Von 'Data-Analysten', Datenschätzen und der digitalen Zukunft
UFW-Fachtagung im Zeichen von Big Data und Industrie 4.0

Ulm University

"Geben Sie Ihre Daten frei und lassen Sie andere kreativ damit arbeiten!", lautete der provokante Appell von Dr. Dirk Hecker. Der Geschäftsführer der Fraunhofer-Allianz Big Data war als Hauptredner zu Gast bei der Fachtagung des Ulmer Forums für Wirtschaftswissenschaften (UFW e.V.) an der Universität Ulm. Mit dieser jährlichen Veranstaltung - organisiert von Professor Kai-Uwe Marten, dem Leiter des Instituts für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung sowie der UFW-Vorstandsvorsitzenden Professorin Brigitte Zürn - tritt das UFW mit Unternehmern aus der Region in Dialog.

 Vor 170 Gästen, darunter sowohl Praktiker als auch Studierende, sprach der Informatiker Hecker zu den Herausforderungen und Chancen von Industrie 4.0 und Big Data. Viele kleinere und mittlere Unternehmen fühlten sich dadurch unter Druck gesetzt, weil sie einerseits ahnten, welches Potential die Digitalisierung von Unternehmensprozessen für die Optimierung von Produktionsprozessen und die Effizienzsteigerung habe, andererseits bei der Umsetzung zahlreiche Hindernisse auftreten. Diese reichten von fehlenden Best-Practice-Beispielen über unklare Datenschutzregelungen bis hin zu den fehlenden Fachkräften. Ein weiteres Problem: "Alle reden über 'Big Data' und 'Industrie 4.0', aber jeder versteht darunter etwas anderes", so Hecker. Im Sinne der Fraunhofer-Allianz definiert der Big-Data-Experte den Begriff über drei Merkmale und damit verbundene Herausforderungen. Dazu zählte er neben dem riesigen Volumen der Daten deren Unterstrukturiertheit und die Schnelligkeit, mit der neue Daten entstehen. Bei dem Begriff Industrie 4.0 geht es hingegen speziell um die Digitalisierung von Unternehmensprozessen

Neue Geschäftsmodelle durch "Big Data"

 Als Vertreter einer stark anwendungsorientierten Forschungseinrichtung rief der Datenforscher die Zuhörer auf, die Chancen zu ergreifen, die Big Data für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Produkte biete. Großunternehmen wie Rolls Royce praktizierten "Industrie 4.0" beispielsweise zur proaktiven Wartung ihrer sensorbestückten Flugzeugtriebwerke, wodurch nicht nur die Triebwerkslaufzeiten erhöht werden konnten, sondern auch neue Geschäftsmodelle geschaffen wurden. Über ein "power by the hour"-Konzept verleast der Konzern die reine Antriebsleistung, anstatt die Technik zu verkaufen. Ein eher spielerisches Beispiel kam aus dem Sport. So rechnet Dr. Dirk Hecker fest damit, dass bereits bei der nächsten Fußball-WM die Bandenwerbung mit virtuellen Inhalten bespielt wird, die sich von Land zu Land unterscheiden und möglichweise sogar persönlich auf bestimmte Konsumentengruppen zugeschnitten sind.

 Überhaupt sei vielen nicht bewusst, welch kostbare Datenschätze weltweit noch zu heben seien. "Konzerne wie Google, Apple und Facebook haben das längst erkannt, doch in Deutschland drohe man diese Entwicklung zu verschlafen", warnt Hecker. Ein großes Wettbewerbshindernis sei dabei der Fachkräftemangel. Mit dem Data Scientist etabliere sich ein neues Berufsbild, das schon jetzt extrem nachgefragt sei. Gefragt seien in den Betrieben auch Positionen, die als Chief Data Officer die Datenverantwortung trügen sowie qualifikationsübergreifende Data Scientist Teams aus Analysten und Datenschutzexperten. "Glauben Sie mir! Der 'Data Scientist' ist der 'sexiest job' dieses Jahrhunderts", meint Hecker. Doch auch für "Industrie 4.0"-Spezialisten aus den Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften seien die Arbeitsmarktchancen bestens.

