Die Grenzen des Wachstums
Eine Bilanz nach 47 Jahren
1972 bildete die Studie „Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome einen der Ausgangspunkte für die globale Umweltdebatte. In unterschiedlichen Szenarien wird in der Studie die Entwicklung der Welt bis zum Ende des kommenden Jahrhunderts prognostiziert. Jetzt, rund 47 Jahre nach dem Erscheinen der Studie, zog der Co-Autor, Professor Dennis Meadows, im Rahmen der Hochschultage Ökosoziale Marktwirtschaft und Nachhaltigkeit an der Uni Ulm ein ernüchterndes Fazit: Noch immer lebe der Mensch auf Kosten des Planeten – mit dem globalen Kollaps vor Augen.
Der Ökonom Professor Dennis Meadows hat zusammen mit seiner Frau Donella 1972 die Studie „Die Grenzen des Wachstums“ geleitet. Im Auftrag des Club of Rome und gemeinsam mit einem Team am Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Neuland betreten. Nie zuvor wurde eine so detaillierte Studie für die Zukunft der Weltwirtschaft durchgeführt und solch konkrete Veränderungen prognostiziert. Zur Berechnung benutzten die Wissenschaftler erstmals Großrechner und sie konzentrierten sich bei der Analyse auf fünf Faktoren und deren Wechselwirkungen:
- Landwirtschaftliche Produktion,
- Bevölkerungsentwicklung,
- Ressourcenverbrauch,
- Umweltverschmutzung und
- Industrialisierung.
Auf Basis der vorliegenden Daten wurden daraus unterschiedliche Szenarien entwickelt – diese reichten von einer nachhaltigen Entwicklung mit einem hohen Lebensstandard für alle Menschen bis hin zum ungebremsten Wachstum über Nachhaltigkeitsgrenzen hinweg, und einem damit einhergehenden Kollaps. Was ist nun, nach über 45 Jahren eingetreten? Wohin steuert die Menschheit?
Zur Person
Dennis L. Meadows ist ein US-amerikanischer Ökonom. Er war unter anderem Direktor von drei universitären Forschungseinrichtungen, dem MIT, dem Dartmouth College und der University of New Hampshire. Weiterhin fungierte er als Professor an unterschiedlichen Fakultäten: Ingenieurwissenschaften, Management und Sozialwissenschaften. Weitere Schwerpunkte waren Teambuilding und System Thinking für Manager und Politiker. Heute ist er Emeritus und Leiter des Laboratory of Interactive Learning in New Hampshire.
Anhand einer rechnergestützten Simulation ermittelte Meadows in seiner vom Club of Rome beauftragten Studie Die Grenzen des Wachstums (1972, englischer Originaltitel The Limits to Growth) das Systemverhalten der Erde als Wirtschaftsraum bis zum Jahr 2100. Mitautoren war seine Frau Donella H. Meadows und der Norweger Jørgen Randers. Das benutzte Modell berücksichtigte eine Vielzahl bekannter Zusammenhänge der Kenngrößen und zeitlichen Verzögerungen zwischen Ursachen und Wirkungen. Fünf verschiedene Szenarien ergaben, dass beim derzeitigen Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum durch Nahrungsmittelknappheit, Umweltverschmutzung und Rohstoffknappheit noch vor dem Jahr 2100 die Weltwirtschaft zusammenbrechen wird. Dies hat zur Folge, dass der Wohlstand massiv zurückgehen wird und die Ernährung der Weltbevölkerung nicht mehr gesichert werden kann. Nur durch massive Anstrengungen insbesondere bei der Geburtenkontrolle und im Umweltschutz sowie durch sparsame Rohstoffkreisläufe könne eine langfristige Stabilität der Weltwirtschaft erreicht werden. Die Studie wurde von Meadows und seinen Mitautoren in den Jahren 1992 und 2004 jeweils aktualisiert.
Es war ein glücklicher Umstand, dass Dennis Meadows in Ulm sprechen konnte, denn den Anlass seines Deutschlandbesuchs lieferte die Verleihung des „Deutschen Kulturpreises 2019“ in München. Von der Allerheiligen-Hofkirche ging es schnurstracks zum Vortrag nach Ulm. „Dennis wollte als ‚Professor der alten Schule‘ anlässlich der Preisverleihung vor Studierenden sprechen. Da habe ich ganz spontan die Uni Ulm angeboten und hier sind wir“, freute sich Professor Franz Josef Radermacher, Vorstand des Ulmer Forschungsinstituts für anwendungsorientierte Wissensverarbeitung/n (FAW/n), das die Hochschultage zusammen mit der Universität Ulm veranstaltet. Radermacher ist selbst Mitglied des Club of Rome, der Organisation, die die Studie „Die Grenzen des Wachstums“ in Auftrag gegeben hatte.
Auch Universitätspräsident Professor Michael Weber hat seine ganz eigene Beziehung zu Meadows Werk: als Jugendlicher hatte er Ende der 1970er-Jahre „Die Grenzen des Wachstums“ gelesen. Mit diesem Exemplar der Erstauflage in der Hand, zog er in seiner Begrüßung eine direkte Linie von Meadows Studie zur aktuellen „Fridays for Future“- und „Scientists for Future“-Bewegung. „Universitäten sind die Orte, an denen die Zukunft gestaltet wird. Zum einen, weil wir hier die Jugend ausbilden und zum anderen, weil wir für den wissenschaftlichen Fortschritt verantwortlich sind, der bestimmt, wie die Welt in Zukunft aussehen wird“, so Weber.
