Vom deutschlandweit einzigen Exzellenzcluster in der Batterieforschung bis zur weltweit größten Forschungsplattformen für elektrochemische Energiespeicherung CELEST: Die Ulmer Wissenschaftsstadt gilt in der Energieforschung als führend. Der gute Ruf der theoretischen Elektrochemie ist offenbar bis zu Dr. Jun Huang in China durchgedrungen – immerhin eine der führenden Nationen in der Batterieentwicklung. Als Forschungsstipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung hat sich der exzellente junge Chemiker dazu entschieden, anderthalb Jahre an seiner Wunschuniversität in Ulm zu forschen.
Für den theoretischen Chemiker Dr. Jun Huang von der Tsinghua Universität in Peking bietet die Universität Ulm die ideale Forschungsumgebung. Während sich die wissenschaftliche Arbeit zur elektrochemischen Energiespeicherung und -wandlung in seiner Heimat auf die Identifikation und Prüfung neuer Materialien konzentriert, ist die Universität Ulm traditionell stark in der theoretischen Elektrochemie. Diese wissenschaftliche Arbeit, die auch häufig abseits des Labors am Computer stattfindet, dient dazu, Vorgänge in Energiespeichern bis auf die atomare Ebene zu verstehen. Übergeordnetes Ziel sind durchdachte Designs für leistungsfähige wie nachhaltige Batterien und Brennstoffzellen, die neue Mobilitätskonzepte oder die Energiewende voranbringen. „Insbesondere in der Elektrochemie gilt die Universität Ulm als exzellente Forschungseinrichtung, an der einige erfolgreiche, mir persönlich bekannte chinesische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgebildet wurden“, erläutert Jun Huang.
Theoretische Forschung zur Brennstoffzelle
Seit November forscht der 30-Jährige am Ulmer Institut für Theoretische Chemie bei Professor Axel Groß, dessen wissenschaftliche Arbeit ihm bereits in China vertraut war. Zuvor hat Jun Huang einige Wochen bei Projektpartnern am Forschungszentrum Jülich verbracht, die er als Doktorand in Kanada kennengelernt hat. Im Zentrum von Huangs derzeitiger wissenschaftlicher Arbeit steht die Brennstoffzelle, die in Wasserstoff gespeicherte Energie in Elektrizität umwandelt. Das einzige umweltfreundliche Nebenprodukt ist Wasser. Die Wasserstoffproduktion durch elektrochemische Spaltung ist also eine wichtige Zukunftstechnologie, deren Fortentwicklung allerdings ins Stocken geraten ist. Eine Hürde ist die hohe so genannte Überspannung der Sauerstoffentwicklungsreaktion (Oxygen evolution reaction/OER) bei der Umwandlung von Wasser zu Sauerstoff und Wasserstoff. Um dieses Problem zu lösen, versuchen Forschenden weltweit, effiziente, stabile und kostengünstige Elektrokatalysatoren für die OER zu identifizieren. Metalloxide sind vielversprechende Kandidaten, doch deren katalytische Aktivität ist noch nicht ausreichend verstanden. Diese Forschungslücke will Dr. Jun Huang mit einem neuen theoretischen Modell schließen. Die besondere Herausforderung besteht darin, drei komplexe Methoden in diesem Modell zusammenzubringen (DFT-Berechnungen, Mean-Field-Beschreibung, mikrokinetische Modellierung).
Viele Überschneidungen mit den Projekten der Gastgeber
Bei Huangs anspruchsvollem Forschungsvorhaben gibt es zahlreiche Überschneidungen mit der wissenschaftlichen Arbeit der Ulmer Gastgeber im Bereich elektrokatalytische Reaktionen sowie zu Strukturen und Prozessen in Zwischenphasen. „Der Forschungsaufenthalt von Dr. Huang ist eine große Bereicherung für unsere Arbeitsgruppe. Wir gewinnen durch seine Erfahrung in der mikrokinetischen Modellierung, während er von unserer Expertise in der atomistischen Beschreibung von Prozessen und Strukturen an elektrochemischen Grenzflächen profitiert“, sagt Professor Axel Groß. Sofern es die Corona-Infektionslage zulässt, will der Forschungsstipendiat Huang zudem eine experimentell arbeitende Gruppe im spanischen Alicante besuchen, mit der es ebenfalls viele wissenschaftliche Anknüpfungspunkte gibt.
