„Dazu sind neue Lehrpläne notwendig, die auf die spätere Aufgabe ausgerichtet sind“, sagte Stiftungsvorstand Professor Dieter Röß bei der öffentlichen Veranstaltung im Stadthaus Ulm vor mehr als 300 Besuchern, darunter viele Physiklehrer mit ihren Schülerinnen und Schülern. Denn nach wie vor seien Ausbildungsinhalte für künftige Forscher wie Lehrkräfte an den Universitäten oft identisch, obwohl dies Lehramtsanwärter wegen ihres zweiten Studienfaches nicht bewältigen könnten.
„Aber auch wir haben dazu kein Rezept“, räumte Röß ein, deshalb habe sich die Stiftung für die Vergabe von Seniorprofessuren entschieden. Professor Reineker soll nun in Ulm, so der Stiftungsvorstand, ein Ausbildungskonzept entwickeln, „das die inneren Zusammenhänge der Physik wiedergibt“. Er sei ein „gestandener Physiker mit viel Engagement, dazu nicht zuletzt aufgrund seiner langjährigen Arbeit für die Deutsche Physikalische Gesellschaft (DPG) erfahren im Bereich von Bildung und Ausbildung, ein erfolgreicher Autor sowie in der eigenen Universität bestens vernetzt und eingebunden in den Betrieb“. Wichtig auch: „Die Universität Ulm steht hinter dem Projekt“, erklärte Professor Röß.
Dies hatten eingangs sowohl Studiendekan Professor Joachim Ankerhold als auch Professor Peter Bäuerle, Vizepräsident Forschung der Uni Ulm, bestätigt. „Bei jungen Menschen Neugier und Begeisterung für die Physik zu wecken, ist eine der wichtigsten Zielsetzungen des Projekts“, erklärte Ankerhold und nannte einige abschreckende Beispiele aus der Schule als Ursachen dafür, dass das Interesse an dem Fach vielfach schon in der Mittelstufe verschüttet werde. Bäuerle bescheinigte der Seniorprofessur („bereits die zweite für unsere Universität innerhalb kurzer Zeit“) „eine wichtige strategische Funktion“.
Es sei schließlich „kein Geheimnis, dass an einer Forschungsuniversität die Lehramtsstudenten im Uni-Betrieb ein wenig ‚nebenher’ laufen“. Andererseits seien gerade die Physiker in der Nachwuchsarbeit ganz besonders engagiert, unter anderem in der Kooperation mit dem Schülerforschungszentrum Südwürttemberg. Auch aus seiner Sicht sei Professor Reineker „der richtige Mann für das Programm“. Er könne schwierige Sachverhalte verständlich und ausdauernd darstellen und sei ein erfolgreicher Moderator mit fundiertem Fachwissen. Was den Erfolg des Programms betreffe, gaben sich Vizepräsident wie Studiendekan zuversichtlich. Professor Ankerhold allerdings machte deutlich: „Wir sind schon realistisch und wissen: der Erfolg wird Zeit brauchen.“
Seniorprofessor Peter Reineker selbst skizzierte in seiner Dankesrede die Ansätze der geplanten Ausbildungsreform. So wolle die Uni Ulm künftig „der kritischen Phase im dritten Studiensemester“ mit einer speziellen Übungsgruppe gegensteuern. In einem Hauptseminar „Physik im Alltag“ sollen Beispiele vermittelt werden, mit denen im Unterricht an alltägliche Erfahren angeknüpft werden kann. Ferner vorgesehen: Eine gestraffte Theorieausbildung und eine Vorlesung „Theoretische Elektrodynamik“ für die künftigen Lehrkräfte, zudem eine Lehrveranstaltung, „um grundlegende Entwicklungen und Ergebnisse aktueller Forschung zu vermitteln“. Auch um die Faszination der Forschung und ihrer Ergebnisse vermitteln zu können. Nicht zuletzt schließlich die Einbindung der Lehramtsanwärter in verschiedene Schülerprojekte, um schon frühzeitig praktische Erfahrungen zu sammeln. Ziel, so Reineker: „Die Arbeit soll die Studierenden für ihren späteren Unterricht motivieren.“
Wie es gehen könnte, demonstrierte im zweiten Teil der Veranstaltung der Münchner Astrophysiker, Philosoph, Autor und TV-Moderator Professor Harald Lesch. Begeisterung pur, Lachsalven und Beifallsstürme quittierten den rund einstündigen rhetorischen Rundumschlag über „Das Geheimnis des Anfangs“, ohne Manuskript oder Powerpoint, aber mit ausgeprägter Gestik und Mimik. Und mit viel Bezug zu Aristoteles, Kant und Einstein unter anderem, über das „Alphabet des Universiums“, Quantenmechanik und das „Periodensystem der Elemente“, im Programm angekündigt als „Festvortrag“. Aber was heißt hier Vortrag: Ein staunender Besucher formulierte den Auftritt treffender: „Ein Erlebnis“.
Von Willi Baur