Eigentlich wollte er Landarzt werden oder auswandern. Doch 1969 war der Ruf der damals noch jungen Universität Ulm stärker. Seither hat er hier die Medizin entscheidend mit geprägt, in Forschung, Lehre, Krankenversorgung und in der akademischen Selbstverwaltung gleichermaßen. Bis heute erfüllt er als Emeritus anspruchsvolle Aufgaben. Am 29. September feiert Professor Hermann Heimpel seinen 80. Geburtstag.
Seine Wünsche zu diesem Anlass? „Gesundheit für mich und meine Familie sowie eine Fortsetzung der guten Zusammenarbeit mit befreundeten Wissenschaftlern am Universitätsklinikum Ulm“, nennt der gebürtige Freiburger, unterstreicht das ungebrochen „gute Verhältnis“ zu seinem Nachfolger Professor Hartmut Döhner, nicht nur in Kliniken bekanntlich keine Selbstverständlichkeit. Dass der langjährige Direktor der Inneren Medizin III (1969 bis 1996) in seiner ehemaligen Klinik nach wie vor hoch geschätzt wird und gefragt ist, ist freilich neben seiner wissenschaftlichen Reputation auch seinen menschlichen Qualitäten geschuldet.
Keine Laudatio, die nicht auf diesen Wesenszug des Jubilars abhebt. Wie Altrektor Professor Theodor Fliedner etwa, zwei Jahre vor Heimpel nach Ulm berufen und ihm seit langem in kollegialer Freundschaft verbunden. Er würdigte zu dessen 70. Geburtstag unter anderem die Patientenorientierung des Mediziners, zudem den Anspruch des Kollegen, den angehenden Ärzten auch eine fundierte medizinisch-ethische Kompetenz zu vermitteln, nicht zuletzt „das kreative, mitreißende und konsequent durchdachte Engagements Hermann Heimpels in der medizinischen Lehre“.
Letzteres war und ist nicht auf Ulm beschränkt, wo er von 1970 bis 1982 als Studiendekan wirkte, anschließend zehn Jahre als Dekan. Noch heute unterbreitet er regelmäßig Vorschläge zur Verbesserung der Medizinerausbildung, früher arbeitete er daran in verschiedenen Gremien mit, als Präsidiumsmitglied des Fakultätentages zum Beispiel oder des „Murrhardter Kreises“. Dass er den Kontakt zur Praxis nie verloren hat, unterstreicht auch seine Vorlesung „Klinik für Vorkliniker“ mit Patientenvorstellung. Je zwei Stunden montags und dienstags steht Professor Heimpel im Wintersemester im Hörsaal, bespricht und analysiert mit seiner Hörerschaft die Probleme der aktuellen Fälle. Stets bemüht dabei, betont er, „auch soziale und psychosomatische Aspekte von Krankheit und Kranksein anzusprechen“.
Nach wie vor intensiv beschäftigt sich der Wissenschaftler mit seltenen angeborenen Blutkrankheiten. Für eine davon, die congenitale dyserythropoietische Anämie (CDA), hat er eigenen Angaben zufolge nach seiner Emeritierung das größte Register der Welt aufgebaut, basierend auf Datenmaterial aus vier Jahrzehnten. Gestützt auf diesen Fundus und die eigene Expertise berät er Kliniken, natürlich auch die Ulmer, korrespondiert mit rund 100 betroffenen Familien in Deutschland und den Nachbarländern, begleitet sie mit hilfreichen Ratschlägen und gewinnt Erkenntnisse zur weiteren Erforschung der bislang nicht heilbaren Erkrankung, auch über bessere Behandlungsmöglichkeiten. Daran arbeitet Heimpel gemeinsam mit der Kinderklinik, mit dem Institut für Transfusionsmedizin und mehreren namhaften Zentren unter anderem in Mailand und Neapel. Durchaus mit Erfolg. „Mit den richtigen Maßnahmen ist die Lebenserwartung etwa normal geworden“, berichtet der Hämatologe, der sich schon früh mit der Anämieforschung beschäftigt und verschiedene Formen erstmals beschrieben hat. Auch ein bei der CDA verändertes Gen wurde in Ulm gemeinsam mit Dr: K. Schwarz (IKT) in erstmals gefunden. Zu seinen wissenschaftlichen Erfolgen rechnet er schließlich die Entwicklung der Knochenmarktransplantation in Ulm, bekanntlich gemeinsam mit den Kollegen Fliedner und Enno Kleihauer.
Unstrittig, dass die Hämatologie neben Endokrinologie und Psychosomatik schon früh das Profil der Ulmer Universitätsmedizin geprägt hat. Schließlich entwickelte sich aus der Schwerpunktgruppe die DFG-Forschergruppe für experimentelle und klinische Leukämieforschung, aus der später der überaus erfolgreiche Sonderforschungsbereich (SFB) 112 hervorgegangen ist. In dessen Blütezeit waren daran nicht weniger als 13 Abteilungen mit fast 80 wissenschaftlichen Mitarbeitern beteiligt.
Da hatte Hermann Heimpel die erste große Enttäuschung seines Berufslebens bereits hinter sich: Die Rücknahme der Ulmer Reformmedizin, derentwegen er dem Ruf an die Donau gefolgt war. „Das war ein Rückschlag“, bedauert er rückblickend, „wir wollten damals etwas Neues und Aktuelles aufbauen“. Gleichwohl beurteilt er die Entwicklung hier „durchaus positiv, gerade in den ersten fünf bis zehn Jahren“. Später habe es bei der Weiterentwicklung dann einen gewissen Stillstand gegeben, „aber heute stehen wir in Ulm sicher wieder vorbildhaft in Deutschland für eine positive Entwicklung“.
Zu der er fraglos auch selbst maßgeblich beigetragen hat, nicht zuletzt als Mitglied des Senats, der in den 80er-Jahren die Wissenschaftsstadt auf den Weg gebracht hat. Überdies als Prorektor von 1989 bis 1991, in der bislang wichtigsten Erweiterungsphase der Universität. Und mit zahlreichen Aktivitäten weit über seine Kernaufgaben hinaus, als Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie von 1990 bis 1996 zum Beispiel oder als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der deutschen José Carreras-Stiftung. Viel zu arbeiten war er stets gewohnt. „Absolut wertvolle Erfahrungen, die mir lebenslang viel gegeben haben“, verbindet er mit einer halbjährigen Tätigkeit in einer Landarztpraxis kurz nach der Promotion, nicht minder mit einem Jahr an einer Klinik in Chikago. „Hier habe ich die Grundlagen der praktischen Medizin gelernt“, sagt Professor Heimpel, „mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 60 bis 80 Stunden“.
Ganz so viele seien es heute nicht mehr, schmunzelt der Mediziner. „Aber ich bin fast jeden Tag noch in der Klinik.“ Ausnahmen gebe es nur gelegentlich bei schönem Wetter. Zum Radeln, Wandern oder Skilanglauf, wenn es die Schneeverhältnisse zulassen.
Von Willi Baur