4. Ulmer Humboldt-Colloquium
Thema:
"Das Schöne - Ästhetik als Wissenschaft?"
Termin:
22. und 23. Mai 2003
in der Villa Eberhardt, Heidenheimer Str. 80, 89075 Ulm
Das Schöne – Ästhetik als Wissenschaft?
Kann es eine Wissenschaft vom Schönen geben, die alle seine Erscheinungsformen in Natur und Kunst, Technik und Wissenschaft und last not least in der Lebenswelt umgreift?
Theorie und Philosophie des Schönen haben sich seit dem 18. Jahrhundert unter dem Begriff der „Ästhetik „formiert. Der Wortbedeutung nachist die Ästhetik auf die Aisthesis, also die Sinnestätigkeit, bezogen. Ursprünglich waren die Entwürfe der Ästhetik (Baumgarten) auf die Frage nach der Funktion der Sinnlichkeit im Erkenntnisprozess fokussiert, also auf die Frage nach der „Logik“ der Sinnlichkeit (Baumgarten).
Das Schöne wird, indem es zum Thema der Ästhetik erhoben wird auf die Sinnlichkeit bezogen und durch seine Ästhetisierung zu einer nichtbegrifflichen Erfahrung der Wirklichkeit. Als das vornehmste Organ der genuinen sinnlichen Wirklichkeitserfahrung hat die Kunst gegolten. So führte der Bezug der Ästhetik auf die Kunst zu einer Ausdifferenzierung und Spezialisierung der ästhetischen Problematik allgemein. Die Ästhetik mutierte zur Theorie und Kritik der Bildhauerkunst, der Malerei, der Musik und Poetik und in diesem Zusammenhang immer auch zur Einschränkung auf die Frage nach dem Eigensinn und der Abgrenzung der verschiedenen Künste gegeneinander. Eine alle Künste umfassende Ästhetik wurde in der Philosophie des 20. Jahrhunderts mit der Frage der genuinen Wahrheit des Kunstwerks konzipiert, Unabhängig davon hat sich gerade durch die Ausdifferenzierung der Künste die Frage nach dem Verhältnis des Kunstschönen zum Leben aufgeworfen. Das Schöne im Sinne einer in welcher Weise und in welchem Medium auch immer objektivierten Aisthesis hat inzwischen unabhängig von den Künsten seinen Ort in der Lebenswelt und der Alltagswirklichkeit gefunden. Das Ästhetische scheint in der modernen Wirklichkeit allgegenwärtig zu sein, in den Formen der Populärkultur genauso wie im technischen Design. Unsere Welt wird nach ästhetischen Gesichtspunkten gestaltet, sie wird durchgestylt – das Ästhetische ist zum Heils- und Glücksversprechen avanciert. Auch die Selbstdarstellung des Menschen unterliegt ästhetischen Gesichtspunkten. Wer schön ist, passt in diese Welt und ist erfolgreich. Eingesteigertes Körperbewusstsein ist in unserer Zeit zu konstatieren – noch nie wurde so viel Wert auf Körperhygiene gelegt und die Schönheitschirurgie hat Konjunktur.
Die allgemein zu konstatierende Ästhetisierung der Lebenswirklichkeit ist ganz offensichtlich nicht ohne Rückwirkung auf die Künste geblieben. So wird die Ästhetisierung der Malerei problematisiert und im Zusammenhang damit das Ende der Malerei als einem Medium der Entfaltung der Sinnlichkeit ausgerufen.
Das ist aus der Vogelperspektive gesehen und in groben Umrissen wiedergegeben die Thematik einer am 22 und 23. Mai 2003 vom Humboldt-Studienzentrum durchgeführten Tagung. Der erste Themenbereich ist mit der Geschichte des Begriffs des Schönen befasst. Diese Geschichte wird thematisch im Vortrag von Gunther Scholtz. Hans-Klaus Keul erinnert an die klassische Ausprägung, de der Begriff des Schönen bei Kant gefunden hatte; Gerhard Schweppenhäuser und Lambert Wiesing gehen den Erscheinungsweisen des Schönen in der Lebenswelt nach. Die Aisthesis und die Ästhetisierung der Künste und der Alltagswirklichkeit wird in den Vorträgen von Bernd Guggenberger, Inge Harms und Burckhard Liebsch thematisiert. Um die mit der Ästhetisierung der Kunst zusammenhängende Problematik geht es in den Vorträgen von Dieter Rahn, Johannes Czaja, Renate Breuninger und Christel Fricke. Wolfgang Welsch und Bazon Brock geben eine Zusammenschau der in den Einzelvorträgen angeschnittenen Problemzusammenhängen.
