CASIN: Jungbrunnen für alternde Mäuse
Forschende drehen die epigenetische Uhr zurück

Ulm University

Alternsforscher aus Ulm und Barcelona haben betagte Mäuse „verjüngt“. Als „Jungbrunnen“ diente die Substanz CASIN, die das altersassoziierte Protein Cdc42 reduziert. Nach einer nur viertägigen CASIN-Therapie lebten die Mäuse etwa 10 Prozent länger als ihre unbehandelten Artgenossen. Den Forschern war es also gelungen, die epigenetische Uhr der Nager zurückzudrehen. Ihre Studie ist in der Fachzeitschrift „Aging Cell“ veröffentlicht worden.

Wie lässt sich der Alterungsprozess verlangsamen oder sogar wieder rückgängig machen? Diese Frage steht im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit von Forschenden um die Professoren Hartmut Geiger, Leiter des Instituts für Molekulare Medizin an der Universität Ulm, und Yi Zheng vom Cincinnati Children’s Hospital Medical Center (CCHMC). Zumindest für Mäuse haben die Wissenschaftler eine Antwort gefunden: Offenbar verlängert die Substanz CASIN die Lebensspanne deutlich. Die zugrunde liegenden Mechanismen beschreiben Professor Geiger und Dr. Maria Carolina Florian, Gruppenleiterin am Institut d'Investigació Biomédica de Bellvitge (IDIBELL) in Barcelona, in einer jetzt erschienenen Studie. Aus früheren Untersuchungen wissen die Forschenden, dass die Aktivität von Cdc42 in verschiedenen Organen und im Knochenmark betagterer Mäuse erhöht ist. Dieses Protein wird mit vorzeitiger Alterung und einer verringerten Lebensdauer in Verbindung gebracht. Auch im Blut älterer Menschen konnte ein deutlich erhöhtes Cdc42-Level nachgewiesen werden. Einen Hemmstoff zur Reduktion dieses altersassoziierten Proteins haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit CASIN (Cdc42-Aktivitäts-spezifischer-Inhibitor) ebenfalls gefunden. „In einer vorherigen Arbeit konnten wir bereits nachweisen, dass CASIN alte, blutbildende Stammzellen ,verjüngen‘ kann, indem die Cdc42-Aktivität reduziert wird. Nach der Behandlung funktionierten sie ebenso gut wie junge Stammzellen“, erläutert Hartmut Geiger.

Behandelte Mäuse lebten bis zu 10 Prozent länger

Nun wurde überprüft, ob eine kurzzeitige CASIN-Gabe die Lebensdauer bereits deutlich gealterter Mäuse verlängern kann. Im Experiment haben 75 Wochen alte Mäuseweibchen – dieses Alter entspricht etwa 60 bis 70 Menschenjahren – vier Tage lang alle 24 Stunden CASIN erhalten. Tatsächlich ließ sich bereits einen Tag nach Behandlungsende eine deutlich reduzierte Aktivität des altersassoziierten Proteins Cdc42 im Knochenmark der Tiere nachweisen. Der Cdc42-Spiegel der Tiere entsprach deutlich jüngeren Artgenossen. Im weiteren Studienverlauf zeigte sich: Die „pharmakologisch verjüngten“ Mäuse lebten bis zu 10 Prozent länger als ihre unbehandelten Artgenossen (durchschnittliche und maximale Lebensspanne). „CASIN ist somit eine Substanz, die die Lebensdauer der Mäuse auch dann noch verlängern kann, wenn ihr Alter bereits sehr fortgeschritten ist, und wenn der Wirkstoff nur kurzzeitig verabreicht wird“, beschreiben Geiger und Florian.

Neun Wochen nach diesem ersten Experiment haben die Forschenden in Zusammenarbeit mit Professor Wolfgang Wagner von der RWTH Aachen die so genannten epigenetischen Uhren in den Blutzellen der Tiere abgelesen. Tatsächlich zeigten sich bereits 8 bis 10 Wochen nach der CASIN-Gabe deutliche Veränderungen: Mithilfe der Substanz war es gelungen, die epigenetische Uhr der behandelten Nager um etwa 9 Wochen zurückzudrehen. Somit scheinen epigenetische Veränderungen die Hauptursache für die Langlebigkeit der Mäuse zu seien. Epigenetik bezeichnet das Zusammenspiel zwischen Umwelteinflüssen und Genen. Durch Anlagerungen von Methylgruppen an den DNA-Strang oder andere Modifikationen können Gene ein- und ausgeschaltet werden. Zudem hatten die mit CASIN behandelten Mäuse was altersassoziierte Zytokine angeht einen vergleichbaren Serum-Spiegel wie junge Tiere.

Insgesamt konnten die Forschenden untermauern, dass eine Reduktion des altersassoziierten Proteins Cdc42 das Leben älterer Mäuse verlängert. Zudem bestätigt die Studie epigenetische Uhren als Biomarker des Alterungsprozesses. Solche Marker sind sowohl für die grundlegende Alternsforschung als auch für die Erprobung neuer Therapien bei altersassoziierten Erkrankungen hilfreich.

Text undMedienkontakt: Annika Bingmann

 

Literaturhinweis:

M. Carolina Florian, Hanna Leins, Michael Gobs, Yang Han, Gina Marka, Karin Soller, Angelika Vollmer, Vadim Sakk, Kalpana J. Nattamai, Ahmad Rayes, Xueheng Zhao, Kenneth Setchell, Medhanie Mulaw, Wolfgang Wagner, Yi Zheng, Hartmut Geiger: Inhibition of Cdc42 activity extends lifespan and decreases circulating inflammatory cytokines in aged female C57BL/6 mice, Aging Cell. https://doi.org/10.1111/acel.13208

Symbolbild: Die Gelelektrophorese ist ein zentrales Laborverfahren, um verschiedene Arten von Molekülen voneinander zu trennen (Foto: Heiko Grandel / Uni Ulm)
Prof. Hartmut Geiger
Prof. Hartmut Geiger (Foto: Heiko Grandel / Uniklinikum Ulm)
Dr. Maria Carolina Florian
Dr. Maria Carolina Florian (Foto: Elvira Eberhardt / Uni Ulm)