René in Göteborg
In meinem letzten Semester im Master Computational Science and Engineering hatte ich die Möglichkeit, mein Erasmus-Auslandssemester in Göteborg zu verbringen. Im Studienplan hatte ich noch Wahlfächer offen. Ich wollte unbedingt in den Norden, weil ich zum einen die Natur und das Klima im Norden liebe und zum anderen die Kultur und die Lehre dort kennenlernen wollte. Außerdem ist die allgemeine Verständigung auf Englisch ein großer Pluspunkt für Schweden. Da es mein Studienplan nicht anders zuließ, musste ich im Wintersemester gehen, was für mich aber kein Problem sein sollte. Schließlich hoffte ich auf Polarlichter und eine zauberhafte, eisige Natur. Von früheren Studierenden wusste ich, dass Göteborg besonders interessant sein sollte, also bewarb ich mich dort. Das Herbstsemester hat den Nachteil, dass es bis Ende Oktober noch schöne und warme Tage gibt und es ab November kälter, rauer und dunkler wird, aber die Schweden wissen, wie man die Zeit bis zum Ende des Jahres so angenehm wie möglich gestaltet. In der Vorweihnachtszeit merkt man die Dunkelheit kaum, ganz Göteborg ist bunt beleuchtet. Ich hatte das Glück, einen Platz in Göteborgs größtem Studentenwohnheim Olofshöjd zu bekommen.
Göteborg liegt ziemlich gut, vor allem für Studierende, die verschiedene skandinavische Städte in verschiedenen Ländern entdecken möchten, Oslo, Stockholm und Kopenhagen sind nicht weit entfernt. Aber auch in Göteborg selbst gibt es viel zu entdecken. Rund um Göteborg und besonders in der Nähe des Wohnheims gibt es viele Möglichkeiten für Wanderungen in der Natur und die vielen kleinen Inseln, jede mit ihrem eigenen Charme, laden zu Ausflügen ein. Die vielen Seen laden zum Baden (auch im Winter) oder Schlittschuhlaufen ein. Kulturell hat Göteborg viel zu bieten, viele schwedische Veranstaltungen finden im Slottskogen statt, einem großen Park mitten in der Stadt, in dem auch Tiere leben. Nicht weit davon entfernt liegt der wunderschöne Botanische Garten, in dem sich viele Studierende treffen und der zu jeder Jahreszeit einen Besuch wert ist. Das ganze Jahr über gibt es eine Buchmesse, ein Filmfestival und viele andere spannende Veranstaltungen. Viele kleine und große Geschäfte laden zum Shoppen ein und die zahlreichen Cafés mit traditionellem schwedischem Gebäck sind der ideale Ort zum Ausruhen, Lernen oder für eine traditionelle Fika.
In Göteborg ist der Austausch etwas komplizierter, da der Austausch über die Universität Göteborg (GU) läuft, aber alle angebotenen Fächer an der Chalmers University of Technology stattfinden. Der Austausch selbst ist mit der naturwissenschaftlichen Fakultät. Dieser Umstand hat mir sehr geholfen, da in der Fakultät für Informatik, in der ich ursprünglich eingeschrieben war, nicht genügend Betreuer zur Verfügung standen, so dass ich für meine Masterarbeit in die besser organisierte Fakultät für Mathematik wechseln konnte. Die zweigeteilten Semester sind eine Umgewöhnung. In einer Woche gibt es mehr Vorlesungen und mehr Stoff als in Deutschland. Der Stoff ist oft einfacher. Nach der Hälfte eines Semesters (Ende einer study period) werden Prüfungen für die Fächer der study period geschrieben. In der ersten study period hatte ich nur Artifial Neural Networks als Kurs, da ich mehr Freizeit haben wollte, solange es noch warm war. In der zweiten study period hatte ich Computational Methods in Bioninformatics und Advanced Simulation and Machine Learning.
Ich habe während meines Aufenthalts viel Zeit in meinem Wohnheim Olofshöjd verbracht, da ich dort viele Freundschaften geschlossen habe und das Wohnheim sehr viele verschiedene Events anbietet, sodass es relativ einfach ist Anschluss zu finden und viel mit Leuten zu Unternehmen, wie zum Beispiel Brettspiel-, Film-, Strick- und Häkelabende. Im Wohnheim gibt es ein Café, einen Musikraum, eine Sporthalle, zwei Saunen, einen Movieroom, eine Werkstatt, einen Arts and Craftsroom und noch einiges mehr.
Neben den ganzen Feierlichkeiten zu 400 Jahre Göteborg, welche mich im Herbst begleitet haben, waren für mich vor allem Lucia und Valborg. Ich kann jedem empfehlen an Lucia in eine Kirche zu gehen (meist früh morgens) oder eines der Weihnachtskonzerte von Chalmers zu besuchen, es ist einfach wahnsinnig berührend und ein unvergessliches Erlebnis. Valborg, der Tag der Studierenden ist auch eine besondere Erfahrung. Mittags treten verschiedene Musik und Tanzgruppen im Trädgården auf, abends ist die traditionelle Cortégen, an der ganz Göteborg den Chalmers Studierenden dabei zusieht, wie sie mit Mottowagen die Gesellschaft kritisiert. Ein weiteres Highlight war für mich das Klätterlabbet, eine Kletterhalle, die noch auf dem Campusgelände des Chalmers Campus auf dem Johanneberg liegt.
Die größte Reise war die von der Studierendenorganisation geplante Reise nach Lappland. Es war eine wunderschöne Erfahrung, die ich so schnell nicht vergessen werde! Das Nahverkehrsticket von Göteborg hat drei Zonen und mit der dritten kommt man schon sehr weit und kann viele schöne Regionen und Städte sehen. Gerade zum Wandern eignet sich dies Optimal. Einer der besten Tage war eine Reise nach Vänersborg an den größten See Schwedens. Es war ein klarer Wintertag mit viel Schnee und einer einmaligen Atmosphäre, gerade, als wir während des Sonnenuntergangs wilde Elche im Wald gesehen haben. Die Stimmung war magisch und als es dann am Abend noch Polarlichter gab, war der Tag perfekt. Generell waren die meisten Reisen sehr schön und ich habe gelernt, dass es sich lohnt ja zu sagen, wenn es darum geht eine Reise zu unternehmen, da meine Spontanität mir die schönsten Erlebnisse beschert hat.
Ein Auslandssemester ist das Beste, was mir in meinem Studium passieren konnte. Ich habe so viele neuen Dinge ausprobiert, so viele neue Menschen kennengelernt, viele neue Blickwinkel auf Dinge bekommen, über die ich nie nachgedacht hätte und mit verschiedenen Kulturen gekocht und geredet. Das Auslandsstudium hat mir geholfen zu verstehen, wo ich nach dem Studium hinmöchte, es hat meinen Blick für Dinge erweitert, die mir nie in den Sinn gekommen wären (PhD im Ausland) und trotz mancher Schwierigkeiten war es das schönste, was ich während meiner Studienzeit erleben durfte.
René