Von krisenfestem Personal und Hausmeistern als den "letzten Mohikanern"
Wie schließt man eine Universität?
Jeder, der verreist, weiß wie schwierig es ist, Haus oder Wohnung „urlaubsfertig“ zu machen. Ist der Stromstecker des Fernsehers gezogen, die Wasserleitung zur Waschmaschine abgedreht und die Zeitung abbestellt? Solche Fragen stellt sich jeder ganz automatisch, bevor er den Hausschlüssel aus dem Schloss zieht. Wie aber schließt man eine ganze Universität, an der zu Stoßzeiten rund 14 000 Personen ein- und ausgehen? Mit dem vom Pandemiestab der Universität Mitte März beschlossen Notbetrieb, musste Enrico Frick und sein Team vom Dezernat V – Gebäudemanagement diese Mammutaufgabe innerhalb weniger Tage bewerkstelligen.
Etwas mehr als drei Tage lagen zwischen dem Beschluss, die Uni in den Notbetrieb zu versetzen, und der Schließung am Donnerstag, 19. März, um 18 Uhr. Hochbetrieb für das Dezernat V – Gebäudemanagement, denn Vorlagen, wie die Universität stillzulegen ist, gab es bislang kaum. „Für die Technischen Anlagen, wie Heizwerk oder Stromversorgung, die Zutrittsregelungen und den Sicherheitsdienst konnten wir lediglich auf den Plan zur regelmäßigen Betriebsschließung über den Jahreswechsel zurückgreifen“, sagt Dezernatsleiter Enrico Frick.
Für den Notbetrieb musste das Gebäudemanagement sicherstellen, dass nur absolut unerlässliches Personal die Gebäude betreten durfte. Die Verantwortlichen des Kaufmännischen und Infrastrukturellen Gebäudemanagement erarbeiteten Schilder und planten Absperrungen, die die Hausmeister schließlich umsetzten. Am Eingang zur Zahnklinik wurde eine Pforte installiert, damit nur angemeldete Patientinnen und Patienten eingelassen wurden. Hektik herrschte auch in mehreren Sekretariaten des Dezernats, die innerhalb von 24 Stunden alle Zugangsberechtigten erfassen sollten. „Die erste Liste umfasste über eintausend Namen. Wir haben dann die Einrichtungen und Institute noch einmal aufgefordert, weiter auszudünnen. An der Uni selbst sollten nur die ‚absolut unaufschiebbaren‘ Arbeiten von so wenigen Personen wie möglich verrichtet werden“, so der studierte Ingenieur Frick.
Generell hätten alle Betroffenen verständnisvoll auf die strikten Regeln reagiert, denn der Ernst der Lage war schnell klar. Bereits Anfang Februar nach den ersten Meldungen von Covid-19-Fällen in Deutschland kümmerte sich Frick zusammen mit Angela Schulz, der Abteilungsleiterin Arbeits- und Umweltschutz, darum, den bestehenden Pandemieplan zu aktualisieren. „Als sich die Corona-Infektionszahlen in der Region häuften, haben wir das Tempo deutlich verschärft“, sagt Enrico Frick. Einen gewissen Vorlauf versuchte Frick auch aus den Videokonferenzen des Pandemie-Krisenstabs mitzunehmen, in denen der Notbetrieb und die späteren Betriebsstufen geplant wurden. Noch während die Sitzungen liefen, informierte Enrico Frick seine Mitarbeitenden im Dezernat V per Mail. „Dieser Zeitvorsprung war wichtig, da die im Stab beschlossenen Maßnahmen oft noch am gleichen Tag umgesetzt werden mussten“, erklärt Frick.
Genauso wie der Rest der Uni arbeitete auch der Großteil des Gebäudemanagements während des Notbetriebs im Homeoffice. Der 24-Stunden-Betrieb der technischen Versorgungszentrale, die als „kritische Infrastruktur“ nicht nur die Uni, sondern auch das Klinikum und weitere Einrichtungen auf dem Oberen Eselsberg mit Kälte, Wärme und Notstrom beliefert, wurde so organisiert, dass es unter den Teams keinen Kontakt mehr gab. Auch die Arbeitsdienste der Hausmeister mussten so umgeplant werden, dass jeweils nur die Hälfe der Mitarbeiter vor Ort war.
„So leer und still habe ich die Uni in 25 Jahren noch nie erlebt“, schildert der Leitende Hausmeister, Matthias Sigloch. Höchstens einmal im Jahr – am Abend vor Weihnachten – wäre es für kurze Zeit vergleichbar ruhig.
Einige Wochen lang begegneten Matthias Sigloch und seinen Kollegen wenn überhaupt nur wenige Handwerksfirmen, der Reinigungsdienst oder vereinzelt Beschäftigte auf den Gängen und Fluren. Das änderte sich erst mit dem Übergang in die Betriebsstufe 2, als ab Anfang Mai neben Praktika auch wieder Prüfungen an der Uni abgehalten werden durften. Für die Hausmeister begann damit das große „Stühlerücken“: Denn jeder Prüfungsraum wurde nach einem eigenen Hygienekonzept unter Wahrung von Abstandsregeln hergerichtet. „In einigen Räumen mussten wir die Möbel bis zu drei Mal umstellen, bis die Anforderungen der Abteilung Kaufmännisches und Infrastrukturelles Gebäudemanagement, des Arbeitsschutzes sowie der Lehrendenvertretung erfüllt waren“, erinnert sich Sigloch. Ein weiteres Stück Normalität kehrte an der Uni ein, als die Cafete Nord öffnete. „Das war ein richtiges Highlight, als es wieder Kaffee gab und man Essen kaufen konnte“, blickt der Leitende Hausmeister zurück. Die Zeit ohne Studierende habe das Gebäudemanagement außerdem genutzt, um viele Flächen und Räume grundreinigen zu lassen.
An einen Alltag ohne Beschäftigte und Studierende haben sich weder Frick noch Sigloch richtig gewöhnen können. Die Uni sei eben ein Ort, an dem man zusammenkommt, um zu lernen, sich auszutauschen oder zu arbeiten. Eins jedenfalls habe Dezernatsleiter Enrico Frick der – hoffentlich einmalige – Notbetrieb wieder einmal gezeigt: auf seine 120 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kann er sich verlassen. „Sei es eine gebrochene Kälteleitung über Silvester, ein Wasserrohrbuch im Gebäudekreuz O26 vergangenen Oktober oder eben eine komplette Uni-Schließung. Das Personal im Dezernat V ist krisenfest“, so Frick und habe sich auch während der Corona-Pandemie bewährt.
Text: Daniela Stang
Fotos: Elvira Eberhardt