Deutsche Weibchen der roten Mauerbiene, einer in Europa weit verbreiteten Wildbienenart, verschmähen englische Männchen. Schuld ist nicht nur die für Bienen kaum überwindbare Distanz zwischen den Ländern. Es sind vielmehr unterschiedliche Vibrationsmuster, die von den Männchen während des Balztanzes erzeugt werden. Dies fanden die Ulmer Biologen Dr. Taina Conrad und Professor Manfred Ayasse vom Institut für Evolutionsökologie und Naturschutzgenomik der Uni Ulm heraus. Als ersten Schritt führten die Wissenschaftler Paarungsversuche zwischen Bienen aus Deutschland, England und Dänemark im Labor durch. Aus früheren Studien wussten die Biologen bereits, dass bei den roten Mauerbienen das Weibchen entscheidet, mit wem es sich paart und es dafür besonders starke und gut riechende Männchen bevorzugt. Die neue Untersuchung zeigte nun zudem, dass die weiblichen Bienen sich vor allem für Paarungspartner aus dem eigenen Land entscheiden. Fast nie waren Paarungsversuche zwischen zum Beispiel englischen und deutschen Tieren erfolgreich.
Doch woher wissen die Bienenweibchen, woher ihr Auserwählter stammt? Die Ulmer Forscher vermuteten, dass dafür die Vibrationssignale der Männchen verantwortlich sein könnten: „Möglicherweise sind die Muster von Region zu Region unterschiedlich, vergleichbar mit Dialekten einer Sprache.“ Vielen Insekten dienen Vibrationen als wichtiges Medium für die Kommunikation untereinander, insbesondere beim Balzverhalten. Vibrationen, die von den Bienenmännchen mit ihren Flugmuskeln erzeugt werden, sind für Weibchen über den direkten Körperkontakt spürbar. Dauer der Vibrationen und Verzicht auf lange Pausen signalisieren hierbei, dass ein Männchen besonders ‚fit‘ ist und einen guten Fortpflanzungspartner abgibt. „Wir waren sehr überrascht, dass Bienen die Vibrationssignale nicht nur als Hinweis auf die ‚Fitness‘ des Männchens nutzen, sondern offenbar auch als Information, woher es stammt”, sagt Conrad. „Wir haben nicht erwartet, eine derart komplexe Information in den Signalen enkodiert zu finden.“ Um ihre Vermutung zu überprüfen, führten die Forscher die Bienen in einem zweiten Schritt hinters Licht: Auf dem Rücken der Männchen befestigten sie jeweils einen kleinen Magneten, der mithilfe eines elektromagnetischen Feldes aus einer Spule zum Schwingen gebracht wurde. Dadurch vibrierte das Männchen jetzt im vorab aufgezeichneten Rhythmus eines seiner europäischen Artgenossen. Es nahm also einen fremden „Dialekt“ an. Der individuelle Duft und Verhalten des Männchens wurden nicht beeinflusst.
„Glücklicherweise setzten die Männchen während des Experiments die eigenen Vibrationen aus”, sagt Professor Ayasse. „Dadurch waren die vom Magneten erzeugten Schwingungen tatsächlich identisch mit den aufgezeichneten.“ Dieser Effekt war sogar so stark, dass deutsche Bienenweibchen nun auch englische Männchen zur Paarung zuließen und englische Weibchen deutsche Männchen, wenn diese im eigenen „Dialekt“ vibrierten. Dies wirft ein völlig neues Licht darauf, wie Bienen miteinander kommunizieren und zeigt: Vibrationen enthalten mehr Informationen als bisher angenommen. Kommende Studien sollen Aufschluss unter anderem darüber geben, welche Elemente der Vibrationsmuster die regionale Herkunft verraten.
Literaturhinweis:
Conrad and Ayasse, The Role of Vibrations in Population Divergence in the Red Mason Bee, Osmia bicornis, Current Biology (2015)
Hintergrundinformation:
Die rote Mauerbiene (Osmia bicornis) ist eine in Europa weit verbreitete Wildbienenart. Sie fliegt sehr früh im Jahr und bestäubt äußerst effizient Blüten wie die der Äpfel vom Bodensee: Eigenschaften, die besonders Obstbauern an dem Insekt schätzen. Zunehmend werden Exemplare der Bienenart deshalb für die kommerzielle Bestäubung von Obstbäumen genutzt. Damit einher geht der Handel mit Bienenkokons, die europaweit verschickt werden. Ein Aufeinandertreffen zwischen deutschen, englischen und anderen europäischen Subgattungen der roten Mauerbiene ist damit nicht mehr ausgeschlossen.
Weitere Informationen:
Dr. Taina Conrad, Tel. 0731/49240092, taina.conrad(at)uni-ulm.de
Prof. Dr. Manfred Ayasse, Tel. 0731/50-22663, manfred.ayasse(at)uni-ulm.de
Text und Medienkontakt: Marieke Behnel / eb