Am Bildschirm schneidet ein Wissenschaftler mit der Computer-Maus einzelne Zellen aus einem Gewebeschnitt. Was aussieht wie eine Spielerei mit einem professionellen Bildbearbeitungsprogramm ist in Wirklichkeit eine ungemein praktische und effektive Methode zur Gewinnung von reinem biologischen Probenmaterial. Möglich macht dies das neue "Laser Microdissection" System, das Ende Juni an der Universität Ulm feierlich eingeweiht wurde, bestehend aus einem Mikroskop mit hoher optischer Auflösung und einer hochpräzisen Laserschere.
Die Gerätschaften - es handelt sich dabei konkret um ein "PALM MicroBeam"-System von Carl Zeiss - stehen als neue Core Facility der Medizinischen Fakultät allen Arbeitsgruppen der Universität und des Klinikums zur Verfügung, können aber auch von externen Einrichtungen genutzt werden. "Damit lassen sich auf mikroskopischer Ebene nicht nur einzelne Zellen oder Zellbestandteile für weitere molekulargenetische Untersuchungen isolieren, sondern auch subzelluläre Strukturen wie zum Beispiel Chromosomen für die Probengewinnung selektieren", erklärt Professor Stefan Britsch. Der Direktor des Institutes für Molekulare und Zelluläre Anatomie leitet die Core Facility Laser Microdissection an der Universität Ulm und hat die Anschaffung des Gerätes auf den Weg gebracht.
Hochpräzise, berührungslos und schonend
Das Verfahren, das auf modernster Lasertechnologie basiert, funktioniert hochpräzise, berührungslos und schonend. Ein Laser schneidet aus dem Probenmaterial - dies können Gewebeschnitte aber auch lebende Zellkulturen sein - die gewünschten Gewebe- und Zellbereiche aus. Dann wird das ausgeschnittene biologische Material mit einem einzigen Laserpuls berührungslos vom Objektträger in ein Auffanggefäß "katapultiert". Die Wellenlänge des verwendeten UV-Lasers liegt mit 355 nm in einem Bereich, der für lebende Systeme unschädlich ist. Es entsteht dabei auch keine Hitze, die dem biologischen Probematerial schaden könnte. Lediglich dort, wo der ultradünne Laserschnitt selbst erfolgt, wird präzise Material entfernt. Der Laserstrahl wird dabei optisch so exakt gebündelt, dass Bearbeitungsgenauigkeiten von unter einem Mikrometer (1 µm = 1x10-6) erreicht werden. "Mit dieser Methode lassen sich Hochleistungsmikroskopie und molekulargenetische Analyse ideal miteinander verbinden, gerade auch für Hochdurchsatz-Analysen", so Dr. Ulrich Sauer, Senior Specialist im ZEISS Microscopy Customer Center Europe, Oberkochen, bei der Vorstellung des Gerätes. Zu Gast bei der feierlichen Einweihung war zudem Professor Thomas Deller von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, der in seiner key note lecture über adaptive Prozesse des geschädigten Gehirns sprach.
Die laserbasierte Mikrodissektion, so der deutsche Begriff, hat sich insbesondere in der Tumorbiologie etabliert, und zwar zur spezifischen Isolation und Charakterisierung von Tumorzellen. Doch auch in anderen medizinischen Disziplinen sowie in der biomedizinischen Grundlagenforschung erlangt diese Methode mehr und mehr Bedeutung. Denn damit lassen sich hochreine biologische Isolate gewinnen, die anschließend biochemisch untersucht oder gegebenenfalls sogar kultiviert werden können.
Zehn weitere Institute und Kliniken haben den DFG-Geräteantrag unterstützt
Finanziert wurde die Anschaffung zu gleichen Teilen von der Medizinischen Fakultät der Universität Ulm sowie von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Hierfür war bei der DFG von Professor Britsch eigens ein erfolgreicher Antrag für Forschungsgroßgeräte gestellt worden, der von zehn weiteren Instituten und Kliniken aus der Ulmer Universitätsmedizin und den Naturwissenschaften unterstützt und mitgetragen wurde. Beforschen wollen die erfolgreichen Antragsteller mit der neu angeschafften Gerätschaft grundsätzliche Fragen zur Entstehung des Nervensystems, zur Entwicklung von Organen wie Gehirn oder Herz, aber auch zur Geweberegeneration, Frakturheilung und Stammzellalterung. Zudem sollen auf zellulärer und molekularer Ebene Tumorerkrankungen und Krebsentstehungsprozesse untersucht werden, genauso wie spezielle Herzkrankheiten und Proteinfaltungserkrankungen.
"Dank hoher optischer Auflösung, modernster Bildgebungstechnologie und hochpräziser Laser lassen sich Einzelzellen oder spezielle Zellpopulationen für weitere molekulargenetische Untersuchungen gezielt isolieren. Mit den so gewonnenen biologischen Proben können später beispielsweise genetische oder epigenetische Steuerungsmechanismen gewebe- und zelltypspezifisch aufgeklärt werden", erläutert Dr. Christoph Wiegreffe, Wissenschaftler am Institut für Molekulare und Zelluläre Anatomie und Ansprechpartner für die neue Core Facility. An der Universität und dem Klinikum Ulm forschen bereits einige Arbeitsgruppen mit dieser innovativen Technologie, doch das neu angeschaffte LMD-System soll nun von allen Wissenschaftlern auf dem Campus sowie von externen Einrichtungen auf Anfrage genutzt werden können.
Fotos: Elvira Eberhardt / kiz
Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann