Küche und Couch statt Hörsaal und Mensa
Studieren in der Coronakrise
Wie erleben und gestalten Studierende der Uni Ulm in der Coronakrise den neuen Alltag zwischen Küche und Couch statt zwischen Hörsaal und Mensa? Wir haben nachgefragt, was sich bei Studentinnen und Studenten während der Uni-Schließung im digitalen Sommersemester verändert hat.
„Glücklicherweise habe ich kurz vor dem Lockdown meine letzten Klausuren erfolgreich absolviert und hatte im Online-Semester nur noch die Masterarbeit vor mir. Dank des VPN-Zugangs konnte ich von zuhause aus über meinen privaten Laptop auf sämtliche Quellen des Campusnetzwerks zugreifen und so an der Arbeit weiterschreiben. Mit meinen Betreuern habe ich in den vergangenen Monaten ausschließlich per E-Mail kommuniziert. Auch das lief reibungslos und meine Fragen und Anliegen sind immer präzise beantwortet worden. Im Juli konnte ich die Arbeit dann abgeben.
Leider sind meine Nebenjobs an der Uni im Sommersemester durch die Krise größtenteils weggefallen. Ich hatte mich sehr auf meine Arbeit als Fitness-Tutor im Unifit2 und auf meine Aufgaben rund um die Instandhaltung des Rasenspielfelds gefreut. Immerhin hat das Unifit1 mittlerweile wieder geöffnet und ich kann dort regelmäßig trainieren. Sport war für mich als Ausgleich zum Alltag schon immer sehr wichtig.
Privat fehlen mir meine Tätigkeit als Stadionsprecher im Amateurfußball bei meinem Heimatverein und die vielen Sommerfeste. Auch den den Schwörmontag in Ulm habe ich immer gerne mitgefeiert. Trotz der Situation mache ich das Beste aus meiner Freizeit und war als sportliche Alternative in den vergangenen Monaten öfters im Allgäu wandern. Dieses neue Hobby werde ich auf jeden Fall beibehalten.“
„Bislang läuft das Semester ganz gut. Ich habe mir inzwischen eine neue Tagesroutine zusammengestellt. Das heißt: Ich stehe auf, frühstücke und setze mich dann an die Uni-Sachen. Meistens starte ich mit den Vorlesungen für den Tag. Manchmal arbeite ich vor oder muss nacharbeiten, weil an einem Tag dann doch etwas dazwischen gekommen ist und ich mir nicht alle Vorlesungen anhören konnte.
Insgesamt muss ich sagen, dass ich intensiver lerne und mehr aus den Online-Vorlesungen mitnehme. Allerdings erscheint mir das Studieren im Online-Format etwas aufwändiger, da ich immer das Gefühl habe noch etwas nachholen zu müssen und die Arbeit nie endet.
Ebenso habe ich manchmal die Befürchtung etwas zu verpassen, zum Beispiel Termine, die online stattfinden oder Veranstaltungen, für die man sich extra anmelden muss. Hier fehlt mir der studentische Alltag an der Uni schon sehr, denn man bekommt einfach mehr mit.“
„Ich besuche seit vergangenen Herbst das Vorbereitungsprogramm FOKuS an der Uni Ulm. Während des Sommersemesters habe ich noch am DSH-Sprachkurs teilgenommen und bin damit auch online sehr gut zurechtgekommen. Die Dozentinnen und Dozenten haben den Lernstoff umfassend vermittelt und genügend Zeit fürs Lernen eingeplant – auch wenn es manchmal technische Probleme gab und das Programm zum Beispiel abgestürzt ist.
Leider gab es im Sommer keine Ausflüge oder persönliche Treffen der Studierenden im Vorbereitungsprogramm, das fand ich sehr schade. Allerdings konnte man sich online zum Chat verabreden und auch die Informationsveranstaltungen zu den unterschiedlichen Studiengängen wurden virtuell angeboten.
Alles in allem fühle ich mich nach dem Online-Semester gut vorbereitet für ein Studium in Deutschland und würde hier gerne mein in Usbekistan begonnenes Medizinstudium fortsetzen.“
„Mir fehlt im virtuellen Sommersemester vor allem der Unisport als Ausgleich zum Alltag, aber dafür habe ich mir zuhause angewöhnt, selbst und gesünder zu kochen.