Die Universität Ulm liefert Fachkräfte für die Herausforderungen der digitalen Zukunft

 Dass die Universität Ulm bei der Bereitstellung von qualifizierten Fachkräften eine Schlüsselrolle spielt, hatte bei der Begrüßung bereits Universitätspräsident Professor Michael Weber betont. So biete die School of Advanced Professional Studien (SAPS) mit dem berufsbegleitenden Studiengang "Business Analytics" einschlägige Fortbildungsmöglichkeiten für Wirtschaftswissenschaftler und Ingenieure, die sich auf diesem zukunftsweisenden Gebiet fortbilden wollten. Und auch in der Forschung zu den Herausforderungen von Big Data oder Industrie 4.0 ist die Universität mit ihren Fachbereichen bestens aufgestellt. "Themengebiete wie 'Data Analytics' können nur im erfolgreichen Zusammenspiel von Informatikern, Ingenieuren und Wirtschaftswissenschaftlern erfolgreich beforscht werden", so der Medieninformatiker Weber. Und schon jetzt profiliere sich die Uni mit Forschungsschwerpunkten wie der Mensch-Maschine-Interaktion und dem Automatisierten Fahren, in denen Bereiche wie Cognitive-Computing, Sensorik und Prozessmanagement zusammengeführt werden.

Die Fachtagung läuft in diesem Jahr in einem komplett überarbeiteten Format

 Neu aufgelegt wurde die diesjährige Veranstaltung in einem komplett überarbeiteten Format. So wurden im Anschluss an den Hauptvortrag drei vertiefende Gesprächskreise angeboten. Im Fachgespräch I wurden Aspekte von Industrie 4.0 und Big Data im Kontext von Bereichen wie Produktion und Vertrieb thematisiert. Geladen hierzu waren insbesondere Unternehmensvertreter, die nach den Impulsreferaten von Martin Sieringhaus von Voith Digital Solution und Tilo Klüh von der Firma MHP, einer zu Porsche gehörenden Management- und IT-Beratungsgesellschaft.

An Wirtschafsprüfer, Steuerberater, Unternehmensberater und Rechtsanwälte richtete sich Fachgespräch II, das von Dr. Klaus-Peter Feld vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. sowie dem Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Professor Jens Poll bestritten wurde. Hierbei ging es um die jeweiligen berufsspezifischen Herausforderungen, die sich für die unterschiedlichen Berufsgruppen mit Fragen rund um das Thema Industrie 4.0 ergeben.

Fachgespräch III, geführt von Claudia de Andrés-Gayón von der Deutschen Bahn AG und Professor Mischa Seiter von der Universität Ulm, richtete sich vor allem Hochschulvertreter als auch an Unternehmen, hier insbesondere aus dem Bereich Personalwesen. Im Mittelpunkt standen hierbei Fragen der Fachkräftesicherung und Hochschulausbildung.

 Das 2004 gegründete UFW, das sich die Vernetzung von Wissenschaftlern, Unternehmern und Nachwuchsforschern auf die Fahnen geschrieben hat, engagiert sich vor allem auf dem Gebiet der Rechnungslegung, Wirtschafts- und Steuerprüfung.

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann

 

Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der UFW-Jahrestagung
Referenten, Moderatoren und Teilnehmer der UFW-Jahrestagung: Vordere Reihe (v.l.): Dr. Klaus-Peter Feld, Prof. Nicole Ratzinger-Sakel, Claudia de Andrés-Gayón, Prof. Brigitte Zürn, Dr. Dirk Hecker, Prof. Jens Poll; Hintere Reihe (v.l.): Prof. Mischa Seiter, Prof. Kai-Uwe Marten, Prof. Leo Brecht, Martin Sieringhaus, Tilo Klüh (Foto: Rosa Grass)
Prof. Kai-Uwe Marten, Leiter des Instituts für Rechnungswesen und Wirtschaftsprüfung
Prof. Kai-Uwe Marten bei der Begrüßung (Foto: Rosa Grass)
Dr. Dirk Hecker von der Fraunhofer Allianz
Dr. Dirk Hecker von der Fraunhofer Allianz (Foto: Rosa Grass)
Prof. Brigitte Zürn, UFW-Vorstandsvorsitzende
Prof. Brigitte Zürn (Foto: Rosa Grass)
Claudia de Andrés-Gayón, Deutsche Bahn AG
Claudia de Andrés-Gayón im Fachgespräch (Foto: Rosa Grass)