften wie der Wirtschaftsmathematik gleichermaßen“.
Dass Europa mit Solvency II den USA als Vorbild fungiere, habe durchaus einen gewissen Neuigkeitswert, stellt Professor Eling fest. „Denn das amerikanische Aufsichtssystem für Versicherungen stammt aus dem Jahr 1994 und ist damit relativ alt.“ Im Vorfeld der anstehenden Reform habe er in der mit dem „Kimball Award“ prämierten Arbeit die Versicherungsaufsicht in vier verschiedenen Rechtssystemen analysiert und verglichen: In den USA, in der EU, in der Schweiz und in Neuseeland. Mithin eine sehr nützliche Basis für die anstehende US-Reform, war offenbar auch die dortige Versicherungsaufsicht überzeugt. Kaum anzunehmen indes, dass sie sich dabei an Neuseeland orientieren werde, vermutet der Ulmer Wissenschaftler. „Einzigartig ist deren System aber durchaus“, erläutert Martin Eling, „sie haben nämlich überhaupt keines“. Vielmehr reiche dort neben einer Ratingagentur eine Art Fairnesscode, „im Grunde sind es nur ethische Richtlinien“.