Mit der BAVARIA 36 durch Friesland im August 2014

Universität Ulm

Ein Törnbericht von Manfred, Sabine und Michael.

Mit der BAVARIA 36 durch Friesland im August 2014

Törnstil

Angeregt durch ein Shanty über den 80-jährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederländer gegen Habsburg im 16./17. Jahrhundert mit Auswirkungen bis heute wollten wir in zwei Wochen Friesland intensiv kennenlernen. Das war nur durch den engen Kontakt mit dem Land möglich. Also keine meilenfressende Seereise, sondern Friesland auf seinen Kanälen, Meeren und Grachten erfahren. Bleiben, wo es etwas zu sehen und erleben gibt und den persönlichen Kontakt zu den liebenswürdigen Friesen suchen.

Geplante Route

Start war der Buitenhaven von Stavoren am IJsselmeer. Dann durch die Seeschleuse zu Johan Frisokanaal und die friesischen Seen (Meere) über Heeg, IJlst, Sneek, den Prinsess Margriet Kanaal nach Grouw und von dort über die Staande Mastroute zur friesischen Hauptstadt Leeuwarden. Danach auf der Dokkumer Ee nach Dokkum im Norden.Vorgesehen war der Weiterweg über den Van Harinxmakanaal nach Harlingen und durchs Wattenmeer zum IJsselmeer zurück.

Törnverlauf

Die Reise begann vielversprechend bei herrlich warmem Sommerwetter. Auf den großen Wasserflächen der De Morra, Fluessen und vor allem Heegermeer und Sneekermeer fühlten wir uns eher auf See als im Landesinnern. Die Passagen der zahlreichen beweglichen Brücken bereitete wenig Mühe und Zeitverlust, weil wir schon von weitem ausgemacht wurden und die Brücken fast immer mit unserer Ankunft hochgeklappt wurden. Lediglich an den Eisenbahnbrücken gab es  Wartezeiten, weil hier der Zugfahrplan Vorrang hatte. Einige Hindernisse waren inzwischen durch Aquädukte beseitigt worden. Die Binnenfahrt erfordert in kurzer zeitlicher Folge erhöhte Aufmerksamkeit: Masthöhe bei Brücken und überhängenden Bäumen (die Brücken stehen nicht immer senkrecht), Beschaffenheit der Anleger (Holz, Beton, herausragende Schrauben), in der Höhe richtig angepasste Fender, Wind und Strömung, Festmacher und Spring, enge Durchfahrten und eine Masse anderer Schiffe jeglicher Größe, angepasste Geschwindigkeit, Brückenöffnungs-zeiten, sorgfältige Beachtung der Fahrrinne und vieles mehr.

Teilweise passte auch der Wind, sodass wir - dann meist mit der Fock - segeln konnten. So erreichten wir rasch über IJlst Sneek, wo wir vor dem zauberhaften Waterpoort an einem beeindruckend schönen Holzschiff junger Engländer längsseits gehen durften. Bei den windigen Bedingungen war ein besonders sorgfältiges und sanftes Anlegemanöver an dem edlen Schiff Ehrensache.

 Sneek ist ein schönes und lebhaftes Seglerzentrum mit viel historischer Substanz. Dass wir nach dem Bummel durch die Stadt ausgerechnet im Cafe „Vaticaan“ landeten, war dem Zufall geschuldet. Im Gegensatz zu unserem letzten Besuch, war an den Brücken durch die Stadt bei unserer Weiterreise kein Klompgeld in die Holzschuhangel der Brückenwärter fällig. Weiter nördlich sollte sich das dann ändern.

Ein Highlight war auch unser Aufenthalt in Grouw. Zwar hatten wir zwischen Sneek und Grouw (Sneekermeer und Prinsess Margriet Kanaal) sehr viel Schiffsverkehr aller Art, der aber nie gestört hat, sondern dem Auge - auch am Kanalufer - ständig neue und schöne Eindrücke geboten hat. Für die Weiterfahrt nutzten wir die Staande Mastroute, um über den Van Harinxma Kanaal und die Dokkumer Ee Leeuwarden zu erreichen.

Die Dokkumer Ee bildet einen Teil des Stadtgrabens der früher stark befestigten friesischen Hauptstadt, ist auf beiden Seiten von einem schönen Park unmittelbar am Rande der historischen Altstadt begrenzt und bietet wunderschöne Liegeplätze mit Wasser, Strom und Sanitäranlagen. Von später ankommenden Schiffen wurde unser Skipper wohl wegen seines USCU-Shirts wiederholt als Hafenmeister angesprochen. Liegegeld haben wir aber nicht kassiert.