Ich verbringe viel Zeit vor dem Bildschirm, auch meine Kommilitoninnen und Kommilitonen treffe ich meist über den PC, zum Beispiel bei Online-Spieleabenden. Ich genieße aber auch die neuen Freiheiten, da ich die Vorlesungen flexibel durcharbeiten kann. So hat sich mein persönlicher Tagesrhythmus stark nach hinten verschoben. Konkret bedeutet das: Nachtschichten für die Aufarbeitung des Vorlesungsinhalts und späteres Aufstehen. So kann ich tagsüber aber auch anderen Aktivitäten nachgehen.
Die Qualität meiner Online-Vorlesungen unterscheidet sich stark und ist überdies deutlich abhängig von der Motivation, der verfügbaren Zeit sowie dem technischen Know-How der Professorinnen und Professoren. Besonders interessant und abwechslungsreich gehalten ist die Finanzierungsvorlesung von Professor Löffler, der eigentlich alle Möglichkeiten der Online-Lehre vollständig ausnutzt."
„Viele Vorlesungen und Seminare im Online-Sommersemester liefen ganz gut. Bei manchen Vorlesungen hat es allerdings etwas gedauert, bis geeignete Vorlesungsmaterialien vorhanden waren. Auch die Praktika wurden, wann immer möglich, online angeboten. So konnten die theoretischen Inhalte vermittelt werden, jedoch fehlt die praktische Erfahrung.
Am Anfang des Semesters habe ich noch viel außerhalb des Studiums gemacht und zum Beispiel meinem Vater auf dem Bauernhof geholfen, sodass ich mich täglich etwa drei Stunden mit dem Studium beschäftigt habe. Das ist im Laufe des Semesters natürlich mehr geworden, denn um mich auf das Physikum vorzubereiten, mache ich inzwischen ab 8:00 Uhr morgens ein Video-Repetitorium und am Nachmittag die Übungen und Fragen dazu.
Das Online-Semester hat für mich den großen Vorteil, Studium und private Interessen besser vereinbaren zu können. Denn durch die asynchronen Veranstaltungen kann ich Tage und Wochen besser individuell planen. Außerdem bin ich jetzt für die Sitzungen der studentischen Gremien nicht mehr bis spät abends an der Uni, sondern sitze gemütlich am PC in meinem Zimmer.
Jedoch freue mich am meisten darauf, morgens wieder einfach in die Uni gehen zu können und meine Kommilitoninnen und Kommilitonen zu treffen, ohne extra einen Termin vereinbaren zu müssen.“
„Als ich Anfang März zu meiner Familie nach Indien geflogen bin, gab es weder Maskenpflicht noch Hygienemaßnahmen. Innerhalb von zwei Wochen wurde dann in meiner Heimatstadt Pune ein Lockdown mit strengen Ausgangsregeln verhängt. Deshalb konnte ich leider nicht mehr nach Deutschland zurückkommen, um hier weiter zu studieren.
Da die Universität Ulm schnell auf Online-Lehre umgestellt hat, konnte ich aber auch von Indien aus an Veranstaltungen teilnehmen. Die Vorlesungs-Videos waren gut strukturiert und mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen konnte ich über Big Blue Button diskutieren. Nachdem ich meinen Internetanschluss aufgerüstet hatte, gab es im gesamten Semester keinerlei Software-Ausfälle oder technische Probleme mit den verschiedenen Plattformen.
Auch meinem Nebenjob als studentische Hilfskraft konnte ich online nachgehen und habe so von Indien aus neue CT-Studierende an der Uni Ulm betreut – Das war schon eine komische Situation! Ich war froh, diese schwierige Zeit bei meiner Familie verbringen zu können. Denn wir durften zeitweise nur eine halbe Stunde am Tag vor die Tür gehen und auch die Meldungen in den Nachrichten über die Corona-Pandemie haben mich doch sehr bedrückt.
Ich freue mich, dass es die Möglichkeit gibt, aufgrund von Corona versäumte Prüfungen, nachzuholen und ich so schon jetzt mit meiner Masterarbeit beginnen konnte. Sobald internationale Flüge wieder möglich sind, will ich in Ulm die fehlenden Prüfungen ablegen. In der Zwischenzeit halte ich mit Mitstudierenden und 'Buddys', die ich in Ulm betreue, über Video-Telefonie und Messenger-Dienste virtuell Kontakt."
