Zur gemeinsamen Studienreise nach Espoo brach im April 2024 eine 11-köpfige Delegation mit Vertreter*innen verschiedener städtischer Abteilungen und Bildungseinrichtungen aus Ulm auf. Ziel war es, digitale Bildungsarbeit in Finnland kennen zu lernen und mit Mitarbeitenden vor Ort in den Austausch zu treten.
Während ihres fünftägigen Aufenthalts besuchte die Ulmer Delegation verschiedene Bildungs- und Begegnungsorte in Espoo. Allerorts wurde sich immer wieder auf die sogenannte „Espoo Story“ bezogen. Espoo ist die zweitgrößte Stadt Finnlands mit 314.024 Einwohner*innen (Stand 2023), die jährlich um 5000 weitere Menschen wächst. Sie verfolgt das Ziel, bis 2030 klimaneutral zu werden. In die damit einhergehenden stetigen Veränderungen soll die Bevölkerung einbezogen werden. Deshalb entwickelte die Stadt unter digitaler Beteiligung ihrer Bürger*innen eine Strategie, die „Espoo Story“. Die „Espoo Story“ vermittelt die Vision einer verantwortungsvollen und humanen Pionierstadt, die ihren Bewohner*innen einen guten Lebens-, Lern-, Arbeits- und Unternehmensraum bietet, in dem sie aktiv werden können.
Besonders beeindruckend sind die modernen Bibliotheken Espoos als soziale Treffpunkte in Einkaufszentren, in denen nicht nur gelesen, sondern auch gemeinsam gespielt, gekocht und gelernt wird. Espoo schafft Mehrwert, indem es verschiedene Bereiche zusammenführt, z. B. soziale Ämter und Gesundheitsdienste in eine Bibliothek integriert, in der außerdem ein Makerspace und eine Bühne für Lesungen und Konzerte zu finden sind. Das Miteinander in den Multifunktionsräumen funktioniert so gut, weil gegenseitiges Vertrauen und Rücksichtnahme selbstverständlich sind - und weil die Nutzenden der Bibliothek in ihre Gestaltung und Verbesserung miteingebunden werden.
In einer Modell-Grundschule konnte die Gruppe aus Ulm ein authentisches finnisches Schulmittagessen genießen, umgeben von Naturgeräuschen aus Lautsprechern und Bildschirmen mit Naturbildern. Das digitale Herzstück der Schule ist ein 360-Grad-Videokabinett. Das ermöglicht den Schüler*innen, in andere Welten einzutauchen, sei es zum Lernen über ferne Orte und Zeiten oder als Kulisse für Theater und Spiel. E-Sports und digitale Bewegungsspiele machen es den Kindern leicht, Bewegung mit Spiel und Lernen zu verbinden.
Die Ulmer Delegation lernte die Erwachsenenbildungsorganisation „Omnia“ kennen, was auf Lateinisch „alles“ bedeutet. Der Name ist Programm: Menschen jeden Alters können sich hier sowohl beruflich weiterbilden als auch persönlichen Lerninteressen nachgehen. Kurse finden sowohl online als auch vor Ort statt. Alle Lernenden nutzen eine Online-Plattform. In den Lehr- und Lernprozessen werden vielseitige digitale Methoden und künstliche Intelligenz-Applikationen eingesetzt. Die Professionalisierung des Lehrpersonals ist bemerkenswert – mit 95% der Lehrkräfte, die eine erwachsenenbildnerische Qualifizierung haben.
Die Freude war groß darüber, dass sich auch im Finnland Konzepte fanden, die der Arbeit des ZAWiW ähneln. Es gibt bürgerwissenschaftliche Projekte im Museum KAMU, bei denen Bürger*innen in archäologische Ausgrabungen eingebunden werden. So wie beim Ulmer Digitalmentor*innen-Programm helfen auch in Espoo Ehrenamtliche denjenigen, die sich mit der allgegenwärtigen Digitalisierung an manchen Stellen schwer tun.
Neben dem spannenden Programm trugen zur Wohlfühlatmosphäre im hohen Norden die moderne freundliche Architektur und Inneneinrichtung, die Aufgeschlossenheit und der Humor der finnischen Gastgeber*innen und Leckereien wie Eierbutter auf karelischen Pieroggen, Haferbrei „Puuro“, Lakritz und Zimtgebäck bei.
Die Studienreise wirkt nachhaltig: Die Mitreisenden betrachten ihre eigenen Bildungsangebote mit neuen Augen und sind motiviert, ihre Eindrücke aus Finnland in ihrem Umfeld zu teilen, Aufgaben anders anzugehen und neue Kooperationen mit den anderen Mitreisenden aus anderen Bereichen und Einrichtungen in Ulm anzugehen.