The Rhesus Site                        RIR der DGTI                        Unser Labor in Ulm

Neue Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion (Hämotherapie) 1996


Rhesus-D-Bestimmung beim Transfusionsempfänger

Willy A. Flegel, Hinnak Northoff und Franz F. Wagner
 

Dieser Hypertext wurde in Anlehnung an die Veröffentlichung in der MTA Zeitschrift 13(1998)83, Heft 2 vom Februar 1998 gestaltet. Die Autoren bedanken sich beim Umschau Zeitschriftenverlag und der Chefredakteurin Dr. S. Päuser für die freundliche Genehmigung zur elektronischen Wiedergabe des Zeitschriftenbeitrags. Auszüge aus dem zugrundeliegenden Manuskript wurden 1997 auch als Verlautbarung des Berufsverbandes Deutscher Transfusionsmediziner unter dem Titel „Stand der Rhesus-D Bestimmung beim Transfusionsempfänger“ veröffentlicht.
 


Inhaltsübersicht

Fakten & Thesen
  Einleitung

Die Neufassung der „Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion (Hämotherapie)“ [1] bringt wesentliche Vereinfachungen bei der AB0- und Rhesus-Blutgruppenbestimmung. Dies wurde unter anderem erreicht durch den Verzicht auf polyklonale Antiseren und den Einsatz monoklonaler Antikörper in der patientenbezogenen Rhesus-D-Diagnostik. Für das Rhesus-D-Antigen unterscheidet sich zukünftig die serologische Diagnostik zwischen Patienten (alle potentiellen Transfusionsempfänger) und Blutspendern - eine Trennung, die im Ausland seit langem üblich ist. Die in den Richtlinien festgelegte Rhesus-D-Diagnostik optimiert den therapeutischen Vorteil für den Patienten. Sie ist wirksam, gefahrlos und kosteneffizienter als das bisher gültige Vorgehen. Wir erwarten, daß sich die neue Rhesus-D-Bestimmung gerade wegen der vereinfachten Diagnostik sehr schnell in der Praxis der Routinelabors durchsetzt. 



Klinische Bedeutung partieller Rhesus-D-Antigene

Bei partiellen Rhesus-D-Antigenen, wie zum Beispiel D Kategorien, liegt ein strukturell verändertes Rhesus-D-Protein vor. Manche Träger von partiellen Rhesus-D-Antigenen bilden deswegen nach Rhesus positiven Transfusionen anti-D Alloantikörper. Diese anti-D Alloantikörper sind gegen die Anteile des vollständigen Antigen D gerichtet, die der Träger des entsprechenden partiellen Rhesus-D-Antigens nicht besitzt (siehe unten). Partielle Rhesus-D-Antigene sind sehr viel häufiger als bisher vermutet (Tabelle 1).

Zur Inhaltsübersicht 
Tabelle 1. Häufigkeit von partiellen Rhesus-D-Antigenen (RhD) in Baden-Württemberg und repräsentative RhD Antigendichten. (Nach [2], [6], [18] und [8]. Mittelwerte der beobachteten Häufigkeit unter > 64.000 Blutspendern. n. d. - nicht durchgeführt.)
Häufigkeit partieller Rhesus-D-Antigen 

D Kategorie VII ist das häufigste partielle Rhesus-D-Antigen mit einer Phänotyp-Frequenz von 1:900 [6], ohne daß das Rhesus-D-Antigen wesentlich abgeschwächt ist (kein „Du“) [7, 8]. Schon in der bisherigen Praxis sind Patienten mit D Kategorie VII Rhesus-D-positiv transfundiert worden [2]. Trotzdem wurden in Deutschland praktisch keine Immunisierungen beobachtet. Ähnliches gilt für DIV und DII [7, 8, 9]. Patienten mit solchen partiellen Rhesus-D-Antigenen einschließlich D Kategorien brauchen nicht Rhesus negativ versorgt zu werden [2, 10]. Im Gegensatz hierzu bilden Patienten mit einer D Kategorie VI verhältnismäßig häufig einen anti-D Alloantikörper und müssen nach den Richtlinien deswegen Rhesus negativ transfundiert werden. Nach jetzigem Kenntnisstand ist die D Kategorie VI mit einer Phänotyp-Frequenz von etwa 1:6.000 in Deutschland das häufigste klinisch relevante partielle Rhesus-D-Antigen und wurde früher als „Du“ typisiert beziehungsweise Rhesus negativ transfundiert. Immerhin circa 6 % aller „Du“ waren D Kategorie VI [2]. Deswegen wurde die D Kategorie VI bei der Rhesus-D-Bestimmung der neuen „Richtlinien“ [1] und in den Transfusionsempfehlungen der „Leitlinien“ [11] berücksichtigt und eine Rhesus negative Transfusion vorgeschrieben.
Zur Inhaltsübersicht 
Richtlinien-konforme Rhesus-D-Bestimmung