Während seines Aufenthalts in Ulm wird sich Jun Huang in einen weiteren Forschungsschwerpunkt der Universität einarbeiten: die Quantenphysik. Die Quantenwissenschaft sei der Schlüssel, um chemische Prozesse auf der Nanoebene zu verstehen. Zudem wolle er die Möglichkeit prüfen, komplexe Berechnungen in Zukunft auf einem Quantencomputer durchzuführen, so der Stipendiat.
Das Programm der Alexander von Humboldt-Stiftung kann Dr. Jun Huang, der mit seiner Ehefrau nach Ulm gereist ist, nur empfehlen: „Das Forschungsstipendium genießt einen hervorragenden Ruf. Es ermöglicht jungen Forschenden aus allen Ländern, in Deutschland zu arbeiten und ihr Netzwerk zu erweitern.“ Neben Huang sind derzeit drei weitere Humboldt-Stipendiaten und eine -Stipendiatin an der Universität Ulm zu Gast – alle in der Fakultät für Naturwissenschaften.
Einer der ersten Humboldt-Scouts an der Uni Ulm
Seit kurzem eröffnet das Henriette Herz-Scouting-Programm einen weiteren Zugang zu Humboldt-Forschungsstipendien: Als Humboldt-Scouts ausgewählte, exzellente Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler können drei internationale Talente für Forschungsstipendien in Deutschland vorschlagen. Zu den 33, von einer Jury ausgewählten Scouts, gehört der jüngst mit einem ERC Consolidator Grant ausgezeichnete Chemiker Professor Carsten Streb vom Institut für Anorganische Chemie I der Universität Ulm. Mithilfe des Scouting-Programms sollen bis zu 100 zusätzliche Stipendien vergeben werden.
„Die Ernennung zum Humboldt-Scout ist eine große Auszeichnung für die Arbeit unseres Instituts im Bereich Nachwuchsförderung. Zusammen mit unseren unabhängigen Gruppenleiterinnen Dr. Montaha Anjass und Juniorprofessorin Andrea Pannwitz werden wir ein Scouting-Gremium bilden, welches – basierend auf den Kriterien wissenschaftliche Exzellenz, Diversität und Gleichstellung – die besten internationalen Talente, darunter insbesondere Forscherinnen, auswählt.“ sagt Professor Carsten Streb. Durch die zusätzlichen Stipendien solle insbesondere die Energieforschung in den Verbundprojekten POLiS und CataLight gestärkt werden.
Zum Humboldt-Forschungsstipendium
Überdurchschnittlich qualifizierte Postdocs oder erfahrene Forschende können sich um ein Humboldt-Forschungsstipendium bewerben. Die Förderung ermöglicht es ihnen, ein wissenschaftliches Projekt an einer deutschen Forschungseinrichtung ihrer Wahl durchzuführen. Das Stipendium für Postdocs kann für eine Dauer von bis zu 24 Monaten beantragt werden (erfahrene Forschende: 18 Monate). Die monatliche Unterstützung beläuft sich von 2670 Euro (Postdocs) bis 3170 Euro (erfahrene Forschende). Dazu kommen ggf. Familienzulagen und Reisekostenzuschläge. Neben dem Stipendienbetrag werden die Gäste in Deutschland persönlich betreut. Auch nach dem Forschungsaufenthalt bleiben sie Teil des Humboldt-Netzwerks.
Text und Medienkontakt: Annika Bingmann