Auf James Bonds Spuren
Ulmer Studenten sensibilisieren per Videospiel für Spionageattacken
»Eine Auszeichnung, die Türen öffnet!« So bezeichnen die Studierenden Fabian Fischbach, Pascal Jansen und Daniel Hirschle den Deutschen Computerspielpreis. Im April wurde das dreiköpfige Team der Universität Ulm für das Virtual Reality-Spiel »The Social Engineer« in der Kategorie »Nachwuchspreis: Bester Prototyp« nominiert. Mit dem Preisgeld von 25 000 Euro wollen die Studierenden nun ein Start-up gründen und das Spiel bis zur Marktreife weiterentwickeln.
Sich in den Abstellraum des Großunternehmens schleichen, als Putzkraft verkleiden und dann beim »Abstauben« im Design-Büro den streng geheimen Entwurf des unveröffentlichten Produkts stehlen. Genau das tut die Spielfigur im Virtual Reality-Spiel »The Social Engineer«. Ausgestattet mit VR-Brille und Controllern taucht die Nutzerin oder der Nutzer tief in das Geschehen ein und wird so Teil des Computerspiels. Das Ziel: die User besonders gut für die Gefahren sensibilisieren, die von so genannten Social Engineers ausgehen. Denn diese Spione kundschaften ihre Opfer ganz persönlich aus, um an geheime Informationen oder Daten zu gelangen. Genau das will das Serious Game »The Social Engineer« – eine Art Lernsoftware – der drei Ulmer Studenten verhindern.
Die Idee für das Spiel kam den Medieninformatikstudenten Fabian Fischbach und Pascal Jansen beim Master-Projekt »User-Centered Design for Interactive Systems« des Instituts für Medieninformatik. Später stieß noch der angehende Wirtschaftsmathematiker Daniel Hirschle zum Team. Dass die Gefahren von Social Engineering noch immer unterschätzt werden, weiß auch Professor Enrico Rukzio, Leiter der Arbeitsgruppe Mensch-Maschine-Interaktion am Institut für Medieninformatik und bezieht sich dabei auf Angaben des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien. »Bereits im Jahr 2019 war mehr als jedes fünfte Unternehmen in Deutschland von solchen Angriffen betroffen. Das fehlende Bewusstsein für Social Engineering-Attacken führt allzu oft dazu, dass diese Angriffe auch gelingen«, erläutert Rukzio, der das studentische Projekt betreut hat.
Dieses Unwissen ist ein riesiges Problem und eine Marktlücke, in die die Studierenden nun vorstoßen wollen. Nach ihrem Studienabschluss und der Nominierung für den Deutschen Computerspielpreis will das Trio ein eigenes Unternehmen gründen, um das Spiel weiterzuentwickeln und herauszubringen. »Als Firma können wir unabhängig agieren und >The Social Engineer< besser vermarkten«, sagt Pascal Jansen, der zurzeit am Ulmer Institut für Medieninformatik promoviert. Gerade arbeitet das Team an neuen Szenarien für Social Engineering-Angriffe auf Industrieanlagen. »Es soll viele neue spannende Level geben«, so Jansen weiter.
Neben der Firmengründung arbeiten die jungen Gründer daran, das Spiel marktreif zu machen. »Wir wollen jetzt sogenannte Assets zukaufen. Das sind bereits programmierte 3D-Modelle von Räumen oder Häusern oder neue virtuelle Charaktere. Zusätzlich benötigen wir schnellere Hardware. Auch die können wir mit dem Preisgeld beschaffen«, sagt Fabian Fischbach, der inzwischen ebenfalls einen Masterabschluss in Medieninformatik hat. Das Preisgeld ist das perfekte Startkapital für Firmenaufbau und Spielentwicklung – ganz im Sinne des Auslobers. Denn genau diese »künftigen Anwendungsmöglichkeiten sowohl im Gaming als auch im Serious-Learning-Bereich beflügeln die Fantasie für eine mögliche, auch kommerzielle, Weiterentwicklung des Projekts«, wie die Jury des Deutschen Computerspielpreis in ihrer Nominierung von »The Social Engineer« schreibt.
Wann das Spiel auf den Markt kommen soll, ist zurzeit noch offen. Einsatzmöglichkeiten sehen die Entwickler entweder bei Computerspielbegeisterten, die einmal selbst in die Rolle des Superspions James Bond schlüpfen wollen. Aber auch zu Schulungszwecken kann das Serious Game im großen Stil eingesetzt werden. »Wir sind an Kooperationen mit Publishern interessiert, die unser Spielkonzept überzeugt. Die Nominierung mit dem Deutschen Computerspielpreis hat uns bekannt gemacht und öffnet uns auch weiterhin Türen«, so erzählt Daniel Hirschle, der im Start-up-Team die kaufmännischen Bereiche wie Organisation und Buchhaltung verantwortet. In Zukunft, so die Vorstellung der drei Jung-Unternehmer, könnte das an der Universität Ulm entwickelte Serious Game »The Social Engineer« essenzieller Bestandteil von IT-Sicherheitsschulungen in Unternehmen werden oder diese sogar ganz ersetzen.
Der Deutsche Computerspielpreis (DCP) ist nach eigenen Angaben der wichtigste Preis für die deutsche Games-Branche – er wird seit 2009 verliehen. Die Jurys wählen nach Kriterien wie Qualität, Innovationsgehalt, Spielspaß sowie nach dem kulturellen und pädagogischen Anspruch die besten Games und die kreativsten Köpfe dahinter aus.
Text: Daniela Stang
Fotos: Pascal Jansen, DCP, Elvira Eberhardt
Video: The Social Engineer