Ein seit Ende 1996 gültiges diagnostisches Vorgehen bei der serologischen Rhesus-D-Bestimmung ist in Tabelle 2 zusammengefaßt. 



Tabelle 2. Diagnostisches Vorgehen zur Rhesus-D-Bestimmung bei Patienten (z. B. potentielle Transfusionsempfänger, Schwangere, Neugeborene) und Empfehlungen für die Transfusionstherapie.
Diagnostisches Vorgehen und Transfusionsstrategie
Nach Wagner et al. [2] und Tabelle 3 in [3]. Entspricht den „Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion (Hämotherapie)“ [1] und den „Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten“ [11]

1 - Beide anti-D sollen monoklonale Antikörper vom IgM-Typ sein, die die D Kategorie VI nicht erfassen. Technik nach Angaben des Herstellers (kein Antiglobulintest). 2 - auch bei „Du“ als Vorbefund, 3 - oder fraglich positiver Befund 


Der Antiglobulintest soll bei der patientenbezogenen Rhesus-D-Bestimmung in der Regel nicht mehr eingesetzt werden. Wir halten es für sinnvoll, daß Labore ohne spezialisierte Immunhämatologie von dem in Tabelle 1 dargestellten diagnostischen Vorgehen nicht abweichen und eine weitere Abklärung zum Beispiel mittels Antiglobulintest an ein Referenzlabor weiterleiten. Es wird nicht mehr zwischen D positiv und Du unterschieden. Der Begriff „Du“ wird nicht mehr benutzt. Eine gezielte Diagnostik für schwache oder partielle Rhesus-D-Antigene, zum Beispiel D Kategorie VI, braucht beim Patienten nicht zu erfolgen. Die dargestellte Rhesus-D-Diagnostik gilt auch für Patienten, bei denen eine Eigenblutabnahme und -transfusion durchgeführt wird, und für Eigenblutpräparate.
Zur Inhaltsübersicht 
Anti-D Testreagenzien und Technik

Die Rhesus-D-Bestimmung erfolgt mit zwei anti-D-Testreagenzien (Tabelle 2). Die Anwendung von zwei monoklonalen Antikörpern vom IgM-Typ wird empfohlen. Beide monoklonale Antikörper dürfen die D Kategorie VI nicht erfassen und müssen unterschiedliche Klonbezeichnungen aufweisen (nach Angaben des Herstellers im Beipackzettel). Reagenzien mit jeweils einem isolierten monoklonalen IgM anti-D sind vorzuziehen. Geeignete IgM anti-D, die mit polyklonalem anti-D oder monoklonalem IgG anti-D gemischt sind, können verwendet werden. Bei diesen gemischten Seren sollte ebenfalls kein Antiglobulintest durchgeführt werden, da sonst Patienten mit D Kategorie VI als Rhesus positiv typisiert würden. Das neue Vorgehen nutzt die sehr hohe Sensitivität monoklonaler IgM anti-D gegenüber schwach ausgeprägten Antigen D (früher „Du“) aus. Rein polyklonale Antiseren (humanes anti-D ohne Beimischung von geeigneten monoklonalen Antikörpern) sollten nicht mehr eingesetzt werden, da sie aufgrund ihrer ohne Antiglobulintest geringen Sensitivität für schwach ausgeprägtes Antigen D bei dem in Tabelle 1 vorgeschlagenen Vorgehen zu einer unnötig hohen Rate falsch-negativer Befunde führen würden.