Leeuwarden ist eine wirtschaftsstarke, lebendige, gegensätzliche und doch liebenswürdige Großstadt, die wir auch ausgiebig kennengelernt haben. Ein Wandspruch im Friesischen Museum erinnerte uns an die selbstbewusste friesische Geschichte, denn „die Friesen knien nur vor Gott nieder, sonst vor niemandem, nicht einmal vor der holländischen Königsfamilie“. Denn „Fries“ kommt aus dem Romanischen „Frisii“ und bedeutet „die Freien“. Eine geführte Bootsfahrt durch die Grachten der Stadt und die Besteigung des  schiefen OLDEHOVE verschafften uns den nötigen Überblick über die Stadt, über die es unendlich viel zu berichten gäbe.

Die Weiterfahrt auf der Dokkumer Ee nach Dokkum zeigte uns das flache Land und Friesland nicht  a m  Wasser, sondern  i m  Wasser. Zahllose kleine und große Kanäle durchziehen die Landschaft und die Orte und sorgen für die Entwässerung. Der Wind stand günstig, sodass wir bei der gemütlichen Fahrt Segel setzen konnten. Bereits um 13.30 legten wir in der Baantjegracht in Dokkum unmittelbar unter einer großen historischen Windmühle an, ein paar Schritte über den Deich bzw. das Bollwerk und wir waren in einer ungewöhnlich bezaubernden, fast pittoresken, heimeligen Stadt. Sie hatte früher unmittelbar Anschluss an die Nordsee, war Sitz der niederländischen Admiralität und offensichtlich wohlhabend. Der Anlegeschluck mit einem Salbanello Rosso Rubina Cabernet war der Lage angemessen.So blieben wir auch zwei Tage. Neben Rundgängen durch die Stadt und rundherum auf dem Bollwerk, Einkauf auf dem Markt (einen Riesenrettich gab´s dann zum Abendessen) besuchten wir das kulturhistorische Museum im früheren Admiralitätshaus mit einem interessanten Gespräch mit dem Museumsleiter über den 80-jährigen Befreiungskrieg im 16./17. Jahrhundert und die Auswirkungen auf seine Stadt. Der nette Herr sang uns sogar die friesische Heimathymne vor. Für den USCU-Shantychor konnten wir ihn allerdings nicht gewinnen. Die Bonifatiusausstellung hinterließ bei uns zwiespältige Gefühle. Der christliche Missionar Bonifatius war als „geistlicher Eroberer“ bei den Friesen nicht willkommen und so haben sie ihn in Dokkum erschlagen- Sie wurden dafür militärisch schwer bestraft. Auch die Besichtigung der historischen, noch betriebsfähigen Mühle bescherte uns einen herrlichen Blick von oben und ein intensives Gespräch mit den ehrenamtlichen Betreuern des Denkmals über die Technik der Mühle und die Geschichte ihres Landes..

Als Abschiedsschluck am Vorabend unserer Weiterreise genehmigten wir uns aus der wohlbestückten Schiffsbilge einen „Terre Siziliane Nero d´Alola mit der Aufschrift „Nullius boni sine socio iucunda possessio est“ (Seneca). So hielten wir es denn auch. Besinnlich beschlossen wir unseren Besuch in Akkum mit einem Duo zwischen Ukulele (gezupft!) und Mundharmonika zu unseren Shanties.

In der Nacht ging ein Platzregen nieder und deutete das Ende unserer beschaulichen Sommerreise an. Auf dem Rückweg mit Kurzaufenthalt in Leeuwarden (im Stadtmuseum fiel uns ein original handschriftliches Einwohnerverzeichnis mit Namen, Berufen, Krediten aus der Zeit der Befreiungskriege von 1600 in die Hände) gab es nette Begegnungen. Die hübsche Betreiberin der kleinen Personenfähre lobte Skippers Hose mit Friesenmuster „Nette Hose!“, ließ sich aber zu weiteren Kommentaren nicht verlocken. Es gab aber auch die einzige Berührung mit einer seglerisch und menschlich deutlich unterentwickelten Crew einer Segelyacht, der wir aus gutem Grunde das Anlegen an unserem Schiff nicht gestattet hatten und die uns deshalb übel beschimpft haben. In der Nacht war dann unser Stromanschluss gekappt und das Schiff mit dicken Erdbatzen beworfen worden.

