Der Anspruch, flexibel und innovativ mit der Situation umzugehen, war das durchgehende Thema der Podiumsdiskussion.
Chance oder Frust? Das Online-Semester an der Universität Ulm
Virtuelle Podiumsdiskussion
Die erste Virtuelle Podiumsdiskussion an der Universität Ulm fand am 30.7.2020 zum Thema "Chance oder Frust? Das Online-Semester an der Universität Ulm“ statt. Eine neunköpfige Gruppe diskutierte über das Sommersemester 2020 über die Lehren aus dem ersten Online-Semester und die Chancen, die sich für den Ablauf des kommenden Wintersemesters ergeben. Hier können Sie die Aufzeichnung der Diskussion nachschauen und eine Zusammenfassung der wichtigsten Fragen und Antworten aus den Kommentaren nachlesen.
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Es diskutierten mit:
- Prof. Dr. Dr. Olga Pollatos
Vizepräsidentin für Lehre - Prof. Dr. Stefan Wesner
CIO der Universität Ulm und Leiter des Kommunikations- und Informationszentrums (kiz) - Prof. Dr. Cornelia Herbert
Leiterin der Abteilung Angewandte Emotions- und Motivationspsychologie - Prof. Dr. Georg Gebhardt
Studiendekan Wirtschaftswissenschaften und Leiter des Instituts für Wirtschaftswissenschaften - Steve-Mattes Herbers
Student der Humanmedizin - Hedwig Giesert
Studentin der Psychologie - Dr. Oliver Wiltschka
Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Digitalisierungshelfer für die Chemie - Moderation: Prof. Dr. Dieter Rautenbach
Vizepräsident für Karriere - Als Special Guest: Rüdiger Fiebig, Stabsstelle Qualitätsentwicklung, Berichtswesen und Revision
In ihren Eröffnungsstatements nannten alle Diskussionsteilnehmerinnen und -teilnehmer den hohen Arbeitsaufwand, Unsicherheit und schwierige Kommunikationswege als größte Herausforderungen des digitalen Sommersemesters. Dennoch wurden vor allem die seit langem geforderten Umsetzungen moderner Lehre, wie z.B. die Vorlesungsaufzeichnungen, als deutlich positives Ergebnis genannt. Auch die Notwendigkeit, innovativ und ergebnisoffen an die Gegebenheiten heranzutreten, empfanden alle als einen wichtigen Treiber für eine Weiterentwicklung von Hochschullehre. Auch die Einbindung möglichst vieler Beteiligter wurde gerade von den Studierenden als wichtig und hilfreich empfunden.
Im Zuge der weiterführenden Diskussion kam die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden als wichtiges Thema auf, da diese durch die fehlenden Präsenzveranstaltungen stark eingeschränkt war. Diese Situation macht beiden Seiten zu schaffen und stellt nach wie vor die größte Herausforderung dar.
Lehrende beklagen die fehlenden Rückmeldungen zu ihrer Lehre und die informelle Kommunikation bei Verständnisfragen in der Veranstaltung. Studierenden fehlt der Austausch mit Kommilitonen in Lerngruppen oder einfach auf sozialer Ebene, sowie niedrigschwellige und auch mal anonyme Kontaktmöglichkeiten zu den Lehrenden, die nicht in allen Onlineformaten vorhanden sind.
Die zum Teil neue Technologie, die von der Seite des kiz für die Lehre angeboten wurde, war dabei ebenfalls ein Thema. Viele Anwender*innen waren zwar mit der technischen Unterstützung zufrieden, wünschten sich aber trotzdem den direkten Kontakt zu Anderen.
Prof. Dr. Rautenbach: "Das ist letztendlich auch eine Überraschung, wie viel die Lehrenden und die Studierenden in diesem Semester in kürzester Zeit dazu gelernt haben."
Die Frage nach der technischen Umsetzung beschäftigte die Runde noch weiter, vor allem in Bezug auf die Arbeitsbelastung. Der Frust bei der zeitaufwändigen Erstellung von Online Lehre bei den Lehrenden, der Raubbau an Ressourcen für die Bereitstellung der Technik beim kiz und vor allem die Arbeitsbelastung der Studierenden mit ihren unterschiedlichen technischen Voraussetzungen wurde dabei ausführlich besprochen.
Als positives Beispiel einer neuen Zusammenarbeit während des Krisensemesters wurden die Digitalisierungshelfer genannt, die eine neue und erfolgreiche Kommunikationsebene zwischen kiz, ZLE und Lehrenden bilden. Hier wurden Kompetenzen gebündelt und effizient für die Weiterentwicklung der Lehre eingesetzt. Die Erhaltung dieser Strukturen war allen Beteiligten sehr wichtig.
Kommentar einer Zuschauerin in Webex Events: "Von Dozierendenseite aus war ich sehr begeistert, dass Moodle so prima funktioniert hat und so viele tolle Tools zur Verfügung standen! Danke an alle Beteiligten dafür! "
In diese Diskussion wurden von den Organisatorinnen vom Zentrum für Lehrentwicklung auch die ersten Publikumsfragen eingebracht, die sich viel mit der Arbeitsbelastung von Studierenden befassten. Als möglicher Grund für den Zeitaufwand wurde auch in der heterogenen Anwendung der bereitgestellten Werkzeuge und Struktur der Lehrveranstaltungen gesehen. Hier mussten sich Studierende tatsächlich häufig von Kurs zu Kurs neu auf sehr unterschiedliche Anforderungen einstellen. In den Kommentaren fanden sich dazu auch sehr kritische Kommentare, vor allem bei der Verwendung von Tools, die Studierende aus technischen Gründen nicht verwenden konnte. Hier zeigte sich, dass in der Lehre noch mehr an die Teilhabemöglichkeit gedacht werden muss.
