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Genotypisierung und Phänotypisierung:
Die beiden Seiten einer Medaille
Genotyping and Phenotyping: The
Two Sides of One Coin
We do not doubt that genotyping will eventually replace the prevailing phenotyping methods even for many routine tasks of transfusion medicine. |
Editorial
Genotypisierung und Phänotypisierung: Die beiden Seiten einer Medaille
Ganz am Anfang dieses Jahrhunderts wies Landsteiners bahnbrechende Entdeckung des AB0-Blutgruppensystems den Weg zu einer rationalen Transfusionsmedizin. Das zwanzigste Jahrhundert wurde so das Zeitalter der Serologie, in dem spezifische Antikörper für vielfältige Fragestellungen fast universell in der Diagnostik eingesetzt wurden. Gleich zwei der drei Säulen der heutigen Transfusionsmedizin fußen auf dieser Technologie: Die Diagnostik in der Immunhämatologie und von durch Blut übertragbaren Erkrankungen. Die dritte Säule unserer Disziplin, nämlich die Stabilisierung und Verarbeitung des Blutes, wäre ohne die serologische Erschließung des Terrains wohl kaum entwickelt worden. Somit wurde die Serologie die vorherrschende Schlüsseltechnologie für alle wirklich wichtigen Fragen der Transfusionsmedizin in diesem Jahrhundert. Viele Kollegen vertreten die Auffassung, daß die Serologie ihre vorherrschende Rolle unangefochten behaupten wird. Aber wird dies so bleiben?
Zum Ende dieses Jahrhunderts entwickelt sich eine neue Technologie, die in die Transfusionsmedizin scheinbar allmählich eindringt: Die Genotypisierung mit einer Reihe molekularbiologischer Methoden. Seit geraumer Zeit bietet die Molekularbiologie ergänzende und unterstützende Methoden als bescheidenes Zubehör zur mächtigen Serologie an und liefert hier und da einige brauchbare zusätzliche Informationen. Erfahrene Serologen akzeptieren diese Unterstützung notgedrungen, die bestimmte diagnostische Lücken überbrücken kann, bestehen aber weiterhin darauf, daß die Genotypisierung nur als Ergänzung serologischer Daten brauchbar sei. Die Serologie wird als zu einfach und verläßlich, zu präzise und kosteneffizient angesehen, als daß sie in irgendeinem Kerngebiet durch Genotypisierungsverfahren ersetzt werden könnte, die als kompliziert und störanfällig empfunden werden.
In Folge dessen sehen viele Serologen keinen Grund, sich bei der Einführung der Genotypisierung für solche Antigene zu beteiligen, die mit ausreichender Genauigkeit durch etablierte serologische Methoden phänotypisch erfaßt werden. In gewisser Weise erinnert die jetzige Situation an die Zeit vor 15 Jahren als die monoklonalen Antikörper in der Blutgruppenserologie entwickelt und zunächst vernachlässigt wurden, weil man sie „nur zu Forschungszwecken“ und „für spezielle wissenschaftliche Fragestellungen“ brauchbar erachtete. Die Anwendung von monoklonalen Antikörpern wurde allgemein als zu teuer, zu kompliziert und zu störanfällig empfunden. Dann, ganz plötzlich, wurde ihre Überlegenheit für die Anwender und die Hersteller offenkundig.
Möglicherweise haben besagte Serologen teilweise recht. Verträglichkeitsproben und Antikörpersuchteste werden vielleicht auch noch in 100 Jahren mit serologischen Methoden durchgeführt. Schließlich ist der Nachweis eines Antikörpers ein immanent serologischer Befund. Dies mag sich auch dann nicht ändern, wenn die Antikörper mit Antigen-beschichteten Sensoren statt mit Agglutination oder Gelmatrix nachgewiesen werden. Aber was soll die Anwendung der Genotypisierung langfristig in den anderen Gebieten der Transfusionsmedizin verhindern? Alle notwendigen Voraussetzungen werden im Augenblick emsig geschaffen. Routinefähige Genotypisierungseinheiten wurden in vielen transfusionsmedizinischen Einrichtungen bereits etabliert entsprechend den Vorgaben des Paul-Ehrlich-Instituts zum Nachweis von Virusgenomen. Die molekulargenetischen Grundlagen der meisten Blutgruppenantigene sind in absehbarer Zeit bekannt. Gerade wurde die molekulare Basis des „weak D“ beschrieben. Die Wissensvermehrung auf dem Gebiet der Genotypisierung ist atemberaubend und mithin auch die Möglichkeiten, sinnvolle, präzise und kosteneffiziente diagnostische Werkzeuge zu entwickeln.
