Wenn Fledermaus-Mütter ihre Jungtiere füttern, geben sie nicht nur Nahrung, sondern offenbar auch überlebenswichtige Informationen zur Jagdstrategie und über das Beutespektrum weiter. Zu diesem Schluss kommen Biologinnen um Inga Geipel und Dr. Mirjam Knörnschild (Institut für Experimentelle Ökologie Uni Ulm) in ihrem Fachbeitrag für das Journal „Animal Behaviour“. Überhaupt konnten die Wissenschaftlerinnen erstmals zeigen, dass eine Fledermausart, die kleine Großohrfledermaus (Micronycteris microtis), ihren Nachwuchs nach der Entwöhnung mit fester Nahrung versorgt.
Auf Barro Colorado Island in Panama haben die Forscherinnen über mehrere Monate fünf Mutter-Kind-Paare der verbreiteten Fledermausart mit einer Infrarotkamera in ihrem Nachtquartier gefilmt. Um die familiäre Zuordnung bei der Auswertung des Bildmaterials zu erleichtern, hatten sie betroffene Fledermaus-Gruppen zuvor eingefangen und mit Blondierungscreme markiert. Die kleine Großohrfledermaus lebt in sozialen Gruppen von drei bis zehn Tieren. Weibchen bringen typischerweise einmal jährlich im Mai ein Junges zur Welt, das dann für einige Wochen gesäugt wird. „Die Videoaufnahmen zeigen, dass Muttertiere ihren eigenen Nachwuchs bis zu fünf Monate nach dem Abstillen mit intakten Insekten versorgen. Teilweise überbringen sie dem Jungen mehr als die Hälfte ihrer Beute“, fasst Inga Geipel zusammen. Die kleinen Fledermäuse werden also noch mit erwachsenentypischer Nahrung gefüttert, wenn sie selbst schon flugfähig sind und jagen können. Allerdings nimmt die mütterliche Beuteübergabe mit steigendem Alter des Jungtiers ab.
Warum also der Aufwand? Die Biologinnen vermuten, dass Fledermaus-Mütter ihren Jungen bei der Nahrungsübergabe charakteristische akustische Echobilder beibringen. Die Jagdstrategie der kleinen Großohrfledermaus ist nämlich sehr komplex: In der dichten Vegetation des neotropischen Regenwaldes, die viele Störechos zurückwirft, spüren die nachtaktiven Säuger laut- und bewegungsarme Insekten ausschließlich mittels Echoortung auf. Die entsprechenden akustischen Echobilder wollen also gelernt sein. Von Micronycteris microtis ist übrigens nicht bekannt, dass Jungtiere die Eltern beim Jagen begleiten und auf diese Weise wichtige Strategien einüben.
Ein weiterer Grund für die Beuteübergabe könnte ganz praktischer Natur sein: Für unerfahrene Jungtiere ist der Umgang mit relativ großen und wehrhaften Insekten schwierig. Auf dem Speiseplan der Fledermäuse, die im Erwachsenenalter etwa fünf bis sieben Gramm wiegen, stehen unter anderem Libellen, Heuschrecken oder Motten. Womöglich vermitteln Fledermaus-Mütter ihren Jungen also „Tischmanieren“.
Bei ihrer Studie wurden Inga Geipel und Dr. Mirjam Knörnschild, Wissenschaftlerinnen am Ulmer Institut für Experimentelle Ökologie, sowie Katja Wallmeyer (Institut für Evolution und Ökologie, Universität Tübingen) vom Smithsonian Tropical Research Institute in Balboa, Panama, unterstützt. An dem Fachbeitrag hat außerdem die inzwischen verstorbene Ulmer Biologie-Professorin Elisabeth Kalko mitgewirkt.
Weitere Informationen:
Inga Geipel: 0731/50 22686, inga.geipel@uni-ulm.de
Dr. Mirjam Knörnschild: 0731/50 22691, mirjam.knoernschild@uni-ulm.de
Inga Geipel, Elisabeth K.V. Kalko, Katja Wallmeyer, Mirjam Knörnschild: Postweaning maternal food provisioning in a bat with a complex hunting strategy. Animal Behaviour. http://dx.doi.org/10.1016/j.anbehav.2013.03.040