Programm
Donnerstag, 22. Mai 2003
9.30 Uhr
Begrüßung durch den Rektor der Universität Ulm, Prof. Dr. Hans Wolff.
Eröffnung durch den Sprecher des Vorstandes des Humboldt-Studienzentrums, Prof. Dr. Dieter Beschorner
9.45 Uhr
Eröffnungsvortrag durch Prof. Dr. Gunter Scholtz, Universität Bochum:
„Der Schönheitsbegriff – sein Ende und sein Fortleben“
10.15 Uhr
Diskussion
10.30 Uhr
Kaffeepause
10.45 Uhr
Dr. Dieter Rahn, Hochschule der Künste Berlin:
„Befremdliche Schönheit. Zum Konflikt zwischen ästhetischem und bildnerischem Denken“
11.15 Uhr
Diskussion
11.30 Uhr
Prof. Dr. Bernd Guggenberger, Lessing-Hochschule zu Berlin:
„Ästhetisierung als Zeitgeistsignatur“
12.00 Uhr
Diskussion
12.15 Uhr
Mittagspause
13.45 Uhr
Dr. Ingeborg Harms, Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„Konvulsivische Schönheit: Mode als Disziplin der Posthistoire“
14.15 Uhr
Diskussion
14.30 Uhr
Dr. Johannes Czaja, Klett Cotta Verlag:
„Schweben als Seinsweise der Aisthesis“
15.00 Uhr
Diskussion
15.15 Uhr
Kaffeepause
15.30 Uhr
PD Dr. Renate Breuninger Universität Ulm:
„Heiterkeit und produktives Sehen“
16.00 Uhr
Diskussion
+++
19.30 Uhr
Abendvortrag: Prof. Dr. Bazon Brock, Gesamthochschule Universität Wuppertal:
„Das Schöne in unserer Welt - wir wollen Gott und damit Basta!“
Freitag, 23. Mai 2003
9.30 Uhr
Prof. Dr. Gerhard Schweppenhäuser: Fachhochschule Würzburg - Schweinfurt:
„Schönheit, Populismus und Populärkultur“
10.00 Uhr
Diskussion
10.15 Uhr
Prof. Dr. Lambert Wiesing, Universität Jena:
„Virtualität und Schönheit“
10.45 Uhr
Diskussion
11.00 Uhr
Kaffeepause
11.15 Uhr
PD Dr. Burckhard Liebsch, Forschungsinstitut für Philosophie, Hannover:
„Überlegungen zu einer Ästhetik des Abschieds“
11.45 Uhr
Diskussion
12.00 Uhr
Mittagspause
13.45 Uhr
PD Dr. Christel Fricke, Universität Heidelberg:
„Pa Nam Pa Nam oder das Ende der Malerei“
14.15 Uhr
Diskussion
14.30 Uhr
Dr. Hans-Klaus Keul, Universität Ulm:
„Das Glück des Schönen“
15.00 Uhr
Diskussion
15.15 Uhr
Kaffeepause
15.45 Uhr
Schlussvortrag von Prof. Dr. Wolfgang Welsch, Universität Jena:
„Ein Paradigmenwechsel?“
danach Gemeinsames Resümee mit allen Referenten
Freitag, 23. Mai 2003
20.00 Uhr
Humboldt-Studienzentrum & Stadthaus Ulm
im Stadthaus Podiumsdiskussion anlässlich des 10 jährigen Bestehens des Stadthauses:
„Ästhetik im dritten Jahrtausend“
Einführung und Moderation durch den Humboldt-Professor Prof. Dr. Wolfgang Welsch, Universität Jena
Teilnehmer:
Doktor Motte, ehemaliger Punk-Musiker, DJ und Erfinder der Berliner Love Parade
Hans-Ulrich Obrist, Kurator im Musee d´ Art moderne de la Ville de Paris und museum in progress, Wien
Dr. Elisabeth Schweeger, Intendantin des Schauspielhauses Frankfurt
Rolf W. Stoll, Chefredakteur der Neuen Zeitschrift für Musik