Sobald diese Werkzeuge etabliert sind, kann alles sehr schnell gehen. Einige Serologen könnten fassungslos vor dem Angebot großer Genotypisierungslaboratorien stehen, all die Teste durchzuführen, die gewöhnlich von Serologen erbracht werden. Selbst wenn dieses Szenario noch einige Zeit lang ausbleibt, so ist bereits jetzt beachtlich, was mit der Genotypisierung zum Beispiel in der Blutgruppenbestimmung nach massiven Vortransfusionen oder in der minimal invasiven Abklärung einer materno-fetalen Rh Inkompatibilität möglich ist. Es gibt viele Gründe, die neuen Techniken und ihre diagnostischen Möglichkeiten willkommen zu heißen und weiterzuentwickeln. Ärzte in der Transfusionsmedizin werden sich in der nächsten Zeit häufig mit der Genotypisierung befassen müssen, um mit dem technischen Standard Schritt zu halten.
Wir sind überzeugt, daß die Genotypisierung eines Tages die vorherrschenden Phänotypisierungsverfahren selbst für viele Routineaufgaben in der Transfusionsmedizin ersetzten wird. |
Editorial
Genotyping and Phenotyping: The Two Sides of One Coin
At the very beginning of this century Landsteiner´s landmark discovery of the ABO blood group system paved the way for rational transfusion medicine. The 20th century was to become the age of serology, putting specific antibodies to widespread, almost universal use in diagnostics. Two of the three main pillars of transfusion medicine are based on this technology today: the diagnostics in immunohematology and of transmittable blood-borne diseases. The third pillar of our discipline represented by stabilizing and processing of blood could hardly have been developed if the field had not been prepared by serology. Thus, serology has become the dominant methodology for almost all crucial tasks in transfusion medicine during this century. Many colleagues maintain that serology´s dominance will continue to remain unchallenged. But will this be the case?
As this century comes to a close, a new technology is evolving which appears to be gradually infiltrating the field of transfusion medicine: genotyping using an array of methods from molecular biology. For quite some time now molecular biology has been offering complementary and supplementary methods as a humble adjunct to the mighty serology, providing some useful additional information here and there. Experienced serologists have somewhat grudgingly accepted this support which can bridge centain diagnostics gaps, but they continue to maintain that genotyping may only be useful to complement serological data. Serology is considered too simple and reliable, too precise and cost effective to be replaced for any major task by genotyping methods which are perceived as being complex trouble prone.
Thus, many serologists see no reason to become seriously involved with the introduction of genotyping for antigens which can already be phenotyped with sufficient precision by established serologic methods. In some ways the current situation raminds one of 15 years ago when the first monoclonal antibodies knocked at the door of blood group serology and were neglected because they were considered suitable `for reasearch only´or `for special scientific questions´. The general feeling was that the application of monoclonal antibodies was too expensive, too complex and too trouble prone. Then, quite suddenly, their superiority became overwhelmingly evident for both users and providers.
The said experienced serologists may still be partially right. Cross-matching and antibody screening may still be performed with serologic methods a 100 years from now because the existence of an antibody is an immanently serologic finding. This will hold true even if antibody detection might be accomplished by antigen-coated sensors instead of agglutination or gel matrix techniques. However, are there any impediments which can prevent the application of genotyping in the long run in the other fields of transfusion medicine? All necessary prerequisites for it are being introduced very rapidly. Routine genotyping units have been established in many transfusion medicine departments as a consequence of the standards for viral genome detection set by the Paul-Ehrlich-Institut. The molecular genetics of most blood group antigens will be completed soon. The molecular basis of weak D has just recently been resolved. The accumulation of knowlegde in the field of genotyping is breathhaking, and the options to construct meaningful, precise and cost efficient diagnostic tools will improve accordingly.
As soon as these tools are established, everything can happen very rapidly. Some serologists might find themselves stunned by large genotyping laboratories offering to perform most of the tests that serologists used to do. Even if this scenario is not experienced within the immediate future, it is nevertheless quite astonishing to see what can already be accomplished by genotyping such as determining the blood group after massive transfusion or the minimally invasive investigation of materno-fetal Rh-incompatibility. There are many reasons to welcome and further the new technologies with their diagnostic capacities. In the near future doctors in transfusion medicine will have to deal frequently with genotyping in order to keep up with the technical standards.
We do not doubt that genotyping will eventually replace the prevailing phenotyping methods even for many routine tasks of transfusion medicine. |