Motorschaden

Ein gefährliches Problem begann bei der Anfahrt gegen sehr starken Wind auf die Slauerhofbrug hinter Leeuwarden. Kurz vor der auf Grün geschalteten Brückendurchfahrt änderte sich plötzlich das Motorgeräusch. Ein Blick auf den Auspuff: Kein Kühlwasser. Es blieben uns noch maximal zwei Minuten bis der Motor überhitzt und zerstört wird. Ein Blitzanlegemanöver an die Wartebalken, Vorleine fest und sofortiges Motoraus rettete uns. Aus dem Motorraum unter Deck quoll schon dicker Rauch, Feuerlöscher heraus, aber zum Glück kein Brand. Die Kühlflüssigkeit des inneren Kühlkreislaufs war wegen der Überhitzung durch ein Sicherheitsventil ausgetreten. Wir informierten die Brücke und den Vercharterer über den Sachverhalt. Langes Warten bis der Motor abkühlt. Dann stellte sich heraus, dass der Impeller zerbrochen war. Die meisten Teile fanden wir im Gehäuse und in den Kühlwasserschläuchen. Auch nach dem Einsatz eines neuen Impellers, Auffüllen von Kühlflüssigkeit und positivem Lauftest des Motors hatten wir das Vertrauen in den für die Kanalfahrten zumal bei dem starken Wind unbedingt notwendigen Motor verloren. Erst bei unserem nächsten Halt in Wergea (einem sehr hübschen Dorf) konnte eine ortsansässige Werft  die Inspektion und Reparatur des Motors vornehmen und unsere Zuversicht wiederherstellen. Da der Schaden am Samstag eingetreten war, war ein längerer Aufenthalt in Wergea unvermeidlich. Den hatten wir gut genutzt, um Ort und Umgebung kennenzulernen. Schön war eine Einladung der Künstlerin Erika Tasseron in ihr Tuin-Atelier und ihren hübschen Garten, wo sie uns (kostenlos) mit Kaffee und selbstgebackenen Plätzchen bewirtete http://www.wergea.com/joomla320/index.php/66-informatie/50-toerisme/965-kunstnijverheid .

Die Abende bereicherte Sabine durch Vorlesen aus Joachim Ringelnatz „Matrosen“, der dort sehr authentisch das damalige harte Seemannsleben schildert. Humorvoller waren die Geschichten aus „Segler Gustavs heile Welt“.

Unser Törnplan musste geändert werden. Mit der Fahrt übers Wattenmeer von Harlingen zur Kornwerderzandschleuse würde es wohl nichts mehr werden. Dabei hatten wir uns so gründlich darauf vorbereitet:

Boontjes Fahrwasser

Als wenig Tidenerfahrene fragten wir uns schon bei der Törnplanung: Wie und wann kommen wir mit unserer BAVARIA 36 von Harlingen ins IJsselmeer ohne zu große Umwege durchs Watt? Die direkt von Harlingen nach Süden führenden Binnen-Kanäle waren für unsere Yacht durch feste Brücken und/oder zu geringe Tiefe unpassierbar. Es bot sich das flache Boontjes-Fahrwasser durch die Waddenzee an, das glücklicherweise 2012/2013 ausgebaggert worden war, sodass uns auch bei Ebbe eine Tiefe von NAP 3,20 m zur Verfügung stehen sollte, ausgenommen eine Stelle, die wegen einer Leitung nicht so tief ausgebaggert werden konnte.  Bei einem Referenzwert Harlingen von LAT=GAP minus 134 cm errechnete sich eine Soll-Mindesttiefe LAT von 1,86 m, was uns bei unserem Tiefgang von 1,65 m fast zu jeder Zeit reichen könnte, sofern der Gezeitenstrom inzwischen nicht Sand ins Fahrwasser verfrachtet hat oder starker Wind das Wasser aus der Rinne bläst.. Sicherheitshalber wollten wir die Flut von gut 2 m nutzen. Die Springverzögerung beträgt an der Niederländischen Küste etwa 2 bis 3 Tage nach Neu-/Vollmond. Also wird es bei Ebbe an den folgenden Tagen am knappsten. Um die etwa 10 sm lange Strecke sicher und schnell zu bewältigen, sollte uns außerdem die ablaufende Flut schieben und uns ausreichend Zeit lassen. Die günstigste Abfahrtszeit aus Harlingen lag also zwischen 0 und 3 Stunden nach Hochwasser Harlingen. Unter Zuhilfenahme des Gezeitenkalenders legten wir für den 12.8. eine Abfahrtszeit auf ca 11.30 Uhr fest. Also rechtzeitig davor Brücken und Schleuse in den Voorhaven passieren. Jetzt galt es noch darauf zu achten, dass uns Wind und Strömung nicht an den Rand des engen Fahrwassers drücken und wir den Tonnenstrich präzise einhalten, sodass wir die Schleuse Kornwerderzand sicher erreichen. Soweit die Theorie. Dass dann für den vorgesehenen Abreisetag aus Harlingen Starkwind mit Böen bis 9 bf angesagt waren, stand nicht in unserem Plan. Und schon aus chartervertraglichen Gründen mussten wir auf das Wattenmeer verzichten.

Da Wind und Regen immer mehr zunahmen, entschlossen wir uns, über die Kanäle und Binnenseen nach Stavoren zurückzulaufen, was wir ohne weitere Probleme schafften. Die verbleibende Zeit nutzten wir noch zu einem Abstecher nach Harlingen und Makkum, was sich sehr gelohnt hat. Der Aus-Check verlief flott und ohne Schwierigkeiten, wie wir überhaupt feststellen können, dass wir mit unserer Charterfirma und auch mit der Marina in Stavoren sehr gute Erfahrungen gemacht haben. http://www.sail-charter-stavoren.de/system.php?action=showpage&page=34&menu=38

Manfred-Sabine-Michael