Wenn der Autopilot aussteigt
Verbundprojekt soll Kommunikation zwischen Mensch und Technik verbessern

Ulm University

Selbstfahrende Autos sollen uns in Zukunft sicher und bequem ans Ziel bringen. Schon heute sind auf den Straßen Fahrzeuge streckenweise auf Autopilot unterwegs. Doch wenn in einer komplexen Verkehrssituation die Technik versagt, bleiben dem Menschen bislang nur wenige Sekunden, um - alarmiert beispielsweise durch einen Warnton - das Steuer zu übernehmen. Ein von Bosch koordiniertes Verbundprojekt, an dem auch Wissenschaftler der Universität Ulm beteiligt sind, widmet sich nun der Kooperativen Fahrer-Fahrzeug-Interaktion (KoFFI). Das Ziel: die Kommunikation zwischen Mensch und Technik so zu optimieren, dass solche Übergabesituationen zwischen Fahrer und Fahrzeug von beiden Seiten besser bewältigt werden können.

 Weitere Projektpartner sind Forscher der Hochschule Heilbronn (HHN), der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart, des European Media Laboratory (EML) sowie der Großindustriepartner Bosch und Daimler. Gefördert wird das dreijährige Projekt mit insgesamt 3,6 Millionen Euro, wovon 70 Prozent das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) trägt. Im Fokus steht dabei die Entwicklung eines multimodalen Interaktionssystems, das die Kooperation zwischen Fahrer und Fahrzeug zuverlässig unterstützt.

 "Mit selbstfahrenden Autos wird man vielleicht nicht schneller ans Ziel kommen, aber möglicherweise sicherer und entspannter. Dies wird allerdings nur der Fall sein, wenn der Mensch den technischen Systemen vertraut und das automatisierte Fahrzeug als Partner akzeptiert", so Professor Martin Baumann, Leiter der Abteilung Human Factors am Institut für Psychologie und Pädagogik der Universität Ulm. Der Wissenschaftler, der zu den psychologischen Grundlagen menschlichen Verhaltens im Straßenverkehr forscht, gehört mit Professor Enrico Rukzio und Professor Michael Weber, die beide am Institut für Medieninformatik zur Mensch-Maschine-Interaktion forschen, zu den Ulmer Partnern des Projektes. "Es ist wichtig, dass das automatisierte Fahren als synergetisches Gesamtsystem aus Mensch und Fahrzeug begriffen und auch wissenschaftlich so betrachtet wird. Nur auf diese Weise wird sich der technische Fortschritt auf dem Markt etablieren können", sagt Professor Michael Weber, der zudem Präsident der Universität Ulm ist. Zusammen bekommen die Ulmer Forscher rund 700 000 Euro aus dem Fördertopf.

Wenn die Technik versagt, muss der Mensch übernehmen - und umgekehrt

 Gemeinsam arbeitet das Verbundteam daran, die Kooperation zwischen Fahrer und Fahrzeug zu verbessern. Die Forscher setzen dabei auf ein multimodales Konzept zum Informationsaustausch zwischen Mensch und technischem System. Denn gleichwohl die Automatisierungssysteme immer leistungsfähiger werden, gibt es Verkehrssituationen, die sie an ihre Grenzen bringen. Dann muss der Mensch das Steuer übernehmen. "Doch dies funktioniert nur gut, wenn die Kommunikation und Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug effizient und zuverlässig abläuft und dabei auf die konkrete Entscheidungssituation zugeschnitten ist", glauben die Forscher.

 "Um dem Fahrer ein frühes Eingreifen zu ermöglichen, muss das Automatisierungsverhalten des Systems für ihn transparent und nachvollziehbar sein. Für eine kontrollierte Übergabe der Steuerung sind allerdings passende Informationsdarstellungen nötig. Diese müssen nicht nur aktuell an die Verkehrslage angepasst sein, sondern auch den Zustand des Fahrers und Fahrzeuges erfassen, und situationsgemäß entscheiden können, wann welche Informationen relevant sind und wann nicht", erläutert Baumann die Kernidee des gemeinsamen Forschungskonzeptes.

Der Fahrer muss sich schnellstmöglich einen Überblick verschaffen 

Bislang warnen moderne Fahrerassistenzsysteme, wie sie heute bereits verbaut sind, lediglich mit akustischen, haptischen und optischen Zeichen vor dem Systemausstieg. Der Fahrer muss dann manuell eingreifen und sich innerhalb weniger Sekunden einen Überblick über die Gefahrensituation verschaffen. Im hochautomatisierten Fahrzeug ist der Fahrer nicht mehr vollständig in die Fahraufgabe involviert. Damit es dem Nutzer aber dennoch gelingt, sich auch hier einen Überblick zu verschaffen, ist ein differenzierteres Interaktionskonzept notwendig. Über einen multimodalen Ansatz wollen die KoFFI-Forscher nun Displayanzeigen, Signaltöne, haptische Informationen und Sprache möglichst sinnvoll integrieren, um dem Fahrer eine möglichst schnelle und zuverlässige Orientierung zu ermöglichen.

 Damit Fahrer und Fahrzeug in Dialog treten können, braucht es letztendlich eine Kommunikationsstrategie, die grundlegende Zusammenhänge der Mensch-Maschine-Interaktion berücksichtigt. Diese muss zum einen dem Menschen und seinen kognitionspsychologischen Voraussetzungen gerecht werden und zum anderen den technischen Anforderungen, die für das Automationssystem relevant sind. Im Projekt sollen aber auch ethische, rechtliche und soziale Implikationen Berücksichtigung finden, diesem Thema widmet sich ein gesondertes Teilprojekt.

 Weitere Teilprojekte bearbeiten Fragestellungen zur grafisch-haptischen Interaktion, zur sprachlichen Interaktion, zur Fahrer-Fahrzeug-Modellierung, zur Integration des Gesamtsystems sowie zur Demonstration und Validierung des Dialogsystems im Fahrsimulator sowie im realen Fahrzeug.

Fahrer und Fahrzeug sollen zu Teamplayern werden

"Mit der von uns entwickelten Interaktionstechnologie sollen Fahrer und Fahrzeug zu Teamplayern werden, die ihr Ziel gemeinsam verfolgen. Solche multimodalen Kommunikationskonzepte könnten überall dort eingesetzt werden, wo Menschen mit hochautomatisierten Maschinen oder Fahrzeugen zu tun haben; beispielsweise in Branchen mit hoher Automation wie dem Schienenverkehr, der Schifffahrt oder der Luftfahrt", erklärt Verbundprojektkoordinator Dr. Rainer Erbach, der bei der Robert Bosch GmbH im Geschäftsbereich Car Multimedia das Thema User Experience leitet.

 

 

Text und Medienkontakt: Andrea Weber-Tuckermann

Foto Heiko Grandel
Am Fahrsimulator können die Wissenschaftler untersuchen, wie Mensch und Technik interagieren.
Foto Elvira Eberhardt / kiz
Prof. Martin Baumann
Foto: Bosch
Dr. Rainer Erbach