Dazu passte zu Beginn das „Auszahlungsshanty“ Leave her Johnny, das nach einer langen Reise beim letzten Verholen eines Schiffes an seinen Liegeplatz gesungen wurde, bevor die Mannschaft von Bord ging. Es gab das ungeschriebene Gesetz, dass der Seemann am Ende der Reise seine Gefühle heraussingen konnte, seien sie auch noch so aufrührerisch. „We´ll leave her tight an we´ll leave her trim, An we´ll heave the hungry bastard in”.
Chorleiter Willi Hitzler las nach jedem Lied eine Kurzgeschichte von Elke Heidenreich vor. Sie ist mit einem Musiker befreundet, der eines Morgens im Bett behauptet hatte, der Vogel im Garten singe falsch, was uns tröstet, weil auch wir mal musikalisch daneben hauen.
Dann wurde es jazzig. Die Seeleute hatten viele Lieder der schwarzen Sklaven übernommen und so passt auch das Spiritual der schwarzen Bevölkerung der USA „When the Saints Go Marching in“ zu unserem Liedgut. Sänger, Akkordeon und Gitarre kamen ins Swingen.
Besinnlich stimmte uns „La Paloma“, das im mexikanischen Bürgerkrieg eine große Rolle gespielt hat und von Eugenia Leon - www.youtube.com/watch - bis heute eindrucksvoll gepflegt wird. La Paloma, die Taube, versinnbildlicht Hoffnung auf ewigen Frieden, Abschied, Trauer, Sehnsucht, Glaube und Trost und passt deshalb gut in die weihnachtliche Zeit.
Die Erinnerung an stimmungsvolle Segeltörns, von denen auch alle gesund zurückgekommen sind, rufen wir wach mit „Sailing…Y´heave ho! My Lads the wind blows free“. Etwas Melancholie verbreitet das Lied „Stormy Winter´s Night“, das mancherorts nach jedem Weihnachtsessen gesungen wurde. Es ist ein herzzerreißendes Liedchen, das daran erinnert, dass viele Seeleute nach oft jahrelanger, gefahrvoller Fahrt nie mehr zurück nach hause kamen. Fare well, fare well my own true love….
Nachdem Weihnachtsfeiern in Schottland 425 Jahre lang offiziell verboten waren, sangen wir in schottischem Rhythmus das Volkslied aus dem 17. Jahrhundert „I saw three ships come sailing in on Chrismas day“, bevor wir an den Schutzpatron der Seeleute, St. Nikolaus, erinnerten mit dem Lied “Ich hab ein Schiff gesehen in einer Wintersnacht“ und das mit der Bitte endet „Sankt Niklas schütze unser Boot vor Klippen, Sturm und Feuersnot und jeglicher Gefahr“, die uns auch heute noch bewusst ist.
Die Gefahr wurde greifbar mit einem Lied, das an der Wand einer Seitenkapelle von St. Jakob in Lübeck hängt neben dem kaputten Rettungsboot der PAMIR, mit dem sich als Einzige 6 junge Seeleute nach dem Untergang der PAMIR im Hurrikan am 21. September 1957 retten konnten: Das „Schifferlied zur Weihnachtszeit“ mit der Strophe „Einst in meiner letzten Not Lass mich nicht versinken. Sollt´ ich vor dem bittern Tod Well` auf Welle trinken. Reiche mir dann liebentbrannt Herr, Herr, deine Glaubenshand, Christ, Kyrie, komm zu uns auf die See!“ Berührend sicher auch in einer aufgeklärten Zeit.
Den musikalischen Teil beendeten wir mit einem der schönsten Weihnachtslieder, das von Seeleuten erzählt, die „Auf Weihnachts-Hafenwache“ auf dem Schiff Weihnachten feiern, nachdem die übrige Crew in den Heimaturlaub gegangen war, von Land her das Weihnachtslied „Leise rieselt der Schnee“ zu ihnen herüberklang und sie leise die Melodie mitsummten.
Fröhlich ging´s dann zum Ständerling mit Beiträgen aus einigen Weihnachtsbäckereien der Chormitglieder und sonstigen leiblichen Genüssen bei denen wir schöne gemeinsame Erlebnisse im zu Ende gehenden Jahr austauschen konnten.
Manfred J. Müller