Steve-Mattes Herbers: "Die Universität als Einrichtung und als Präsenzeinrichtung erfüllt halt neben der Lehre noch die ganz wichtige Aufgabe, dass sie auch Infrastruktur bereitstellt. "
Herr Fiebig klärte dann mit ersten Umfrageergebnissen auf, dass die Arbeitsbelastung im Durchschnitt eine Stunde mehr als bei einem Präsenzsemester betragen hätte. Als eine neue und sehr willkommene Erscheinung wurde bei dieser Evaluation sehr direkt auf Verbesserungsmöglichkeiten bei den Veranstaltungen eingegangen. Trotzdem würde nur 30% der Studierenden die Online Lehre in dieser Form so weiter befürworten.
Herr Herbers wies darauf hin, die Anforderungen an einzelne Gruppen von Lernenden und Lehrenden für das kommende Semester genauer zu betrachten, um mehr Chancengleichheit zu erreichen.
Insgesamt wird eine stringente Kommunikation, einheitliche Verwendung von Tools und eine gute Lehrstruktur als Lehren aus diesem Semester gezogen. Verlässliche Strukturen müssen dabei nicht unbedingt gleich sein, sondern auch individuell passen.
Damit wurde von Herrn Rautenbach auch der zweite Teil der Diskussion angestoßen, bei dem es um die Organisation des kommenden Wintersemesters ging.
Frau Pollatos bat zu bedenken, dass die Situation weiterhin dynamisch ist und alle Planungen unter Vorbehalt stellen. Auch wenn die Planungen veröffentlicht wurden, muss die Uni sich an die Gefährdungslage anpassen und Rückfallkonzepte verwenden. Die Herausforderung liegt in dieser Balance zwischen Gesundheitsschutz und Studierbarkeit. Herr Wesner konnte mit der Aussage, dass sich die Verfügbarkeit von Tools für die Online Lehre nicht verändern würde, zwar eine verlässliche Aussicht geben, diese war aber auch mit der Einschränkung verbunden, dass im Wintersemester nur wenige neue Funktionalitäten angeboten werden können.
Eine spannende Frage aus dem Publikum war die Frage nach der Verbesserung der sozialen Perspektive für die Studierenden und was im nächsten Semester dazu geplant ist. Dazu äußerte sich auch noch einmal Herr Fiebig mit dem Hinweis auf schwer erreichbare Gruppen von Studierenden, denen das soziale Netz der Präsenzuniversität beim Studieren hilft. Eine von Frau Herbert angeregt Bündelung von Kommunikationskanälen könnte dieser Gruppe helfen, nicht den Anschluss zu verlieren.
Auch, wenn alle Beteiligten sich einig waren, dass Planungen möglichst verbindlich sein sollten, ist die Situation weiter dynamisch und gerade die mehrfach auch aus dem Publikum gestellte Frage nach den Verfügbarkeiten von Räumen konnte nicht abschließend beantwortet werden.
Zum Abschluss dieser Thematik wurde vor allem auf die Situation der Erstsemester eingegangen, auf die eine besondere Situation wartet. Herr Herbers berief sich auf einige erfolgreiche Erfahrungen mit Online Veranstaltungen der Studierendenvertretung.
Der Ausblick auf die nächsten fünf Jahre zeigte ebenfalls noch einmal den Wunsch, wieder an die Präsenzuniversität zurückzukommen, jedoch mit der deutlichen Forderung, die bereits bestehenden Erfolge weiter zu nutzen und auszubauen. Wobei mehrfach auf eine weitere Evaluation und nötige Reflexion der Ergebnisse hingewiesen wurde. Nur so können uns die Erfahrungen weiterbringen.
Chance oder Frust? Mit welchem Gefühl blicken Sie auf das Wintersemester?
Auf die letzte Frage, ob das Online Semester eher Frust oder Chance war, wurde dementsprechend gemischt, wenn auch eher optimistisch geantwortet. Da gerade die Technik leider auch kostenintensiv ist, entstand hier tatsächlich noch ein Streitpunkt, da die Organisation des Online Semesters im kiz Lücken gerissen hat, die erst konsolidiert werden müssen, bevor neue Wünsche erfüllt werden können, auch wenn das den Pionieren in der Online Lehre Geduld abverlangt. Herr Herbers Abschlussstatement „Wir haben die Tools, aber die Nutzung muss noch besser werden. Dazu brauchen wir Reflexion auf allen Ebenen” fasste diese Diskussion auch noch sehr treffend zusammen.
Virtuelle Podiumsdiskussion
Donnerstag, 30. Juli 2020
19:30-21 Uhr
In Webex Events oder als Live-Stream auf dem YouTube-Kanal der Universität Ulm
Kontakt
Dr. Tatjana Spaeth
Zentrum für Lehrentwicklung
Bei Fragen oder technischen Schwierigkeiten schreiben Sie bitte eine E-Mail an zle(a)uni-ulm.de