Antivirale
Wirkstoffe
und neue
Testmodelle
EU-Projekt sagt neuem Coronavirus den Kampf an
Das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) hat weltweit bereits über 200 000 Todesopfer gefordert. Eine spezifische Therapie oder eine Schutzimpfung gibt es bisher nicht. Im kürzlich gestarteten EU-Projekt „Fight nCoV“ wollen Forschende wie der Ulmer Professor Jan Münch die Entwicklung einer wirksamen antiviralen Therapie beschleunigen. Dazu sollen verschiedene potenzielle Wirkstoffe gegen das Coronavirus schnell und effizient erprobt werden.
Wie bei anderen Erregern gilt das Eindringen des Coronavirus in die Wirtszelle als vielversprechender Angriffspunkt für antivirale Wirkstoffe. Diesen Vorgang hemmen drei Substanzen, die im Projekt „Fight nCoV“ auf ihre Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 untersucht und optimiert werden. Dabei handelt es sich zum einen um molekulare Pinzetten, die der Ulmer Virologe Professor Jan Münch und der Chemiker Professor Thomas Schrader von der Universität Duisburg-Essen entwickelt haben. Diese Pinzetten binden an die Virushülle und zerstören den Erreger. Des Weiteren werden ein einsträngiges Oligonukleotid sowie makromolekulare Inhibitoren untersucht, welche die Wechselwirkung des Erregers mit der Zielzelle unterbinden.
Um die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Wirkstoffe zu überprüfen, verwendet die Forschergruppe verschiedene Modelle. Im Ulmer Labor soll die antivirale Wirksamkeit der Substanzen anhand von ungefährlichen viralen Pseudotypen bestimmt werden. Die vielversprechendsten Wirkstoffe werden anschließend von europäischen Partnern auf die Hemmung von SARS-CoV-2 in Zellkulturen getestet. Für weitere Untersuchungen werden Tiermodelle bis hin zu Primaten genutzt, um zeitnah klinische Studien zu beginnen. „Wir stehen vor der dringenden Aufgabe, eine wirksame Therapie gegen SARS-CoV-2 zu finden. Daher stellen wir die Testmodelle schnellstmöglich auch anderen europäischen Forschergruppen zur Verfügung“, betonen die Professoren Münch und Schrader.
Bei dem neuartigen Coronavirus handelt es sich um eine Zoonose: Der Erreger ist wohl vom Tier auf den Menschen übergesprungen. Sollten sich die antiviralen Substanzen tatsächlich als wirksam gegenüber SARS-CoV-2 erweisen, können sie womöglich auch bei zukünftigen Zoonosen oder anderen viralen Atemwegserkrankungen eingesetzt werden.
Für das zweijährige Forschungsvorhaben „Fight nCoV“ hat das von der Universität Stockholm geleitete Konsortium 2,8 Millionen Euro eingeworben. Die EU-Förderung erfolgt über das Projekt HORIZON 2020. Neben den Universitäten Stockholm (Schweden), Ulm, Duisburg-Essen, und Aarhus (Dänemark) sind die Forschungseinrichtungen CEA (Frankreich) sowie Adlego Biomedical (Schweden) beteiligt.
Letzte Meldung: Weitere Forschungsprojekte zu SARS-CoV-2
Kurz vor Redaktionsschluss wurde bekannt, dass das Institut für Molekulare Virologie zwei weitere Forschungsprojekte im Zuge des BMBF-Förderaufrufs zur Erforschung von Covid-19 eingeworben hat. Im Vorhaben „Restrict SARS-CoV-2" untersuchen Forschende um Prof. Frank Kirchhoff, welchen Einfluss die Stimulierung der körpereigenen Immunreaktion auf die Replikation und Entwicklung („Pathogenese“) verschiedener Coronaviren hat. Inwiefern gelingt es den unterschiedlichen Erregern, die antivirale Immunantwort zu manipulieren? Und ist es möglich, die Immunreaktion so zu verändern, dass eine SARS-CoV-2-Infektion zuverlässig kontrolliert wird? Gefördert mit über 542 000 Euro könnte das Projekt u.a. zur Entwicklung einer neuen Immuntherapie beitragen.
„Spike-Proteine“, die Coronaviren Zutritt zu Wirtszellen verschaffen, stehen im Zentrum des Projekts „protACT“ (Juniorprof. Daniel Sauter). Inwiefern sich die Aktivierung dieses Proteins bei verschiedenen Coronaviren unterscheidet, ist eine wichtige Frage. Darüber hinaus sollen Mutationen des Spike-Proteins im Verlauf der aktuellen Coronavirus-Pandemie und deren Einfluss auf die Infektiosität von SARS-CoV-2 charakterisiert werden. Die Aktivierung dieses Proteins zu unterdrücken ist ein Projektziel, das zu neuen therapeutischen Ansätzen führen könnte. Die BMBF-Förderung beträgt rund 367 000 Euro.
Texte: Annika Bingmann
Fotos: Martin Duckek, Universitätsklinikum Ulm, privat/Picslocation
Aufnahme: Dr. Clarissa Read/Uni Ulm