Zur Inhaltsübersicht 
Eigenkontrolle

Eine Eigenkontrolle (Prüfung auf Autoagglutination) zum Beispiel mit Rhesuskontrollserum muß wie bisher bei jeder Rhesus-D-Blutgruppenbestimmung durchgeführt werden und eindeutig negativ sein. Da auch schwach positive Reaktionen zur Rhesus-D-Diagnostik herangezogen werden, kommt dieser Eigenkontrolle große Bedeutung zu. Insbesondere können durch die Eigenkontrolle falsch positive Reaktionen infolge technischer Probleme (zum Beispiel Geldrollenphänomen oder positiver direkter Antiglobulintest) erkannt und eine Rhesus-D-Fehlbestimmung vermieden werden. Eine Eigenkontrolle, die im Rahmen eines Antikörpersuchtestes durchgeführt wird, kann auch als Eigenkontrolle der Rhesus-D-Bestimmung herangezogen werden, vorausgesetzt die Untersuchungen werden zusammen angesetzt und beurteilt. Entsprechend den „Richtlinien zur Qualitätssicherung“ [4] sind wie bisher regelmäßig (mindestens 1 mal pro Woche) positive und negative Kontrollen mit D-positiven und D-negativen Testerythrozyten mitzuführen.

Zur Inhaltsübersicht 
Ergebnisbeurteilung

Es ist vorteilhaft, sensitive Techniken einzusetzen (Röhrchen- oder Gelmatrix-Techniken). Die Rhesus-D-Bestimmung auf dem Objektträger ist vergleichsweise weniger sensitiv und als Verfahren der Rhesus-D-Blutgruppenbestimmung nicht zu empfehlen. Der Objektträgertest kann aber noch für eine Inhaltskontrolle benutzt werden.

Für ein positives Ergebnis genügt eine übereinstimmend „+“ (einfach positive) bis „++“ (zweifach positive) Reaktion in den beiden Testansätzen der Tabelle 1 entsprechend den üblichen Kriterien der blutgruppenserologischen Diagnostik. Bei diskrepanten oder schwach (fraglich) positiven Ergebnissen in den Testansätzen ist eine Klärung notwendig. Ein solches Ergebnis ist - ausreichend sensitive Technik vorausgesetzt - nur bei 1 unter 1.000 Patienten oder seltener zu erwarten. Eine Abklärung kann von dem zuständigen blutgruppenserologischen Referenzlabor, das über entsprechende Erfahrung verfügt, mit geeigneten Testreagenzien zum Beispiel im indirekten Antiglobulintest durchgeführt werden. In Abhängigkeit vom Ergebnis wird der Befund „Antigen D schwach ausgeprägt“ (= weak D) [5] gestellt und im Einzelfall eine Empfehlung zur Rhesus-D-positiven oder Rhesus-D-negativen Transfusion gegeben werden.

Meist ist es für Routinelabore auch ökonomisch günstiger, die seltenen fraglich positiven Ergebnisse von einem Referenzlabor klären zu lassen, anstatt die erforderlichen Antiseren und den aktuellen Wissensstand für eine weitergehende Beurteilung schwach ausgeprägter Rhesus-D-Antigene im eigenen Labor vorzuhalten. Ein solches Vorgehen ist Richlinien-konform. Eine sichere Differenzierung von schwach ausgeprägten Antigen D und klinisch relevantem partiellem Antigen D, unter anderem D Kategorie VI, erfordert den Einsatz unterschiedlicher monoklonaler anti-D zum Beispiel vom IgG-Typ, weil auch ein partielles Antigen D im Antiglobulintest mit polyklonalen Antiseren stark positiv reagiert.

Zur Inhaltsübersicht 
Transfusion, Blutgruppendokumente und anti-D-Prophylaxe

Für ein abgeschwächtes Antigen D kann der in den Richtlinien neu eingeführte Begriff „Dweak“ verwendet werden, der in der internationalen Literatur ursprünglich als „weak D“ definiert wurde [5]. Eine exakte Abgrenzung zwischen normalem Antigen D und „Dweak“ ist nicht definiert. Da ein abgeschwächtes Antigen D bei Patienten wie bei Blutspendern als Rh pos. behandelt wird, hat der Begriff „Dweak“ eine untergeordnete Bedeutung.