Der Planet wehrt sich
Dennis Meadows selbst schonte in seinem Vortrag die rund 350 Zuhörer nicht. „Es gibt keine Möglichkeit mehr, schwerwiegende Klimaveränderungen zu verhindern“, sagte der 77-Jährige im Hinblick auf die nahe Zukunft. Dabei seien ein steigender Meeresspiegel oder die globale Erwärmung für Meadows nicht die eigentlichen Probleme, sondern Symptome dafür, dass der Planet sich „wehre“. Überbevölkerung und Ressourcenabbau tun ein Übriges dazu, dass sich die Entwicklungen im Rahmen des „Standard Scenario“ seines Berichts von 1972 bewegen: Die Weltbevölkerung wächst, der Ressourcenverbrauch steigt und der Mensch bewegt sich in Richtung eines ökologischen Kollaps, der gravierende politische, soziale und kulturelle Veränderungen mit sich zieht – und das noch in diesem Jahrhundert.
„Die Kosten für Energie steigen, mit Auswirkungen auf die Produktion von Nahrungsmitteln und das Wirtschaftswachstum. Weiterhin führen die gestiegenen Preise für Lebensmittel, Güter und Dienstleistungen zu politischen Veränderungen. Es gibt immer mehr Wirtschaftsflüchtlinge und der Migrationsdruck wächst. Dem gegenüber stehen nationalistische und rechtspopulistische Regierungen, die die Grenzen schließen“, so Meadows. Dennoch sei es durchaus wahrscheinlich, dass zumindest die Bevölkerung in den Industriestaaten den Kollaps gar nicht als solchen wahrnehme, vielmehr handle es sich, laut Meadows, um eine schleichende Erosion, die in manchen Bereichen bereits begonnen habe. Aktuelle Studien aus den Niederlanden oder Australien unterstützen diese Beobachtungen.
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Doch was können Regierungen, Unternehmen oder jeder Einzelne nun noch tun, um gegenzusteuern? Langfristig vorauszudenken, liege einfach nicht in der Natur des Menschen, ist Meadows überzeugt. Notwendig seien vielmehr „Handlungsgrundsätze“. Diese würden es zum Beispiel der Politik erlauben, auch „unbeliebte“ Entscheidungen zu treffen, ohne Angst davor zu haben, nicht wiedergewählt zu werden. „Zwischen Handlung und Auswirkung besteht ein enormer Zeitverzug“, erklärt der amerikanische Ökonom.
Seit über 45 Jahren sind die Prognosen von „Die Grenzen des Wachstums“ nun bekannt, geändert hat sich wenig bis gar nichts. Wie schwer es ist, Gewohnheiten selbst im Kleinen zu ändern, zeigte Dennis Meadows dem Publikum gleich zu Beginn seines Vortrags mit einer einfachen Übung: „Schlagen Sie die Arme übereinander und merken Sie sich, welches Handgelenk oben liegt. Versuchen Sie nun einmal, den anderen Arm nach oben zu nehmen. Es funktioniert, aber man muss darüber nachdenken und macht es unter Umständen erst einmal falsch.“ Genauso verhalte es sich mit anderen menschlichen „Gewohnheiten“ wie Energieverbrauch, Urlaubsreisen oder Konsum. Wir können es tun, aber es braucht Nachdenken und eine gewisse ‚Fehlertoleranz‘“, so das Fazit von Dennis Meadows.
Wir müssen handeln, bevor es offensichtlich notwendig ist
Hintergrund
Wie können wir unsere Gesellschaft zukunftsfähig und nachhaltig gestalten? Wie kann eine ökologisch-soziale Wende realisiert werden? Welche Konzepte und Best Practice-Beispiele gibt es? Was kann jeder einzelne tun? Die Hochschultage Ökosoziale Marktwirtschaft & Nachhaltigkeit bieten genau die richtige Plattform, um diese Fragen mit Wissenschaftlern, aktiven Politikern und Unternehmern zu diskutieren. Denn wir bringen vielfältige Akteure an einen Tisch und entwickeln dabei zukunftsfähige und interdisziplinäre Konzepte. Nur wenn wir die starren Fächergrenzen aufbrechen werden wir eine ganzheitliche gesellschaftliche Transformation erreichen.
Die Hochschulen sind als Ort der Veränderung, der Innovation und Bildung der zentrale Schlüssel für eine Entwicklung hin zu einer stärkeren globalen Verantwortung. An ihnen treffen sich die CEOs, die Gründer, Entwickler und politischen Eliten von morgen und diskutieren über gesellschaftliche und wirtschafltiche Konzepte. Hier werden sie in ihrem Wissen, ihren Werten und Idealen geformt, bevor sie ihre Ideen in die Unternehmen und die Politik tragen.
Die Hochschultage Ökosoziale Marktwirtschaft & Nachhaltigkeit möchten die Initialzünder für ein nachhaltiges Bewusstsein an und außerhalb von Hochschulen sein und dadurch Personen zu mehr gesellschaftlichen und globalen Verantwortung bewegen.
Text: Daniela Stang
Bilder: Carola Gietzen, Pixabay (Free photos, Sven Lachmann, Fethiopia, Vicki Nunn)