7. Ulmer Humboldt-Colloquium
Thema:
"Selbstorganisation"
Termin:
11. und 12. Mai 2006
in der Villa Eberhardt, Heidenheimer Str. 80, 89075 Ulm
Der Begriff der Selbstorganisation hat seine Wurzeln in der Naturphilosophie der deutschen Klassik. Kant hat diesen Begriff zur Unterscheidung der Organismen von mechanischen Maschinen eingeführt: ein Organismus ist ein „organisiertes und sich selbst organisierendes Wesen“ (Kritik der Urteilskraft 292).
Schelling (und ihm folgend Onken) wandte ihn auf die Natur im ganzen an: „Die Natur hat ihre Realität aus sich selbst – sie ist ihr eigenes Produkt – ein aus sich selbst organisiertes und sich selbst organisierendes Ganzes“ (Erster Entwurf eines Systems der Naturphilosophie).
Unter der Bezeichnung „Gestalt“ wird der Begriff der Selbstorganisation zum Grundbegriff der Goetheschen Morphologie. Als wissenschaftliche Disziplin umfasste die Morphologie sowohl die Organismen als auch ganz besonders die Gebilde der Kunst. In ihr wird die Kunst als schöpferische Nachahmung der Natur begriffen. Die Phänomenologie hat das Konzept der Selbstorganisation zur Erklärung der intentionalen Leistungen des Bewusstseins herangezogen und die Gestaltpsychologie zum Verständnis der Form der Wahrnehmung. In den Jahren von 1960 an wurde das Konzept in einer Reihe von Fachwissenschaften zu einem wissenschaftlichen Konstrukt weiterentwickelt und erfolgreich angewandt.
Im Laufe der siebziger Jahre ist die Gleichartigkeit der Prozessstrukturen in verschiedenen Bereichen, der Kybernetik (v. Foerster), der Physikalischen Chemie (Prigogine), der Ökologie (C.S. Holling) und der Laserphysik (Haken) ins Blickfeld gerückt. Von H.R. Maturana und F. Varela wurde die biologische Strukturbildung im Begriff der Autopoiesis zu fassen versucht: Luhmann hat diesen Begriff in die Theorie der Sozialen Systeme übernommen. Die Entstehung von Ordnung durch Selbstorganisation scheint also zum möglichen Gegenstand eines transdisziplinären Forschungsprogramms avanciert zu sein. Kann die klassische Philosophie etwas zur Bearbeitung dieser Frage beitragen?
Programm
Donnerstag, 11. Mai 2006
Eröffnung durch den Sprecher des Vorstands des Humboldt-Studienzentrums Prof. Dr. Dieter Beschorner
Begrüßung durch ein Mitglied des Rektorats
Prof. Dr. Dr. h.c. Hermann Haken, Physik, Universität Stuttgart
"Selbstorganisation in physikalischen Systemen"
Prof. Dr. Hans Poser, Philosophie, TU Berlin
"System und Selbstorganisation in philosophischer Perspektive"
Prof. Dr. Dr. Dr. h.c. Bernd-Olaf Küppers, Philosophie, Universität Jena
"Selbstorganisation als Paradigma der Strukturwissenschaften"
Prof. Dr. Michael Heidelberger, Philosophie, Universität Tübingen
"Die innere Seite der Natur"
Prof. Dr. Elisabeth Kalko, Biologie, Universität Ulm
"Selbstorganisation im tierischen Verhalten"
Prof. Dr. Dr. h.c. Siegfried Schmidt, Kommunikationswissenschaft, Universität Münster
"Die Selbstorganisation der menschlichen Kommunikation"
Freitag, 12. Mai 2006
Prof. Dr. Dr. Otto-Peter Obermeier, Philosophie, Zürich
"Das Konzept der Selbstorganisation in Niklas Luhmanns späten Entwürfen seiner allgemeinen Gesellschaftstheorie"
PD Dr. Peter M. Hejl, Soziologie, Universität Stuttgart
"Selbstorganisation und Selbstregelung sozialer Systeme"
Prof. Dr. Rudolf Stichweh, Soziologie, Wissenschaftskolleg Berlin, Universität Luzern
"Systemtheorie der Weltgesellschaft"
Prof. Dr. Klaus Kornwachs, Philosophie, Universität Cottbus
"Nichtklassische Systeme und das Problem der Emergenz"
Prof. Dr. Otto Rössler, Physikalische und Theoretische Chemie, Universität Tübingen
"Selbstorganisation im ursprünglichen Sinne von Teilhard"