Viele Blutproben mit schwachem Antigen D, die früher als „Du“ eingestuft wurden, reagieren in beiden Testansätzen positiv (siehe Tabelle 2) und werden deswegen als Rhesus-D-positiv beurteilt. Diese Patienten werden Rhesus-D-positiv transfundiert und erhalten keine anti-D-Prophylaxe. In neuen Blutgruppenausweisen muß Rhesus-D-positiv vermerkt werden. Bei Patienten mit bekanntem „Du“ sollte die Rhesus-D-Bestimmung wie bei einem Patienten ohne Vorbefund durchgeführt werden.

Alle Blutproben mit D Kategorie VI und einzelne früher als „Du“ befundete Blutproben reagieren in beiden Testansätzen negativ und werden als Rhesus-D-negativ behandelt. Diese Patienten werden demzufolge mit Rhesus-D-negativen Erythrozytenpräparaten transfundiert und erhalten, wenn indiziert, eine anti-D-Prophylaxe. In Blutgruppenausweisen für diese Patienten kann Rhesus-D-negativ vermerkt werden. Man kann erwägen, grundsätzlich auf eine anti-D-Prophylaxe zu verzichten, wenn der sichere Kindsvater Rhesus-D-negativ ist.

Proben mit bekannten „Du“, die in der Rhesus-D-Bestimmung nach den aktuellen Richtlinien negativ reagieren, sind verdächtig für partielle Rhesus-D-Antigene und können in einem Referenzlabor abgeklärt werden. Wird bei einem Rhesus positiven Patienten die Bildung eines anti D Alloantikörpers beobachtet, so ist dies von erheblichem praktischem und wissenschaftlichem Interesse. Im Sinne einer Qualitätssicherung der medizinischen Diagnostik sollten solche seltenen Ereignisse unbedingt von einem spezialisierten Labor verifiziert werden, um ihre Bedeutung für die Weiterentwicklung der Diagnostik einzustufen. Eine vollständige Erfassung solcher Proben wird vom der Sektion 5 der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie angestrebt (Rhesus Immunisierungsregister [RIR] der DGTI: Online-Informationen und Meldebogen).

Zur Inhaltsübersicht 
Rhesus-D-Bestimmung bei Blutpräparaten

Für die Rhesus-D-Bestimmung bei Blutpräparaten (Blutspendern) muß eine ergänzende Diagnostik durchgeführt werden. Nur bei Blutpräparaten müssen auch äußerst schwach ausgeprägte Rhesus-D-Antigene und partielle Rhesus-D-Antigene, unter anderem Rhesus-D-Kategorien, erfaßt werden. Dies betrifft jedoch ausschließlich Blutspendezentralen und transfusionsmedizinische Institute, die eine Herstellungserlaubnis der zuständigen Regierungspräsidien besitzen.

Diskrepanzen zwischen der Rhesus-D-Bestimmung als Patient bzw. als Blutspender treten nur selten auf (< 0,1 %), wie Untersuchungen ergeben haben [2]. Solche seltenen Diskrepanzen können den transfundierten Patienten nie gefährden, da eine „falsch-negative“ Rhesus-D-Bestimmung beim Patienten immer eine Rhesus-D-negative Transfusion indiziert. Dieses Vorgehen schließt auf jeden Fall eine Immunisierung gegen das Rhesus-D-Antigen aus.

Nur bei allogenen Blutspendern muß bei der Erstbestimmung ein Antiglobulintest durchgeführt werden, wenn die beiden Testansätze mit IgM anti-D negativ sind. Dabei sollen oligoklonale anti-D Reagenzien (Mischungen aus mehreren monoklonalen IgG und gegebenenfalls monoklonalen IgM anti-D) verwendet werden. Ersatzweise können noch polyklonale anti-D eingesetzt werden. Fällt der indirekte Antiglobulintest mit diesen Seren positiv aus, gilt das Blutpräparat nach den Richtlinien als Rhesus-D-positiv (Antigen D schwach ausgeprägt = weak D positiv oder Dweak positiv).