„In meinem Semester gibt es nicht viele Seminare und da man sich die Vorlesungen nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt anschauen muss, beschäftige ich mich gerne tageweise mit einzelnen Fächern. Die möglichen Ablenkungen an Computer oder Tablet sind höher als im Hörsaal und sich ein ungeliebtes Fach aufzuzwingen ist deutlich schwerer. Von anderen Kommilitonen habe ich gehört, dass Information nicht gut durchkommen oder verloren gehen, was eine Menge vermeidbarer E-Mails mit sich bringt. Die kommenden Praktika werden leider in kleineren Gruppen und über einen längeren Zeitraum verteilt stattfinden. Durch die nötigen Hygienevorschriften lässt sich das zurzeit natürlich nicht ändern, aber es erweckt nicht gerade Freude, wenn die Praktika mit den Prüfungen kollidieren.
Insgesamt läuft das Online-Semester wesentlich besser als erwartet, da ich mit mehr organisatorischen Problemen gerechnet hatte. Ich habe trotzdem das Gefühl, dass der Arbeitsaufwand höher geworden ist, was aber auch sehr gut an meinem Semesterpensum liegen kann.
Sehr gut finde ich, dass alle nötigen Informationen in verschiedene Moodle-Kurse verpackt sind und man muss nicht mehr auf diversen Institutsseiten nach Skripten suchen. Der Großteil ist sehr übersichtlich strukturiert und man findet sich meistens gut zwischen den Skripten, virtuellen Konferenzen, Aufzeichnungen und Online-Tests zurecht. In den Biowissenschaften gab es bisher keine Vorlesungsaufzeichnungen, aber durch das digitale Semester hat sich das nun geändert und so läuft die Prüfungsvorbereitung für mich entspannter ab. Die Kommunikation zwischen den Studierenden und den Lehrenden funktioniert aus meiner Sicht auch sehr gut und zeitnah.
An der Universität hat man zwischen den Vorlesungen meistens nur 15 Minuten Zeit. Ich lerne aber effektiver, wenn ich nach ca. zwei bis drei Stunden eine ganze Stunde Pause machen kann. Jedoch vermisse ich es, mit Freunden im Hörsaal zu sitzen oder einfach im Fachschaftsbüro „BeCI“ Studierende aus anderen Fachbereichen zu treffen.
Da ich auch als Sprecher in der Fachschaft Biowissenschaften und der Studienkommission aktiv bin, bekomme ich einen besseren Eindruck davon, welchen Organisationsaufwand die Corona-Krise für die Universität bedeutet. Durch die bevorstehenden Kürzungen fallen im kommenden Jahr das Programm UULM PRO MINT & MED und somit unsere Studienlotsen weg, die im Online-Semester einen tollen Job gemacht haben. Deshalb glaube ich, dass das nächste Jahr eine noch eine größere Herausforderung für die Studierenden wird."
„Das Online-Semester läuft für mich momentan besser als zu Beginn befürchtet. Dafür möchte ich mich insbesondere bei den Dozentinnen und Dozenten bedanken, welche sich wirklich ins Zeug gelegt haben, um ihre Vorlesungen sinnvoll umzugestalten.
Was gut funktioniert sind zumeist die Vorlesungsaufzeichnungen. Gerade wenn man Vorlesungen aus verschiedenen Semestern besucht kommt es oft zu zeitlichen Überschneidungen. Durch asynchrone Vorlesungen lässt sich dann aber alles gut unter einen Hut bekommen. Allerdings hat man teilweise das Gefühl allein gelassen zu werden, gerade was Seminare und Aufgaben angeht.
Ein typischer Studientag beginnt für mich morgens um 9:00 Uhr. Dann werden erstmal die Aufgaben für den Tag geplant und nach und nach abgearbeitet. Kontakt zu meinen Kommilitoninnen und Kommilitonen halte ich über verschiedene Messenger, wobei man sich ohne den persönlichen Kontakt schnell aus den Augen verliert. Auch geändert hat sich bei mir vor allem die finanzielle Situation, denn ich hätte diesen Sommer Schulklassen im Botanischen Garten betreut. Das fällt nun natürlich weg.
Am meisten vermisse ich tatsächlich den persönlichen Kontakt zu Kommilitonen, Freunden und Dozenten. Deshalb freue ich mich auf das erste Mittagessen mit meinen Freunden in der Mensa oder der Burgerbar.“
Interviews: Daniela Stang
Fotos: privat