Der Aktuar der 4. Generation
Ist die Anwendung immer komplexerer mathematischer Modelle Segen oder Fluch für die moderne Wirtschaft? Diese Frage wird seit Ausbruch der Finanzkrise immer wieder gestellt und hitzig diskutiert. Dabei ist die Antwort eigentlich ganz einfach: Die Mathematik erlaubt uns, die Wirklichkeit, die uns umgibt, vereinfachend in Modellen zu beschreiben und diese Modelle dann exakt zu analysieren. Für die Analyse komplexer Sachverhalte ist sie damit ein unerlässliches Hilfsmittel, ohne welches verlässliche Erkenntnisse über Wirkungsmechanismen häufig nicht möglich wären. Dies ist die einzigartige Stärke der Mathematik und hierin liegt ihre große Bedeutung in der Welt von heute begründet. Aber gleichzeitig liegt hierin auch die zentrale Einschränkung ihrer Bedeutung: Sie ist nämlich genau das – ein Hilfsmittel. Mathematische Modelle und ihre Ergebnisse sind eben gerade nicht die Realität, sondern nur eine vereinfachte Beschreibung. Ihre Übertragung auf reale Gegebenheiten und die daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen, die dann zu Entscheidungen im unternehmerischen, politischen und gesellschaftlichen Kontext führen, sind zentrale Aufgabe des Menschen. Dieser kann und sollte sich dabei quantitativer Analysen bedienen, aber deren Interpretation, die Abschätzung möglicher Konsequenzen und Folgen, die Einschätzung der Grenzen für die Anwendbarkeit des jeweiligen Modells bedarf seines Sachverstandes und seines gesunden Menschenverstandes. Wenn mathematische Ergebnisse auf praktische Fragen „blind“ angewendet werden, können sie sich tatsächlich als völlig unbrauchbar erweisen.
Welche Konsequenzen ergeben sich nun aus dieser Erkenntnis!
Zum einen ist dies der Bedarf an mehr „mathematical literacy“. Entscheidungsträger auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft müssen die Bedeutung und die Grenzen der Mathematik verstehen und jeder von ihnen sollte über ausreichend mathematisches Verständnis verfügen, um quantitative Analysen und Ergebnisse in ihrer Bedeutung für seine täglichen Entscheidungen einschätzen und hinterfragen zu können.
Zum anderen ist es auch originäre Aufgabe des Mathematikers, die Ergebnisse und Grenzen seiner Modelle verständlich (insbesondere auch für Nicht-Mathematiker) darstellen und interpretieren zu können.
Zentraler Aspekt dabei ist ein grundlegendes Verständnis davon, wie Modelle richtig in unternehmerische Prozesse und Entscheidungsfindungen integriert werden. Wer das Zusammenspiel von Mathematik und Prozessmanagement nicht versteht und beherrscht, wird den künftigen Herausforderungen nicht gewachsen sein.
Die Universität Ulm hat auf diese Herausforderung schon vor einiger Zeit reagiert und ihr Ausbildungskonzept auf den Aktuar der 4. Generation ausgerichtet. Neben der Vermittlung aller wesentlichen mathematischen Kenntnisse und Fähigkeiten finden sich in unserem Lehrprogramm eigene Veranstaltungen zu Prozessmanagement und –organisation (für Versicherungen und Risikomanagement). Flankiert werden diese durch Veranstaltungen zum Thema Kommunikation für Aktuare, da auch die anschauliche Vermittlung mathematischer Ergebnisse eine keineswegs einfache Aufgabe ist.
Mit diesem innovativen Ausbildungskonzept hat Ulm international eine Vorreiterrolle übernommen - hin zu einer ganzheitlichen Ausbildung für Aktuare.