Zur Inhaltsübersicht 
Kennzeichnung von Erythrozytenpräparaten

Entsprechend den klinischen Anforderungen ist ausschlaggebend, ob das Erythrozytenpräparat Rh pos. oder Rh neg. ist. Ein schwach ausgeprägtes Antigen D muß wie Rh pos. behandelt werden (Abbildung 1);
eine explizite Deklarierung des Präparates (zum Beispiel weak D) bietet kaum Vorteile für die Labororganisation und klinische Versorgung. Deswegen ist es sinnvoll - wie im Beispiel 4 der Abbildung 1 gezeigt -, das Präparat als Rh pos. zu kennzeichnen und die für den klinischen Anwender meist irrelevante Aussage zur Ausprägung des Antigens D als Nebenbefund anzugeben. Alle partiellen Rhesus-D-Antigene müssen ebenfalls als Rh pos. gekennzeichnet werden. Eine Angabe wie D Kategorie VI etc. auf dem Blutpräparat ist nicht erforderlich, da bisher keine Einschränkungen der klinischen Anwendbarkeit festgestellt wurden. Das Vorgehen gilt entsprechend bei Thrombozytenpräparaten. Bei Plasmapräparaten ist eine Deklarierung des Rhesusfaktors nicht vorgeschrieben. 


Abbildung 1. Beschriftung von Erythrozytenpräparaten. Beispiel 1 zeigt die typische Beschriftung für einAbb. 1: Beschriftung von Erythrozytenpräparaten Rhesus-D-positives Präparat (CcD.Ee) und Beispiel 2 für ein Rhesus-D-negatives Präparat (ccddee). Auch Rhesus-D-negative Präparate „mit großen Buchstaben“ (Beispiel 3), hier Antigen E positiv (ccddEe), werden nach den neuen Richtlinien für Rhesus negative Empfänger (ccddee) verwendet. Beispiel 4 zeigt ein Rhesus-D-positives Präparat (ccD.Ee), dessen Antigen D schwach ausgeprägt ist. Die Fallbeispiele 1 - 3 sind Blutgruppe A und Antigen K negativ (Kell neg: kk). Beispiel 4 ist Blutgruppe A und Antigen K positiv (Kell pos: Kk oder KK).
Zur Inhaltsübersicht 
Molekularbiologie der Rhesusgene RHD und RHCE

Die Klärung des Protein- und Genpolymorphismus macht schnelle Fortschritte [12, 13]. Alle Antigene der Rhesus-Blutgruppe werden durch zwei benachbarte eng verwandte (homologe) Gene, RHD und RHCE, gebildet. In der deutschen Bevölkerung ist der Rhesus negative Phänotyp fast immer auf ein vollständiges Fehlen des RHD-Gens zurückzuführen. Die Beschreibung der molekularen Vielfalt beider Rhesus-Gene in der deutschen Population ist Vorraussetzung, um eine sichere aber auch kosteneffiziente Strategie zur Rhesus-D-Bestimmung mittels PCR zu etablieren. Eine solche Rhesus-D-Genotypisierung hat zum Beispiel für die Pränataldiagnostik große Bedeutung [14].

Die dreidimensionale Struktur der Rhesus-Proteine ist noch nicht bekannt. Erste Modelle zur Proteinkonfiguration sind entwickelt worden (Abbildung 2). Das Antigen einer D Kategorie VI unterscheidet sich vom normalen Rhesus-D-Antigen im extrazellären Anteil lediglich durch drei von sieben polymorphen Aminosäuren. Wird ein Träger der D Kategorie VI Rhesus positiv transfundiert, findet häufig eine Immunisierung gegen diese Teile des Rhesus-D-Proteins statt, die der Transfusionsempfänger selber nicht besitzt. 



Schematische Ansicht des Antigens D und der D Kategorie VIAbbildung 2. Schematische Darstellung des Antigens D auf der Erythrozytenoberfläche. Das normale RhD-Protein ist dargestellt (links). Jede Kugel symbolisiert eine Aminosäure. Insgesamt sind sechs extrazelluläre Ketten von Aminosäuren („Schlaufen“) zu erkennen (hellgelb und hellgrau). Die transmembranären Proteinanteile sind rötlich dargestellt. Das RhD-Protein unterscheidet sich vom RhCE-Protein (hier nicht dargestellt) lediglich in sieben extrazellulären Aminosäuren (gelb). Alle anderen extrazellulären Aminosäuren (hellgelb und hellblau) sind identisch zwischen dem RhD- und RhCE-Protein.
Beim DVI-Protein (rechts) haben zwei Schlaufen statt der RhD-spezifischen Aminosäuresequenz die RhCE-spezifische Aminosäuresequenz (hellblau). Die extrazellulären Anteile des DVI-Proteins unterscheiden sich also vom normalen RhD-Protein nur durch drei Aminosäuren (blau). Weitere transmembranär und intrazellulär gelegene Unterschiede können allerdings auch Einfluß auf die Proteinkonfiguration nehmen und sind hier aus Gründen der Vereinfachung nicht dargestellt.
Ein Transfusionsempfänger mit dem Phänotyp DVI kann einen anti D-Antikörper (blauer Pfeil) gegen die Anteile des normalen Antigen D (gelb) bilden, die sein DVI Protein nicht aufweist, weil sie durch RhCE-spezifische Anteile (hellblau und blau) ersetzt sind. Gegen diese Teile des RhD-Proteins sind auch die monoklonalen IgM anti-D gerichtet, die für die Typisierung von Transfusionsempfängern benutzt werden. Da das DVI-Protein diese Anteile nicht besitzt, können diese monoklonalen IgM anti-D nicht an das DVI-Protein binden und reagieren serologisch negativ.
Text in English

Für die D Kategorie VI waren bisher zwei molekulare Ursachen bekannt (Typ I und Typ  II). Beide Formen weisen eine stark verminderte Anzahl von Rhesus-D-Proteinen in der Erythrozytenmembran auf.Neuerdings wurde ein DVI Typ III beschrieben, dessen Erythrozyten eine normale Anzahl von Rhesus-D-Proteinen tragen [15]. Trotz der unterschiedlichen molekularen Struktur dieser drei Typen sind die extrazellulären Anteile entsprechend dem Modell in Abbildung 2 kaum verschieden, was das identische serologische Reaktionsmuster aller drei Typen erklärt. Als Ursache schwach ausgeprägter Rhesus-D-Antigene findet sich ein großer Genpolymorphismus [16], was bei der Genotypisierung zu falsch-negativen oder falsch-positiven Ergebnissen führen kann. Weiterhin ist die Genotypisierung mittels PCR [17] grundsätzlich erschwert durch sporadische nicht-funktionale Allele [18]. Es gibt bereits Anhaltspunkte dafür, daß dies auch die pränatale Rhesus-D-Genotypisierung komplizieren kann [16]. Natürliche Hybridgene sind im Rhesus-Genlocus häufig. Die Charakterisierung der molekularen Ursache partieller Rhesus-D-Antigene kann zum Verständnis von Rekombinationsmechanismen beitragen, die zwischen den oft vorkommenden benachbarten homologen Genen auftreten.
Zur Inhaltsübersicht 
Ausblick

Monoklonale Antiseren in der Blutgruppenserologie sind ein weiteres Beispiel wie biotechnologischer Fortschritt die Genauigkeit in der Diagnostik und somit die Sicherheit in der Patientenversorgung erhöht. Dies wird bei der Rhesus-D-Bestimmung erreicht, während die Gesamtkosten dieser Diagnostik für das Gesundheitswesen vermindert werden. Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung über monoklonale antierythrozytäre Antikörper hat im Ausland einen wesentlich höheren Stellenwert inne. Es ist zu erwarten, daß der volkswirtschaftliche Nutzen dieser Biotechnik, die zumindest für das nächste Jahrzehnt in der Blutgruppenserologie bestimmend sein wird, dort in noch größerem Umfang zum Tragen kommt. Die Genotypisierung wird die Bedeutung der monoklonalen Antikörper als Schlüsseltechnologie eines Tages übertreffen. Die Transfusionsmedizin kann zur Etablierung der Genotypisierung einen wesentlichen Beitrag leisten, wenn es gelingt, die umfangreichen Datenbasen zu Blutgruppen-Phänotypen hierfür wissenschaftlich zu nutzen.

Zur Inhaltsübersicht 
Literatur

Hinweis:
Klicken Sie auf die Zitatnummer, um an eine repräsentative Textstelle zu wechseln.
Klicken Sie die markierte Literaturstelle an, um den Medline-Eintrag mit Abstrakt anzuschauen.
 
1 
 
Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer: Richtlinien zur Blutgruppenbestimmung und Bluttransfusion ( Hämotherapie). Kapitel 2.5.5: Bestimmung des Rh-Merkmals D. Deutscher Ärzteverlag, Köln 1996. 
2 
 
Wagner FF, Kasulke D, Kerowgan M, Flegel WA: Frequencies of blood groups ABO, Rhesus, D category VI, Kell, and of clinically relevant high-frequency antigens in South-Western Germany. Infusionsther Transfusionsmed 1995;22:285-290. 
 3 
 
Endres W, Flegel WA, Helmbold W, Kasulke D, Montag-Lessing T, Poschmann A, Sonneborn HH: Überlegungen zum Vorgehen bei der Bestimmung der D-Eigenschaft. Infusionsther Transfusionsmed 1996;23:172-175. 
 4 Bundesärztekammer: Richtlinien der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung in der Immunhämatologie. Deutsches Ärzteblatt 1992;89 
 5 
 
Agre PC, Davies DM, Issitt PD, Lamy BM, Schmidt PJ, Treacy M, Vengelen-Tyler V: A proposal to standardize terminology for weak D antigen (Leserbrief). Transfusion 1992;32:86-87. 
 6 Flegel WA, Wagner FF: The frequency of RHD protein variants in Caucasians (Abstrakt). Transfus Clin Biol 1996;3:10s. 
 7 
 
Jones JW, Lloyd-Evans P, Kumpel BM: Quantitation of Rh D antigen sites on weak D and D variant red cells by flow cytometry. Vox Sang 1996;71:176-183. 
 8 
 
Flegel WA, Wagner FF: RHD epitope density profiles of RHD variant red cells analyzed by flow cytometry. Transfus Clin Biol 1996;6:429-431. 
9 
 
 
Avent ND, Jones JW, Liu W, Scott M, Voak D, Flegel WA, Wagner FF, Green C: Molecular basis of the D variant phenotypes DNU and DII allows localization of critical amino acids required for expression of Rh D epitops epD3, 4 and 9 to the sixth external domain of the Rh D protein. Br J Haematol 1997;97:366-371. 
10 
 
Jones J, Scott ML, Voak D: Monoclonal anti-D specificity and Rh D structure: criteria for selection of monoclonal anti-D reagents for routine typing of patients and donors. Transfus Med 1995;5,171-184. 
11 
 
Vorstand und wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer: Leitlinien zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten. Deutscher Ärzteverlag, Köln, 1995; Seiten 18-19. 
12 
 
Tippett P, Lomas-Francis C, Wallace M: The Rh antigen D: partial D antigens and associated low incidence antigens. Vox Sang 1996;70:123-131. 
13 
 
Neumeister B, Flegel WA, Northoff H: Biochemie der Rh-Blutgruppenantigene und ihre Bestimmung mittels monoklonaler Testseren. Clin Lab 1996;42:279-283. 
14 
 
Bennett PR, Le Van Kim C, Colin Y, Warwick RM, Cherif-Zahar B, Fisk NM, Cartron JP: Prenatal determination of fetal RhD type by DNA amplification: N Engl J Med 1993;329:607-610. 
15 
 
Wagner FF, Gassner C, Müller TH, Schönitzer D, Schunter F, Flegel WA: Three molecular structures cause Rhesus-D category VI phenotypes with distinct immunohematologic features. Blood 1998;93 (im Druck)
16 
 
Avent ND, Martin PG, Armstrong-Fisher SS, Liu W, Finning KM, Maddocks D, Urbaniak SJ: Evidence of genetic diversity underlying Rh D negative, weak D (Du) and partial D phenotypes as determined by multiplex PCR analysis of the RHD gene. Blood 1997;89:2568-2577. 
17 
 
Gassner C, Schmarda A, Kilga-Nogler S, Jenny-Feldkircher B, Rainer E, Müller TH, Wagner FF, Flegel WA, Schönitzer D: RHD/CE typing by polymerase chain reaction using sequence-specific primers.Transfusion 1997;37:1020-1026.
18 
 
Wagner FF, Flegel WA: Polymorphism of the h allele and the population frequency of sporadic non-functional alleles. Transfusion 1997;37:284-290.


Zur Inhaltsübersicht
Homepage Abteilung Blutgruppenserologie und Immunhämatologie, DRK-Blutspendezentrale Ulm, D-89081 Ulm, Germany
Sponsored by the DRK-Blutspendedienst Baden-Württemberg
last modified 18 Feb 1998